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In den Staatskassen herrscht Flaute, die öffentliche Verschuldung eskaliert. Die internationalen Finanzmärkte sind ins Trudeln geraten. Droht in dieser Situation das Ende der Wohlstandsgesellschaft? Wenn es weniger zu verteilen gibt, wie steht es dann um die Stabilität des Gemeinwesens und seine demokratische Substanz? Was für Konsequenzen hat es, wenn keiner mehr an das Zukunftsversprechen "Meinen Kindern soll es einmal bessergehen" glaubt und zugleich die Fliehkräfte in der Gesellschaft zunehmen? Droht das Ende des Sozialstaates? Wirtschaft, Politik und Medien verdrängen die Gefahren. Es ist fünf vor zwölf.…mehr

Produktbeschreibung
In den Staatskassen herrscht Flaute, die öffentliche Verschuldung eskaliert. Die internationalen Finanzmärkte sind ins Trudeln geraten. Droht in dieser Situation das Ende der Wohlstandsgesellschaft? Wenn es weniger zu verteilen gibt, wie steht es dann um die Stabilität des Gemeinwesens und seine demokratische Substanz? Was für Konsequenzen hat es, wenn keiner mehr an das Zukunftsversprechen "Meinen Kindern soll es einmal bessergehen" glaubt und zugleich die Fliehkräfte in der Gesellschaft zunehmen? Droht das Ende des Sozialstaates? Wirtschaft, Politik und Medien verdrängen die Gefahren. Es ist fünf vor zwölf.
Autorenporträt
Peer Steinbrück, geboren 1947 in Hamburg, ist Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2002 bis 2005 war er Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, von 2005 bis 2009 Bundesfinanzminister. Sein Buch Unterm Strich (Hoffmann und Campe Verlag, 2010) stand monatelang auf den Bestsellerlisten. Vertagte Zukunft ist Steinbrücks erste Veröffentlichung seit der Wahl im September 2013.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.09.2010

Allen Finanzministern ergeht es wie Moses
„Unterm Strich“: Klug, prägnant und fast immer plausibel schildert Peer Steinbrück seine Arbeit und die Zwänge des Amtes / Von Theo Waigel
Den Auflagenkampf zwischen Peer Steinbrück und Thilo Sarrazin wird wohl Letzterer gewinnen. Beide sind Volkswirte, der erste stand an der Spitze des Bundesministeriums der Finanzen, wo der andere in den 90er Jahren an maßgeblicher Stelle die Wirtschafts- und Währungsunion vorbereitete. Unter Sarrazins letzter Ernennungsurkunde steht die Unterschrift des Bundesfinanzministers Steinbrück. Über Thilo Sarrazins jüngste Thesen wird er sich nicht gefreut haben. Das Grunddenken von Peer Steinbrück geht auf Max Weber, Karl Popper und Helmut Schmidt zurück, auf Grundsätze der politischen Philosophie, Gesetze der Ökonomie, Erkenntnisse der Soziologie und der Zeitgeschichte. Der Ökonom Sarrazin hingegen hat sich durch absurde Vergleiche um die Anerkennung gebracht, die ihm für seine realistische - wenn auch für viele unangenehme - Bestandsaufnahme gesellschaftlicher Fehlentwicklungen gebührte.
Das Werk von Peer Steinbrück ist eine Mixtur aus Situationsbeschreibung, politischer Pragmatismuslehre, soziologischen Erkenntnissen und Analyse der Parteienlandschaft. Steinbrück nennt Fairness eine politische Tugend. Und in der Tat geht er mit Gegnern in und außerhalb seiner Partei mit beachtlicher Fairness um. So ist es bemerkenswert, dass er vom bayerischen Staatsminister der Finanzen Georg Fahrenschon als einem tüchtigen, jungen Kollegen spricht. Steinbrück weiß, wieviele Steine die politische Realität allen Finanzministern in den Weg legt. Robert Anderson, Finanzminister unter US-Präsident Eisenhower, hat seinen Kollegen in aller Welt ins Stammbuch geschrieben: „Der Finanzminister, der populär sein möchte, hat seinen Beruf verfehlt.“
Der stärkste Teil des Buches steht am Schluss. Konstruktiv-kritisch schreibt Steinbrück über die Lage der SPD. In seiner ungeschönten Betrachtung des Wahlkampfes 2009 beschreibt er die Auseinandersetzung über den Kanzlerkandidaten und Kalküle der Mehrheitsstrategien. Die Chance der SPD hätte in der Tat darin bestanden, auf die Fortsetzung der Großen Koalition zu setzen. Das wäre zwar nicht besonders attraktiv, aber wohl erfolgreicher gewesen als die aussichtslose Hoffnung, die FDP werde auf eine Ampelkoalition eingehen.
Steinbrück schreibt, die SPD habe damals mit der Union mehr gemeinsam gehabt als mit der FDP. Wenn er die Zeit der Großen Koalition und seine Zeit als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen ähnlich prägnant dargestellt hätte, wäre das Buch noch informativer geworden. Mitunter zitiert er Leitartikler, Soziologen und Meinungsforscher allzu ausführlich. Wo er ohne Verweise auskommt, schreibt er prägnant, schnörkellos und interessant.
Mit schöner Klarheit schildert er die gesellschaftlichen und demografischen Entwicklungen. Gegen die Mathematik hilft weder Ideologie noch Sozialromantik. Allerdings belässt es auch Steinbrück bei der unbestreitbaren Darstellung von Zuständen, Fliehkräften, Erosionen. Seine Lösungsvorschläge beschränken sich darauf, Möglichkeiten abzuwägen. Er warnt vor Extremen und vor deplazierten Ausgleichsbestrebungen in der Mitte. Er beklagt die Politikersprache, die Umständlichkeit des Föderalismus und die Alimentationsmentalität zu Lasten der Solidargemeinschaft. Gnadenlos schildert er die notwendige Konsolidierung nach der Finanzkrise. Dabei belässt er es nicht bei der Binnensicht, sondern richtet den Blick kritisch auf die USA, die einen Faustischen Pakt mit China eingegangen seien. Die Waren, die Amerikaner auf Kredite kauften, die sie dann nicht bedienen konnten, kamen großenteils aus Asien. Er geißelt die wachsende Staatsverschuldung der USA, die in der Ära Reagan ihren Anfang nahm, von Clinton unterbrochen wurde und in den letzten Jahren nicht zuletzt durch die Finanzierung kostspieliger Kriege und die Bewältigung der Finanzkrise mit der Bankenrettung astronomische Zahlen erreicht hat.
Steinbrücks These, China werde neben den USA demnächst Kopilot der Weltwirtschafts- und Geopolitik werden, wird wohl niemand bestreiten. Das Weltwährungssystem wird auf Dauer nicht vom Dollar beherrscht werden. Euro und Renmimbi werden neben regionalen Währungen eine verstärkte Rolle spielen müssen. Zu Recht beklagt er die mangelnde politische Dynamik in Europa: „Nur mit einem Qualitätssprung in der politischen Integration hat Europa eine chancenreiche Zukunft.“
Leider vertritt auch Peer Steinbrück die falsche These, die Preisgabe der DM sei im Tausch gegen den Euro eine Konzession gewesen, um den Weg zur deutschen Vereinigung zu ebnen. Er müsste eigentlich wissen, dass die entscheidenden Festlegungen und Beschlüsse zur gemeinsamen Währung bereits 1988 auf einem Gipfel in Hannover und danach durch das „Delors-Papier“ gefasst worden waren. Keine deutsche Regierung hätte 1990 den europäischen Partnern die Zusage geben können, der Euro werde als Preis für die Zustimmung zur Deutschen Einheit eingeführt. Dazu war eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat erforderlich, die kein Bundeskanzler und Bundesfinanzminister hätte versprechen können. Richtig ist und bleibt, Helmut Kohl hat 1990, als die Chance der Deutschen Einheit sich auftat, den europäischen Prozess nicht unterbrochen und beides parallel vorangebracht. Das hat das Misstrauen der europäischen Partner abgebaut und Vertrauen geschaffen.
Steinbrück irrt auch in der Annahme, Europa sei nur ein Staatenbund. Selbst das Bundesverfassungsgericht bestätigt der EU den Status eines Staatenverbunds zwischen Bundesstaat und Staatenbund. EU entzieht sich der staatsrechtlichen Definition des vergangenen und vorvergangenen Jahrhunderts. Sie folgt einem dynamischen Prozess, der auch Rückschläge durch negative Referenden oder Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen überwindet. Steinbrück selbst hat zur Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion einen wichtigen Beitrag geliefert, als er im Gegensatz zu seinem Vorgänger zusagte, den Stabilitätspakt einzuhalten und ihn nicht nach Belieben auszulegen oder gar zu ändern, wie die rot-grüne Bundesregierung vor seiner Zeit in einer unseligen Kumpanei mit Frankreich dies betrieb.
Was den EU-Beitritt der Türkei anbelangt, vertritt Steinbrück realistische Ansichten. Ähnlich wie Helmut Schmidt warnt er, die EU könne sich mit dem Beitritt der Türkei verheben. Steinbrück widersteht auch der sozialdemokratischen Versuchung, mit Inflation die Probleme zu lösen. Wenn er trotzdem mehrmals eine Erhöhung der Investitionen für Bildung, Forschung und Ausbildung verlangt, wird ihm niemand widersprechen. Leider hat er keine Vorschläge, wo dafür an anderer Stelle im Haushalt gespart werden soll.
Spannend ist die Darstellung des Verlaufs der Finanzkrise. Steinbrück hat Recht mit der Feststellung, dass die Welt zwischen dem 15. September und dem 5. Oktober 2008 mehrmals nur Millimeter vom Abgrund entfernt stand. Die deutsche Politik hat gemeinsam mit den Partnern und im Zusammenwirken mit der Europäischen Zentralbank diese Krise gut bewältigt. Das war das Wichtigste und Beste, was die große Koalition zu Stande gebracht hat. Die Akteure, darunter auch Peer Steinbrück, haben es allerdings unterlassen, der Bevölkerung zu sagen, dass nun ein Konsolidierungszeitraum von etwa einem Jahrzehnt unabdingbar sein würde. Steinbrück bejaht die Hilfe, die Griechenland und anderen europäischen Ländern zuteil wurde. Die Wirtschafts- und Währungsunion kam anlässlich der Finanzkrise eben deshalb nicht in Bedrängnis, weil 1992 im Vertrag von Maastricht keine wirkungsvollere Koordination der Fiskal- und Wirtschaftspolitik zustande kam. Die griechische Krise war die Folge der Entscheidung, Griechenland in die Wirtschafts- und Währungsunion aufzunehmen, und der mangelhaften Überwachung der griechischen Wirtschafts- und Finanzdaten. Dazu hätte die Europäische Kommission durchaus das Recht gehabt.
Selbstkritisch räumt Steinbrück eigene Fehler bei der Restrukturierung der deutschen Bankenwelt, insbesondere der Landesbanken, ein und sieht auch nüchtern, dass die nationale Bankenaufsicht einen einheitlichen institutionellen Rahmen benötigt hätte. Wenn er seine Enttäuschung und bisweilen seine Wut über Ignoranz und auch Arroganz der Finanz- und Wirtschaftsrespektabilitäten vom Stapel lässt, kann dies ein früherer Finanzminister durchaus nachvollziehen.
Der schwierigste Part in seinem Werk besteht für Steinbrück in der Definition des Sozialstaats. Der Autor vermag die Fliehkräfte des Systems plausibel zu beschreiben, seine Idee des vorsorgenden, aktivierenden und investierenden Sozialstaats hingegen bleibt im Ungefähren. Steinbrück schildert die aggressive Haltung der älteren Generation gegenüber unabwendbaren Änderungen der Sozialsysteme angesichts der demografischen Entwicklung. Tatsache ist: Die Erhöhung der Altersarbeitszeit auf 67 Jahre ist nicht eine Rentenkürzung, sondern der notwendige Preis dafür, dass wir alle zehn Jahre älter werden wollen und Sicherheit im Krankheits- und Pflegefall erwarten. Die Partei, die den Mut hat, das offen auszusprechen und die Konsequenz daraus zieht, wird langfristig überzeugen und gewinnen. Steinbrück hat auch den Mut festzustellen, insgesamt gehe es der Rentnergeneration von heute so gut wie keiner Seniorenschaft zuvor. Er meint, die soziale Kluft, die sich in den letzten Jahren verstärkt hat, könne sich durch mehr Zielgenauigkeit im Sozialbudget beheben lassen.
Kritisch geht Peer Steinbrück mit der Zuwanderung und der Integration in Deutschland um. Seine Feststellung, wer eine fortgesetzte Zuwanderung als Lösung der Demografie-Falle auch nur in Erwägung zieht, müsse des Wahnsinns fette Beute sein, erinnert allerdings ein bisschen an Thilo Sarrazin. Steinbrück nennt eine frappierende Zahl: 28 Millionen Rentnern und Empfängern von Leistungen mit Fürsorgecharakter steht inzwischen eine etwa gleichhohe Anzahl von sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen gegenüber. Allein diese Relation zwingt zu einer Diskussion über die Tragfähigkeit des Sozialsystems. In diesem Zusammenhang kritisiert Steinbrück die Rentengarantie des Jahres 2009 und macht sich zum Vorwurf, dagegen nicht stärker politisch gestritten zu haben. Der deutsche Sozialstaat setzt nach den Daten von Steinbrück jährlich 754 Milliarden Euro um, das entspricht rund 31 Prozent unserer gesamten Wirtschaftsleistung. 70 Cent von jedem über Steuern eingenommenen Euro des Bundeshaushalts fließen in Sozialleistungen. Wenn die Bürger mit diesem System trotzdem nicht zufrieden sind, dann liegt es am mangelnden Mut und an ideologischer Verblendung von Politikern und politischen Parteien, die vor einer vorurteilslosen Diskussion über eine Reform des Sozialstaates zurückscheuen.
Mit der sozialdemokratischen Steuerpolitik der letzten zehn Jahre geht Steinbrück ins Gericht: Die Idee vom „Hochsteuerland Deutschland“ hält er für einen „Mythos“. Nicht die Steuerlast sei das Problem, sondern die hohen Sozialabgaben. Steinbrück fordert die Erhöhung des Spitzensteuersatzes und die Erhöhung der Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkünfte. Hier leuchtet die Sehnsucht eines Sozialdemokraten nach Steuersätzen durch, wie sie bis 1998 unter der Regierung Kohl bestanden (Spitzensteuersatz 53 Prozent plus Solizuschlag).
Insgesamt ist Peer Steinbrücks Buch ein wichtiger Beitrag zur politischen Debatte und zur Klärung der Lage der Sozialdemokratie. Er beklagt das Los der Finanzminister übrigens nicht zu Unrecht. Wie Moses können sie das gelobte Land nicht betreten. Sie haben es im Blick, das Land ohne Staatsverschuldung, aber sie werden es nicht erleben.
PEER STEINBRÜCK: Unterm Strich. Hoffmann und Campe, Hamburg 2010. 320 Seiten, 22 Euro.
Theo Waigel war von 1988 bis 1999 Parteivorsitzender der CSU. Von 1989 bis 1998 war er Bundesminister der Finanzen in der Regierung Kohl. Seinem Ministerium oblag die Durchführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion nach der deutschen Einigung. Bis 2002 war er Bundestagsabgeordneter. Seit 1999 arbeitet er als Rechtsanwalt in München.
Peer Steinbrück über Steuern
Über Privatisierungen
Organisatorisch wird sich der vorsorgende Sozialstaat dezentralisieren müssen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Das bedeutet nicht, dass er privatisiert werden soll.
Über Steuersenkungen
Die Bezieher niedriger Einkommen würden in der Tat mehr konsumieren, wenn sie denn könnten, können sie aber nicht, weil sie von Steuersenkungen nichts oder nur wenig mehr im Portemonnaie haben. Die oberen Einkommensbezieher sehen sich überproportional beglückt durch Steuersenkungen und könnten mehr konsumieren, tun sie aber nicht, weil sie einen erheblichen Teil auf die hohe Kante legen. Soviel zum Verteilungseffekt und angeblichen Konsumimpuls von Steuersenkungen.
Über die Finanzmärkte
Ich fand und finde es einleuchtend, ausnahmslos jedes Finanzgeschäft so zu behandeln wie eine Handwerkerdienstleistung, nämlich mit einer Art Mehrwertsteuer zu belegen. Der komplizierte Begriff dafür lautet Finanzmarkttransaktionssteuer.
Der Minister und die Finanzhaie – für Steinbrücks Wut auf die Arroganz mancher Großkopferten aus Finanz und Wirtschaft hat der Rezensent Verständnis. Zeichnung: Hurzlmeier
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.2010

Welt retten mit Peer Steinbrück

6 Eine Warnung zu Beginn: Wer sich Klatsch und Tratsch vom Kabinettstisch wünscht, der ist hier falsch. Schlüsselloch-Erlebnisse, wie Peer Steinbrück als Deutschlands Krisenbewältiger hinter verschlossenen Türen mit Kanzlerin und Ackermann rang, in Verhandlungen mit Washington und Wall Street den Absturz "in den Abgrund" zu verhindern suchte, hat das Buch des SPD-Manns nicht zu bieten. Über die Krisentage im heißen Herbst 2008 steht darin kaum Neues. Steinbrück ist kein Plappermaul. Er gibt den Politiktheoretiker und Ökonomen. In seiner klugen und gedanklich präzisen Streitschrift liest er seinem Land und seiner Partei SPD die Leviten. Das ist mal mehr und mal weniger originell, aber nie langweilig. Ein Buch wie sein Autor.

hena.

Peer Steinbrück: "Unterm Strich", Hoffmann & Campe, 23 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Martin Walser himself hat für die Zeit Peer Steinbrücks Rückblick auf die Finanzkrise gelesen, und die Lektüre hat ihn schlicht und einfach umgehauen. Zwar gibt Walser zu, den großen Bankencrash nur über die Fernsehnachrichten verfolgt und deshalb durchaus Nachholbedarf in tieferer Analyse zu haben, aber was der damalige Finanzminister ihm hier alles auftischt, hat ihm den Atem geraubt. Dass Manager genauso sorglos mit der Realität umgehen wie Feuilletonisten, das hätte sich Walser nicht träumen lassen! Unmöglich, Walsers Text in einer kurzer Notiz wiederzugegeben, ausführlich und immer noch ungläubig rekapituliert Walser die irrsinnigsten Kapriolen des Finanzmarkts. Als eine wichtige Erkenntnis nimmt er aus der Lektüre aber mit, dass wir uns nicht nur von einer entfesselten Wirtschaft "mitschleifen" lassen dürfen, es gelte das Primat der Politik. Und auch wenn hier ein SPD-Finanzminister schreibt hat Walser in diesem Drama ganz klar "mehr Shakespeare als Godesberg" gefunden.

© Perlentaucher Medien GmbH
»eindrucksvolles Gesamtpanorama unserer nationalen und internationalen Umwelt« Der Tagesspiegel, 15.11.2010