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"Krieg macht ehrlich", ist das Motto von Düzen Tekkal. Als deutsche Jesidin hat sie 2014 den Genozid an ihrem Volk im Nordirak mitangesehen. Gerade deswegen sorgt sie sich angesichts des wachsenden Zuspruchs, den extremistische Strömungen in Deutschland erfahren, um unsere Demokratie: "Extremisten bedrohen das Fundament jeglichen Zusammenlebens. Wer davor die Augen verschließt oder auch nur gleichgültig zusieht, macht sich mitschuldig am Verlust unserer politischen Freiheit." Tekkals Analyse zielt daher nicht nur auf die islamistischen Hardliner, sondern auch auf die wachsende Gewalt von…mehr

Produktbeschreibung
"Krieg macht ehrlich", ist das Motto von Düzen Tekkal. Als deutsche Jesidin hat sie 2014 den Genozid an ihrem Volk im Nordirak mitangesehen. Gerade deswegen sorgt sie sich angesichts des wachsenden Zuspruchs, den extremistische Strömungen in Deutschland erfahren, um unsere Demokratie: "Extremisten bedrohen das Fundament jeglichen Zusammenlebens. Wer davor die Augen verschließt oder auch nur gleichgültig zusieht, macht sich mitschuldig am Verlust unserer politischen Freiheit." Tekkals Analyse zielt daher nicht nur auf die islamistischen Hardliner, sondern auch auf die wachsende Gewalt von rechts: Jeder der beiden "bösen Zwillinge" verhöhnt die Errungenschaften des Grundgesetzes und stellt Werte wie Meinungs- und Religionsfreiheit in Frage. Die Politik reagiert auf diese Entwicklung hilflos oder überfordert. Düzen Tekkal aber will nicht länger schweigen: Sie möchte offen über die Probleme sprechen, die die Integration mit sich bringt. Sie redet Klartext, wenn es darum geht, rechtenGesinnungstätern das Handwerk zu legen. Vor allem aber will sie die Werte verteidigen, für die sie als Deutsche und als Autorin einsteht.
Autorenporträt
Tekkal, DüzenDüzen Tekkal ist Kurdin, Jesidin und Deutsche. Die renommierte Fernsehjournalistin und Filmemacherin wurde 1978 als eines von elf Kindern einer jesidischen Einwandererfamilie in Hannover geboren. Schon als Vierjährige nahm sie ihr Vater in den niedersächsischen Landtag mit. Die Frage, wie Integration gelingen kann, beschäftigt sie seit vielen Jahren. Für ihre Reportage »Angst vor den neuen Nachbarn«, in der sie jugendliche Straftäter mit Migrationshintergrund porträtiert, erhielt sie 2010 den Bayerischen Fernsehpreis. 2014 erlebte sie mit, wie der »Islamische Staat« (IS) im Nordirak ihr eigenes Volk verfolgte und ermordete. Das Leid, das sie dort mitansehen musste, hat sie in dem Dokumentarfilm »Háwar - Meine Reise in den Genozid« verarbeitet.Düzen Tekkal erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Preis »Frau Europas 2018«, den AJC-RAMER-Preis 2017 für ihren Einsatz zur Stärkung von Demokratie und Menschenrechten sowie den Courage-Preis für aktuelle Berichterstattun

g des Journalistinnenbunds 2016.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.04.2016

Das Leben in zwei Welten kann gelingen
Eine deutsche Jesidin: Düzen Tekkal erzählt von ihrer Familie und warnt vor der Erosion unserer offenen Gesellschaft

Ein Mann, den Düzen Tekkal nicht kennt und der sie nicht kennt, ruft sie im August 2014 an. "Hilf uns, wir werden alle getötet!" Immer wieder klingelt das Telefon an diesem Tag, von dem sie sagt, er habe ihr Leben verändert. Immer wieder sind es fremde weinende, verzweifelte Menschen, die flehen: "Hilf uns." Der IS hatte begonnen, die Jesiden zu ermorden. Es leben etwa eine Million in der ganzen Welt, die Hälfte von ihnen ist auf der Flucht. Düzen Tekkal ist eine von 100 000 Jesiden in Deutschland.

Sie packt sofort, ihr Vater begleitet sie, und sie fliegen in den Norden des Iraks, der zu dieser Zeit der gefährlichste Ort der Welt ist. Sie trifft auf mutige jesidische Männer, die schlecht ausgerüstet gegen den IS kämpfen, darunter viele aus Deutschland. Von einem, einem Bäcker, der zuvor noch nie eine Waffe in der Hand gehalten hatte, erzählt sie, er habe seinen Angehörigen aufgetragen, wenn er sterbe, sollen sie ihm die Deutschlandfahne auf den Sarg legen. Weil Deutschland das erste Land ist, in dem Jesiden frei leben können.

Auf beiden Seiten der Front wurde Deutsch gesprochen, schreibt Düzen Tekkal, bei den Islamisten und bei jenen, die verschleppte Frauen und Kinder zu retten versuchten. Aus diesen Erlebnissen ist ein ungewöhnlicher und erschütternder filmischer Kriegsbericht geworden, "Háwar", was auf Kurdisch Hilfe heißt. Später, in Deutschland, wagt es eine große Kinokette nicht, diesen Film zu zeigen - aus Angst vor Anschlägen. Diese Angst, die sich ausbreitet, und diese Bedrohung unseres Zusammenlebens sind das große Thema ihres Buches. Sie fügt dem religiösen Extremismus einen "bösen Zwilling" hinzu, den stärker werdenden Rechtsextremismus. Und sie schreibt in ihrem Buch ausführlich über Migranten, vor allem aus der Türkei stammende, und die aus ihrer Sicht wesentlichen Gründe für das Scheitern so vieler von ihnen.

Im Unterschied zu den Kapiteln über die Reise, die alles veränderte, die jesidische Kultur und ihre Kindheit und Jugend, die frisch, packend und voller Humor erzählt sind, geraten ihre Ratschläge, wie man dem Scheitern der Integration begegnen sollte, zuweilen recht plakativ. Unerbittlich verlangt sie, dass wir uns ändern, dass wir uns stärker für jene anderen interessieren müssen, die es nicht so geschafft haben wie Düzen Tekkal selbst. Zwar hat sie recht, es ist eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft. Und sie räumt auch ein, dass Migranten der dritten Generation nicht selten zu "satt" sind, sich nicht anstrengen und ihre Opfermentalität pflegen.

Ihre Empfehlungen, der Segregation in Schulen und Städten entgegenzuwirken, überzeugen nicht, weil sie die Vorgeschichte ausblendet: die Abstimmung mit den Füßen aus Vierteln, in denen schließlich die orthodox bis tribal organisierten Einwanderer unter sich blieben. Denn wer ging, war oft selbst benachteiligt - aber mit Idealen gewappnet, wie sie Düzen Tekkal in der eigenen Familie erlebt hat und anerzogen bekam. Bestechend klar ist dann wieder ihr Befund, warum der Multikulturalismus gescheitert ist: Die relativistische Idee interessiere sich nicht für den Einzelnen, sondern nur für die Kultur; sie anzuerkennen soll Pflicht sein, auch wenn dadurch religiöse Dogmen und überkommene Traditionen über individuelle Rechte gestellt werden.

Düzen Tekkal ist eine Kämpferin, mutig, klug und sehr durchsetzungsfähig. Sie ist die Tochter eines Gastarbeiters aus Südostanatolien, der gern mehr gelernt hätte und diese Sehnsucht, diesen Bildungsehrgeiz auf seine elf Kinder übertrug - mit großem Erfolg. Die starke, selbstbewusste Mutter, eine Analphabetin, brachte ihren Kindern bei, dass und warum man sich anstrengen muss, um sein Leben zu meistern. Der Vater hätte auch in der Türkei auf die Oberschule gekonnt, aber sein Vater weigerte sich. Die Tekkals sind Jesiden und mit dem Angebot der höheren Schule verband sich für den Großvater die Furcht, der Sohn könnte missioniert werden. Also ging er nach Deutschland, das ihn, so empfand er es, mit offenen Armen aufnahm.

Das Glück, in einer solchen Familie groß zu werden, mit Eltern, die das ungestüme Kind nie behinderten, hat Düzen Tekkal stark und furchtlos gemacht. Von Beginn an, schreibt sie, habe sie in zwei Welten gelebt, sich jedoch nie zerrissen gefühlt. "Ich saß nicht ,zwischen den Stühlen', sondern wechselte zwischen dem Deutschen und dem Kurdisch-Jesidischen hin und her." Das habe sie immer als sehr befruchtend erlebt. Sie studierte, finanziell unterstützt vom großen Bruder, Politik und Germanistik und wurde Journalistin. Zur Abschlussprüfung kam die ganze stolze Familie - zwanzig Leute - mit. Beim Festschmaus in der Pizzeria erzählte der Vater jedem, der vorbeikam, von seiner Tochter, die das Studium "mit Eins, mit Eins!" bestanden habe, und ließ sich beglückwünschen.

Düzen Tekkals Biographie, ihr Aufwachsen in dieser fidelen, riesigen Familie ist nur ein Nebenstrang des Buchs. Doch stellt sie sich ihren Lesern nicht einfach nur als exemplarisches Beispiel für das Ankommen in einer freien offenen Gesellschaft vor. Ihr persönliches Buch will ein Beitrag zu einer Debatte sein, die unbedingt geführt werden muss. Nicht mehr verdruckst und politisch korrekt wie bisher, was noch jeden Konflikt glattbügelt hat. So unerschrocken streitbar, wie sie selbst es tut, sollten die Debatte alle führen. Weil die Angst und die "bösen Zwillinge" und der informelle Gesinnungsterror das Fundament unseres Zusammenlebens wirklich bedrohen.

REGINA MÖNCH

Düzen Tekkal: "Deutschland ist bedroht". Warum wir unsere Werte jetzt verteidigen müssen.

Berlin Verlag, Berlin 2016. 224 S., br., 16,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Regina Mönch wünschte, alle würden die Migranten-Debatte so führen wie Düzen Tekkal, unerschrocken, streitbar und klug. Allerdings kann die Autorin als deutsche Jesidin mit Verbindungen in den Irak auch von Erfahrungen berichten, die andere nicht haben. Tekkal erzählt von Gewalt und Angst, vom Scheitern des Multikulti, von den Schwierigkeiten der Integration, aber auch von ihrem persönlichen Erfolg damit. Mönch gefällt der Humor, der frische, packende Ton, wenn die Autorin von ihrer Kindheit und Jugend erzählt. Die Ratschläge im Buch für eine bessere Integration scheinen ihr dagegen oft plakativ.

© Perlentaucher Medien GmbH
»So unerschrocken streitbar, wie sie selbst es tut, sollten die Debatte alle führen. Weil die Angst und die "bösen Zwillinge" und der informelle Gesinnungsterror das Fundament unseres Zusammenlebens wirklich bedrohen.« Regina Mönch FAZ 20160422