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Ein Großteil der Flüchtlinge, die seit 2015 nach Deutschland kamen, ist 25 Jahre alt oder sogar jünger. Für ihre Integration ist ausgerechnet ein System zuständig, das kurz vor dem Kollaps steht: das deutsche Bildungssystem. Menschen mit einer schweren Vergangenheit, die erst einmal die deutsche Sprache lernen müssen, treffen auf marode, unterfinanzierte Schulen. Diese fatale Mischung droht, eine Generation der Perspektivlosen hervorzubringen. Das Buch erzählt von Lehrern, die in Klassenzimmern kämpfen, von Schulen, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen, und von Schülern, die in…mehr

Produktbeschreibung
Ein Großteil der Flüchtlinge, die seit 2015 nach Deutschland kamen, ist 25 Jahre alt oder sogar jünger. Für ihre Integration ist ausgerechnet ein System zuständig, das kurz vor dem Kollaps steht: das deutsche Bildungssystem. Menschen mit einer schweren Vergangenheit, die erst einmal die deutsche Sprache lernen müssen, treffen auf marode, unterfinanzierte Schulen. Diese fatale Mischung droht, eine Generation der Perspektivlosen hervorzubringen. Das Buch erzählt von Lehrern, die in Klassenzimmern kämpfen, von Schulen, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen, und von Schülern, die in den Strukturen verloren gehen. Es zeigt aber auch neue Bildungskonzepte und Unterrichtsmodelle, die Hoffnung machen, dass die wichtigste Aufgabe in diesem Land bewältigt werden kann: allen Kindern in einem gut ausgestatteten Bildungssystem die bestmögliche Zukunft zu ermöglichen.
Autorenporträt
Kröning, Anna§
Anna Kröning studierte Neuere und Neueste Geschichte, Politik und Soziologie in Düsseldorf und Berlin. Nach journalistischen Stationen bei der dpa, "Tagesspiegel" und "Rhein-Zeitung" arbeitet sie seit 2011 als Redakteurin für "Die Welt/Welt am Sonntag" und schreibt über Bildung, Migration und Gesellschaftsthemen. Für ihre Serie über türkisches Leben in Mainz erhielt sie 2009 den Mainzer Journalistenpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.02.2019

Lehrerlücke trifft auf Flüchtlingsschüler
Am Geld allein liegt es nicht: Anna Kröning beschreibt, wie Schulen sich an den Herausforderungen der Integration abarbeiten

Wie viele Kinder und Jugendliche in den letzten Jahren nach ihrer Flucht in das System deutscher Schulen und Berufsschulen eingegliedert werden mussten, weiß immer noch niemand genau. Für mindestens eine halbe Million, wahrscheinlich aber noch mehr Flüchtlingsschüler sei schnell und umstandslos in Schulklassen Platz geschaffen worden, schreibt die Journalistin Anna Kröning in ihrem Buch "Deutschland hat ausgelernt". Insgesamt seien seit 2014 fast eine Million ausländische Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene unter 25 Jahren nach Deutschland gekommen. Sie stützt sich unter anderem auf die Asylstatistik, hie und da auf ein Landesschulministerium - aber sie weiß, dass dies keine ausreichenden Quellen sind, um eine gigantische Aufgabe wie die Integration Hunderttausender neu zugewanderter Schüler solide zu beschreiben.

Zumal diese Migrantenkinder meist nur bis zum Abschluss der vorbereitenden Deutsch-Pflichtkurse überhaupt statistisch als besondere Gruppe erfasst sind. Anna Kröning versucht trotzdem, die blinden Flecken reiner Statistik mit Befunden aus Studien und Zeitungsartikeln sowie einigen eigenen Besuchen in Schulen zu erhellen. Das ist verdienstvoll, aber nicht immer überzeugend.

Zu viel wird da vermutet, und so bleiben die wenigen Schulporträts und Gespräche mit Lehrern vor Ort die Lichtblicke, weil sie authentisch davon erzählen, was in den Schulen zu leisten ist und ob es gelingen kann. Kein Bürgermeister, kein Landrat, auch kein Pädagoge zieht in Zweifel, dass die Beschulung, das Deutschlernen oder die Alphabetisierung jugendlicher Analphabeten - in großer, wenn auch letztlich unbekannter Zahl - unerlässlich sind für das Gelingen des Großprojektes Integration. Kröning streift auch die Probleme, die Schulen bereits vor der "Flüchtlingskrise" an die Belastungsgrenze gebracht haben: der prekäre Zustand vieler Schulgebäude, die Platznot, der gravierende Lehrermangel (vor dem jahrzehntelang vergeblich gewarnt worden ist), die Folgen verfehlter Reformen, die immense Zahl von Schülern, die unzureichend lesen, schreiben und rechnen können. Trotzdem wirbt sie um Verständnis, vermisst überzeugende, länderübergreifende Konzepte und Standards für die Flüchtlingsschüler - und weiß im Grunde genommen, dass die aus dem Stand angesichts der großen Zahl junger Flüchtlinge nicht schnell zu haben sind.

Erstaunlich ist dabei, wie die Autorin von vornherein "die anderen", die Mehrheit immerhin, und deren schulische Situation ausblendet. Ob und vor allem wie diese "anderen" zum Beispiel den Anspruch, integrative Sozialarbeiter vom frühesten Kindesalter an sein zu müssen, gut oder schlecht verkraften, interessiert sie kaum. Ihr geht es nur darum, dem Leser begreifbar zu machen, wie hart die ungelösten Probleme deutscher Schulen gerade die Flüchtlingsschüler treffen.

Immer mal wieder rettet sich die Autorin in die wohlfeile Klage, deutsche Schulen seien unterfinanziert. Bloß ist allein schon die Lehrerlücke nicht mit noch mehr Bundesmillionen rasch zu schließen: Junge Lehrer kann man nicht irgendwo dazukaufen, die müssen zuerst einmal viele Jahre lang ausgebildet werden - darüber wird so manche Kindheit, nicht nur die von Flüchtlingen, vergehen. Auch Anna Krönings Forderung, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und alles zu tun, um etwa Schulen ohne deutsche Mitschüler zu vermeiden, klingt zwar gut. Doch übersieht sie, wie es zu dieser Segregation gekommen ist. Nach Krönings Ansicht haben sich ganze Stadtviertel entmischt, weil Arm und Reich nicht zusammenleben wollen. Das stimmt zwar, doch verließen auch ärmere Familien diese Viertel, weil sie nicht wollten, dass ihre Kinder für politische Versäumnisse büßen - eine Abstimmung mit den Füßen oder, positiv gedeutet, ein Beweis für ihren Aufstiegswillen durch Bildung.

Dieses Wegziehen in besser gemischte Viertel ist heute kaum noch möglich, die wachsende Wohnungsnot verschärft die Zustände noch. Genauso wie die Verteilung der Flüchtlinge im Land. Nicht nur in Berlin oder Duisburg konzentrieren sie sich wieder in sozial ohnehin schon belasteten Vierteln. Kröning berichtet und führt Studien an, die dies belegen: Zu viele Flüchtlingsschüler landen an den sogenannten Brennpunktschulen und haben dort während ihrer Schulzeit "kaum Kontakt zu Gleichaltrigen ohne ausländische Wurzeln". Im Flüchtlingsheim, wo die Mehrzahl lebt, mag es inzwischen komfortabler sein als noch im Jahr 2016. Doch sind sie dort ebenfalls "unter sich", was ihrer Sprachkompetenz schadet, da auch die Eltern nur wenig oder gar kein Deutsch sprechen - und es nicht selten auch nicht lernen wollen, wie jüngst der Städtetag beklagte.

Zudem sind auch die Kapazitäten vieler Brennpunktschulen längst überdehnt, obwohl man gerade dort hochengagierte und im Umgang mit Einwandererkindern erfahrene Pädagogen trifft. Kröning weist auf diesen Erfahrungsschatz mehrfach hin, lässt diese Lehrer, die über mehr soziale Phantasie verfügen, als in die Integrationskonzepte der Bundesregierung eingegangen ist, selbst zu Wort kommen. Eine ihrer Gesprächspartnerinnen, eine Schulleiterin, beschreibt, wie die Probleme mit neuen Lernkonzepten angegangen werden: "Wir sind diejenigen, die es am besten können . . . Und wir haben die größten Erfahrungen. Aber wir können nicht alles allein stemmen, das wird nicht aufgehen." Trotzdem, schreibt Kröning, werde getan, was nur irgend möglich ist. Ihrer Warnung vor neuen Parallelgesellschaften ist zuzustimmen. Doch mit ihrem phrasengesättigten 12-Punkte-Programm, als Schlussakkord des Buches, werden sie kaum zu verhindern sein.

REGINA MÖNCH

Anna Kröning: "Deutschland hat ausgelernt". Wie Schulen an der Integration scheitern und was wir tun können.

Piper Verlag, München 2018. 320 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Anna Kröning beschreibt, wie Schulen sich an den Herausforderungen der Integration abarbeiten.", Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.02.2019