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Die rassistisch motivierten Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) mit insgesamt 10 Morden und mehreren Bombenanschlägen off enbaren eine neue Dimension rechter Gewalt. Seit 1945 haben Rechtsextremisten immer wieder Terrorgruppen gebildet, die nach ähnlichem Muster agierten: konspirative Kleinstzellen, Raubüberfälle zur Geld- und Waffenbeschaffung, Anschläge gegen Migranten, politische Gegner und gesellschaftliche Einrichtungen. Der Blick hinter die Kulissen offenbart, dass die rechten Gewalttäter keineswegs isoliert tätig sind und dass die von ihnen ausgehende Gefahr von den…mehr

Produktbeschreibung
Die rassistisch motivierten Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) mit insgesamt 10 Morden und mehreren Bombenanschlägen off enbaren eine neue Dimension rechter Gewalt. Seit 1945 haben Rechtsextremisten immer wieder Terrorgruppen gebildet, die nach ähnlichem Muster agierten: konspirative Kleinstzellen, Raubüberfälle zur Geld- und Waffenbeschaffung, Anschläge gegen Migranten, politische Gegner und gesellschaftliche Einrichtungen. Der Blick hinter die Kulissen offenbart, dass die rechten Gewalttäter keineswegs isoliert tätig sind und dass die von ihnen ausgehende Gefahr von den Behörden jahrzehntelang unterschätzt wurde. Andrea Röpke und Andreas Speit haben die Szene über viele Jahre beobachtet und frühzeitig auf diese Gefahr hingewiesen. Sie legen nun in ihrer bewährt reportageartigen Darstellungsform einen Überblick zu den jüngsten Verbrechen und zur gesamten Geschichte des rechten Terrors in der Bundesrepublik vor.
Autorenporträt
Röpke, Andrea§Jahrgang 1965, Politologin und freie Journalistin; Spezialgebiet: Nationalsozialismus und Rechtsextremismus; Veröffentlichung ihrer aufwendigen Inside-Recherchen im Neonazi-Milieu in Fernsehmagazinen wie Monitor, Panorama und Spiegel-TV, in der taz und bei Süddeutsche-Online sowie in Fachportalen wie Blick nach rechts; zahlreiche Auszeichnungen, darunter 'Das unerschrockene Wort' (2009) und 'Journalistin des Jahres' (Kategorie Politik, 2011).

Speit, Andreas§Jahrgang 1966, Diplom-Sozialökonom, freier Journalist und Publizist, Kolumnist der taz-Nord, regelmäßige Beiträge für Freitag, blick nach rechts und jungle world, mehrere Auszeichnungen, u.a. durch das Medium-Magazin und den Deutschen Journalisten-Verband. Autor und Herausgeber diverser Bücher zum Thema Rechtsextremismus, darunter 'Ästhetische Mobilmachung', Münster 2001; 'Ronald Schill - Der Rechtssprecher', Hamburg 2002 und 'Europas radikale Rechte' (mit Martin Langebach), Zürich 2013.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wohltuend nach all den oberflächlichen Publikationen zum Thema NSU erscheint Harald Bergsdorf dieser von den beiden Spezialisten für Rechtsextremismus Andrea Röpke und Andreas Speit herausgegebene Band, der versucht, aufgrund von gründlicher Recherche die Taten des NSU zu analysieren und historisch zu verorten. Die dabei entwickelten Thesen zur Vermeidbarkeit der NSU-Verbrechen findet Bergsdorf zwar nicht immer überzeugend genug belegt. Wichtig in seiner Informationsfülle findet er das Buch aber dennoch. Zumal die Autoren seiner Meinung nach viel Empathie mit den Opfern zeigen und mit ihrer wenngleich nicht sehr konkreten Forderung nach einer anderen Kultur der Auseinandersetzung mit dem Thema immerhin in die richtige Richtung weisen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2013

Von Musikanten und Mördern

Eine Beschäftigung mit der Geschichte des Rechtsterrorismus hätte Ermittler, Medien und Gesellschaft früher auf die Spur der NSU-Verbrecher gebracht.

Von Harald Bergsdorf

Lange unentdeckt von den Sicherheitsbehörden, ermordeten die NSU-Terroristen über Jahre unschuldige Menschen in Deutschland und fotografierten einige Opfer auch noch beim Sterben. Ohne rechtsextreme Zeichen an den Tatorten zu hinterlassen oder Bekennerschreiben zu verschicken, lebten sie jahrelang unbehelligt im Untergrund. Obwohl Terrorismus auch eine Kommunikationsstrategie ist, übernahmen die Mörder lange Zeit keine auch nur verbale Verantwortung für ihre Morde - vermutlich ahnten sie, welchen Fahndungsdruck sie damit auslösen würden. Auch deshalb hat kaum jemand in Deutschland nachhaltig und frühzeitig die Frage gestellt, ob Rechtsterroristen hinter den Morden stecken könnten. Erst nach dem Tod der Täter verschickte ihre Komplizin ein Bekennervideo, das von einem starken Nationalismus, Rassismus, Sozialdarwinismus, Zynismus und Nihilismus zeugt.

Die kaltblütigen und feigen Morde des Thüringer Terrortrios haben die Öffentlichkeit erschüttert. Seither erscheinen zahlreiche Bücher über den NSU. Immer wieder werfen Verlage eher oberflächliche Werke über die Zwickauer Zelle auf den Markt. Wohltuend unterscheidet sich davon das neue Buch von Andrea Röpke und Andreas Speit, die als Fachjournalisten für Rechtsextremismus gelten und als Sachverständige in Untersuchungsausschüssen agieren. Für ihre mutigen Recherchen haben sie zahlreiche Auszeichnungen erhalten.

Das zentrale Ziel der beiden Autoren - und ihrer journalistischen Mitstreiter Julia Jüttner, Andreas Förster und Anton Maegerle - besteht darin, nicht nur den NSU und seine Hinrichtungen zu analysieren, sondern auch die historischen Hintergründe des Rechtsterrors auszuleuchten und sein gegenwärtiges Umfeld aufzuhellen. Damit verbinden die Autoren zwei zentrale Thesen. Erstens hätte eine nähere Beschäftigung mit der Geschichte des Rechtsterrorismus doch Ermittler, Medien und Gesellschaft früher auf die Spur der NSU-Verbrecher bringen können. Tatsächlich gibt es viele Parallelen zu früheren Strukturen des Rechtsterrorismus, etwa die ideologische Herkunft der Täter. Auch verschicken Rechtsterroristen - wie die Geschichte der Bundesrepublik zeigt - gemeinhin eher selten Bekennerschreiben. Neben Analogien offenbart ein historischer Vergleich einige Besonderheiten des NSU. Dazu gehört dessen Modus Operandi, insbesondere die beispiellose Brutalität, unschuldige Menschen in Serie strategisch geplant und gezielt - face-to-face oder auch hinterrücks - zu erschießen, um sie mitten aus dem Leben zu reißen. Leider liefert das Buch keinen auch nur halbwegs gründlichen Vergleich, der Ähnlichkeiten und Unterschiede von NSU und früherem Rechtsterrorismus (etwa die "Hepp-Kexel-Gruppe") verdeutlichte.

Zweitens halten Röpke und Speit das NSU-Umfeld für breiter, als es momentan scheint. Auch deshalb wäre es nach Auffassung der Autoren weniger schwierig gewesen, den NSU zu enttarnen. Tatsächlich erschien 2010 eine CD der Band "Gigi & die braunen Stadtmusikanten", auf der es heißt, die "Döner-Mörder" hätten schon "neunmal gekillt". Pflegten die Täter auch nach ihrem Abtauchen stärkere und engere Kontakte zu gewaltorientierten Rechtsextremisten als bislang bekannt - trotz aller Konspiration? Gab es mehr Hintermänner und Helfer, etwa bei "blood & honour" (darauf rekurriert der Buchtitel) - trotz der breiten Diskussion nach 2000 gerade in Thüringen über behördliche Zuträger in der rechtsextremistischen Szene? Röpke und Speit liefern hierzu lediglich plausible Spekulationen.

Die Autoren präsentieren ein akribisches und solides Buch, das wichtige Informationen über die Geschichte und Gegenwart des Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik zusammenfasst. Mit ihrem Werk beweisen sie viel Empathie für (potentielle) Opfer von Rechtsextremismus und Gewalt. Freilich bleibt noch viel zu tun, um den NSU parlamentarisch, juristisch, journalistisch und wissenschaftlich zu analysieren.

Der letzte Satz des Buches mahnt, die Bundesrepublik brauche "dringend eine andere Kultur in der kritischen Auseinandersetzung mit rechtsextremem Gedankengut und rechter Gewalt". Was die Autoren mit anderer Kultur genau meinen, bleibt unklar. Tatsächlich wäre es beispielsweise hilfreich, wenn die demokratische Mitte - jenseits von wohlmeinenden Sonntagsreden und Großdemonstrationen - stärker im Alltag konkret vor Ort an der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus mitwirkte, um das Thema weniger linksextremen Sektierern zu überlassen. Denn deren "antifaschistisches" Engagement leidet unter gravierenden Glaubwürdigkeitsdefiziten, weil sie oft nicht nur Rechtsextremismus bekämpfen, sondern auch die demokratische Grundordnung unterminieren wollen, die "kapitalistisch" und damit fast "präfaschistisch" sei. Davon fühlen sich weite Teile der demokratischen Mitte abgeschreckt. Eine stärkere Beteiligung von lupenreinen Demokraten an gesellschaftlicher Gegenwehr könnte daher Legitimität, Akzeptanz und damit die Effizienz von Engagement gegen Rechtsextremismus erhöhen.

Andrea Röpke/ Andreas Speit (Herausgeber): Blut und Ehre. Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland.

Ch. Links Verlag, Berlin 2013. 286 S., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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