Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 2,00 €
  • Audio CD

Der Hunger, die Schande, die Obdachlosigkeit und das Gefängnis, das seien seine Lehrmeister, formuliert der chinesische Autor Liao Yiwu in einer Rede, die er vor dem unabhängigen chinesischen PEN-Zentrum 2007 halten sollte, aber nicht konnte. Der Hunger, die Schande, die Obdachlosigkeit und das Gefängnis sind auch die Erfahrungen vier seiner Interviewpartner in der Gesprächssammlung Fräulein Hallo und der Bauernkaiser. Chinas Gesellschaft von unten . Ein Leichenschminker erzählt von seinen Erlebnissen während der großen Hungersnöte. Ein Leprakranker vom Ausgestoßensein aus der…mehr

Produktbeschreibung
Der Hunger, die Schande, die Obdachlosigkeit und das Gefängnis, das seien seine Lehrmeister, formuliert der chinesische Autor Liao Yiwu in einer Rede, die er vor dem unabhängigen chinesischen PEN-Zentrum 2007 halten sollte, aber nicht konnte. Der Hunger, die Schande, die Obdachlosigkeit und das Gefängnis sind auch die Erfahrungen vier seiner Interviewpartner in der Gesprächssammlung Fräulein Hallo und der Bauernkaiser. Chinas Gesellschaft von unten . Ein Leichenschminker erzählt von seinen Erlebnissen während der großen Hungersnöte. Ein Leprakranker vom Ausgestoßensein aus der Dorfgemeinschaft. Die 18-jährige Fräulein Hallo, die vor dem Fernseher aufgewachsen ist und haltlos in den Tag hineinlebt, vom Fansein. Ein Ausbrecherkönig von seinem Versuch, dem Gefängnis zu entkommen. Collagiert mit Gedichten, die der Autor bei seinem bisher ersten Besuch in Deutschland 2010 im Studio vortrug, werfen die Texte ein Schlaglicht auf die kollektiven Traumata Chinas.

Ein Hörspiel von Andrea Getto mit Martin Engler, Sascha Icks, Horst Mendroch, Heinrich Giskes, Lisa Hagmeister und Mirco Kreibich.
Autorenporträt
Yiwu, Liao
Liao Yiwu, 1957 in Sichuan, China, geboren, wuchs in Armut auf. Sein Vater, ein Professor, wurde während der Kulturrevolution als Rechtsabweichler angeklagt. Seit den 80er-Jahren zählt Liao zu den bekannten jungen Lyrikern Chinas. Nach dem Massaker 1990 wurde er zu einer vierjährigen Haftstrafe wegen Verbreitung konterrevolutionärer Propaganda verurteilt. Seine Werke - in Deutschland erschien zuletzt Für ein Lied und hundert Lieder - sind in China verboten. Seit dem Juli 2011 lebt Liao als Exilant in Deutschland. 2011 erhielt er den Geschwister-Scholl-Preis. Im Oktober dieses Jahres wird Liao Yiwu mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt.

Icks, Sascha
Sascha Icks, geboren 1967 in Düsseldorf, erhielt ihre Ausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule in München und wurde 2000 von der Zeitschrift Theater heute als Beste Nachwuchsschauspielerin nominiert. Neben diversen Engagements in München, Wiesbaden, Mainz, Frankfurt und Bremerhaven ist sie auch als Hörbuchsprecherin sehr erfolgreich und stand schon mit vielen Titeln auf der hr2-Hörbuchbestenliste.

Mendroch, Horst
Horst Mendroch war als Schauspieler bereits am Schauspiel Köln, am Thalia Theater in Hamburg sowie am Bochumer Schauspielhaus tätig. Seit 1991 ist er festes Ensemblemitglied des Düsseldorfer Schauspielhauses und wurde dort bereits zweimal als Bester Schauspieler des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Er wirkte darüber hinaus in verschiedenen Film- und Fernsehproduktionen, u. a. für Helge Schneider, mit. Als Sprecher hat er beispielsweise Das Dschungelbuch von Rudyard Kipling und Wir können noch viel zusammen machen von F. K. Waechter vertont.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Der Hunger sei sein erster Lehrmeister gewesen. Er habe seinen Überlebenswillen gestärkt, „und letztendlich war er es, der mich zum Schreiben brachte“, sagt der chinesische Schriftsteller und Dichter Liao Yiwu, dessen Werke aufgrund seiner kritischen Haltung zur chinesischen Regierung in China verboten sind. Seit Juli 2011 lebt Liao Yiwu im Exil in Deutschland, und mit „Vier Lehrmeister“ verknüpft er vier Schicksale mit seiner eigenen Biografie. Neben dem Hunger seien die Schande, die Obdachlosigkeit und das Gefängnis seine weiteren Lehrmeister.

Das Hörspiel von Andrea Getto verzichtet nahezu auf jede Art akustischer „Ablenkung“, vor allem die vier Interviews finden ohne Geräuschteppich statt und erzielen auf diese Weise eine umso eindringlichere Wirkung – nicht zuletzt auch durch die sehr ruhige Erzählweise. So erzählt unter anderem ein Leichenschminker von seinen Erlebnissen während der großen Hungersnöte, ein Leprakranker vom Ausgestoßensein aus der Dorfgemeinschaft. Wütend sind hier nur die eingespielten, aggressiven Gesänge, die mit Gedichten des Autors die gesellschaftskritische Collage dieses NDR-Hörspiels zu einem Ganzen zusammenfügen.

© BÜCHERmagazin, Jeanne Wellnitz (jw)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2012

Chinesen haben kein Zuhause
Ein ungeheurer Sog – Liao Yiwus „Vier Lehrmeister“
„Ich laufe, laufe, laufe. Hinter mir liegt mein Dorf. Ich habe es verlassen auf der Suche nach Freiheit. Ich laufe, laufe, laufe.“
  Die Sprache ist karg, rhythmisch. So karg, dass es einen schauert. Die ganze Inszenierung dieses Hörspiels ist karg, aber von großer Präzision, und gerade das macht es überzeugend, denn Kargheit entspricht den Texten Liao Yiwus. 70 Minuten Kargheit, die einen nicht loslässt.
  Die „Vier Lehrmeister“ des chinesischen Autors Yiwu – das sind gesellschaftliche Demütigungen: der Hunger, die Schande, ausgeschlossen zu sein, die Obdachlosigkeit und das Gefängnis. Liao Yiwu verknüpft Geschichten aus seiner Gesprächssammlung „Fräulein Hallo und der Bauernkaiser“ aus dem Jahr 2009 mit seiner eigenen Biografie.
  Er lässt den Leichenschminker reden über das, was er erlebt hat in den Jahren der großen Hungersnot. 1960, als die Menschen in die Berge wankten, Rinden und Insekten hinunter würgten, als sie zu Kannibalen wurden. Der Leichenschminker stopft die Verbrennungsöfen, keine Zeit zum Schminken, Flammen schlagen ihm entgegen. Den Leichen, die er verbrennt, fehlt das Fleisch am Gesäß, an den Beinen, den Oberarmen. Manche, sagt er, sind verrückt geworden. Liao Yiwu sagt, dass der Hunger seinen Überlebenswillen stärkte, „der Hunger brachte mich zum Schreiben“.
  Und Yiwu gibt einem Ausgestoßenen das Wort. Einem Mann, der angeblich Lepra hat, zwangsweise in die Klinik gesteckt wird. Er glaubt, sein elendes Schicksal, und das seiner Frau, habe ihn nur deshalb ereilt, weil er als Kind eine Natter erschlagen hatte.
  Fräulein Hallo, die Achtzehnjährige, tritt auf. Sie lebt hier ein paar Wochen, da ein paar Monate bei einem Liebhaber. Ein Mädchen in einer Bar, haltlos, groß geworden vorm Fernseher und fasziniert von den flüchtigen Stars ihrer Lieblingsserien.
  Am Ende der vierte Lehrmeister: das Gefängnis. Yiwu lässt einen Meisterdieb erzählen, wie es ihm gelang, aus dem sichersten Gefängnis durch die Latrine zu fliehen. Und am Ende schnappten sie ihn doch.
  Der Dichter Liao Yiwu wurde nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens wegen „Verbreitung konterrevolutionärer Propaganda“ zu vier Jahren Haft verurteilt. Er selbst zählt zu den Unerwünschten, den abseits Lebenden und wurde deren Chronist. Geboren ist er in Yanting in der Provinz Sichuan. Yiwu wuchs in Armut auf. Sein Vater war Professor und wurde während der Kulturrevolution als Abweichler angeklagt („Die Schande“). Yiwus Werke sind in China verboten. Seit Juli 2011 lebt Liao Yiwu als Exilant in Deutschland. Im vergangenen Jahr erschien sein Buch „Für ein Lied und hundert Lieder“, in dem Yiwu über seine Zeit im Gefängnis berichtet.
  Das Gefängnis. „Chinesen haben kein Zuhause“, sagt Liao Yiwu, und die Regisseurin des Hörspiels, Andrea Getto, lässt Gedichte Yiwus, von diesem selbst in seiner Sprache mit Musikbegleitung gesprochen, immer wieder auftönen, eindringlich wie Klagelieder. Liao Yiwu erzählt ohne Hass, ohne Wut. Nichts wirkt konstruiert, nichts ausgeschmückt. Gerade deshalb berührt dieses Hörspiel so. Es legt einen Blick auf ein Land frei, das in seinem wahnsinnigen wirtschaftlichen Aufstieg die Gerechtigkeit für den Einzelnen und dessen politische Freiheit vergessen hat.
RENATE MEINHOF
  
  
  
  
  
Liao Yiwu: Vier Lehrmeister. Hörspiel. Laufzeit 70 Minuten. HörbuchHamburg. 14,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Renate Meinhof "schaudert" es unter der großen Kargheit der Sprache des chinesischen Autors Liao Yiwu, die auch die Inszenierung dieses Hörbuchs auszeichnet. Der Autor verknüpft darin Geschichten aus seinem Gesprächsband "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser" mit eigenen Erlebnissen, wobei die vier Lehrmeister des Titels der Hunger, die Schande, die Obdachlosigkeit und das Gefängnis sind. Der Autor, der selbst im Zuge des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens vier Jahre im Gefängnis saß und seit 2011 im deutschen Exil lebt, erzählt, das ist der Rezensentin aufgefallen, ohne "Hass, ohne Wut". Darin aber liegt für Meinhof gerade das Berührende dieser Geschichten.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Nichts wirkt konstruiert, nichts ausgeschmückt. Gerade deshalb berührt dieses Hörspiel so.", Süddeutsche Zeitung, 09.10.2012