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Affen und Menschen teilen noch heute 99 Prozent ihres genetischen Materials.Trotzdem ist es nur der Menschheit gelungen, kognitive Fähigkeiten auszubilden, die so komplexe Gebilde wie etwa sprachliche Kommunikation und soziale Organisationen, Hochleistungsindustrie und entsprechende Technologien hervorgebracht haben. Wie ist das möglich? Gestützt auf zahlreiche Experimente mit Primaten und Kleinkindern, entwickelt Michael Tomasello ein Modell des menschlichen Denkens, das diese Phänomene erklären kann, indem er kulturelle Vermittlung als biologischen Mechanismus begreift. Die Ausführung dieser…mehr

Produktbeschreibung
Affen und Menschen teilen noch heute 99 Prozent ihres genetischen Materials.Trotzdem ist es nur der Menschheit gelungen, kognitive Fähigkeiten auszubilden, die so komplexe Gebilde wie etwa sprachliche Kommunikation und soziale Organisationen, Hochleistungsindustrie und entsprechende Technologien hervorgebracht haben. Wie ist das möglich? Gestützt auf zahlreiche Experimente mit Primaten und Kleinkindern, entwickelt Michael Tomasello ein Modell des menschlichen Denkens, das diese Phänomene erklären kann, indem er kulturelle Vermittlung als biologischen Mechanismus begreift. Die Ausführung dieser zentralen These wirft ein neues Licht auf zahlreiche Disziplinen der Geistes- und Naturwissenschaften und zeigt die Verbindung dieser sonst so strikt getrennten »zwei Kulturen« im Licht der evolutionären Anthropologie auf. Michael Tomasello ist Kodirektor am Max- Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie und am Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrum, beide in Leipzig.
Autorenporträt
Michael Tomasello, geboren 1950, ist Professor für Psychologie und Neurowissenschaft an der Duke University. Von 1998 bis 2018 war er Co-Direktor des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Für seine Forschungen wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Jean-Nicod-Preis, dem Hegel-Preis der Stadt Stuttgart und dem Max-Planck-Forschungspreis. 2015 erhielt er für sein Gesamtwerk den prestigeträchtigen Distinguished Scientific Contribution Award der American Psychological Association.
Rezensionen
"Der Versuch Michael Tomasellos, die Evolution des menschlichen Denkens nachzuzeichnen, ist nicht frei von Spekulation. Überzeugend ist er dennoch. Denn er kann stimmig erklären, wie animalischer und menschlicher Geist zusammengehören und sich zugleich voneinander unterscheiden."
Martin Hubert, Deutschlandfunk

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2002

Naja, Menschen, zu großes Gehirn
Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du auch, du denkst: Michael Tomasello vermißt den Kopf neu / Von Helmut Mayer

Vor ungefähr sechs Millionen Jahren wurde eine Population von Menschenaffen auf irgendeine Weise von ihren Artgenossen reproduktiv abgetrennt und bewegte sich fortan auf eigenen evolutionären Pfaden. In den nächsten vier Millionen Jahren schaffte es unter ihren Nachkommen nur eine einzige von mehreren Arten zweibeiniger Affen zu überleben. Die Nachfahren dieser Australopithecinen veränderten sich hinreichend, um sogar als neue Gattung firmieren zu können: Homo. Sie war größer gewachsen, verfügte über ein größeres Gehirn, bastelte auch schon Steinwerkzeuge und spielte das evolutionäre Spiel weiter. Verschiedene Versuche, außerhalb des Ursprungsortes Afrika Fuß zu fassen, schlugen fehl. Aber dann, vor etwa zweihunderttausend Jahren, gelang einer der Populationen von Homo der große Coup: Sie eroberte alle Kontinente und verdrängte alle anderen Populationen. Von da an war Homo sapiens, wie die Nachkommen dieser erfolgreichen Eroberer getauft wurden, nicht mehr unterzukriegen.

Sechs Millionen Jahre nach der Aufspaltung der evolutionären Wege blicken Anthropologen, Evolutionspsychologen und Paläontologen hinüber zu den Menschenaffen und fragen sich: Wie kam es, daß man sich so auseinandergelebt hat? Nun, sechs Millionen Jahre sind eine recht lange Zeit, und selbst die zwei Millionen Jahre, die Paläoanthropologen für die Entwicklung über das Niveau der Menschenaffen hinaus veranschlagen, und die zweihundertfünfzigtausend Jahre für die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten von Homo sapiens klingen noch nach ganz stattlichen Zeiträumen. Aber mit ihnen ist das Grundproblem benannt, mit dem jede Erklärung zu kämpfen hat, die das Wechselspiel von genetischer Variation und Selektion als ausschlaggebenden Mechanismus der Entwicklung spezifisch menschlicher Fähigkeiten ansehen möchte. Selbst sechs Millionen Jahre sind für den sehr langsam arbeitenden Mechanismus der biologischen Evolution eine zu kurze Zeitspanne. Darauf scheint der Umstand hinzuweisen, daß Menschen mit Schimpansen ungefähr neunundneunzig Prozent ihres genetischen Materials teilen.

Für Theoretiker, die unbedingt eine genetische Differenz brauchen, um eine neuartige Fähigkeit und deren Fortbildung zu erklären, gibt es einstweilen nicht gerade viele Anhaltspunkte. Entsprechend spekulativ sind ihre Annahmen von genetischen "Modulen", die bestimmten Grundfähigkeiten - wie etwa dem Spracherwerb - zugeordnet sind und unter Selektionsdruck in Funktion treten. Zumal weder über die Zahl noch über die genaue Art der Module Einigkeit herrscht. Theorien dieses Zuschnitts bleiben trotzdem im Spiel, weil sie der methodischen Maxime gehorchen, daß zuletzt doch alles irgendwie an den Genen hängen muß. Etwas genauer: daß an der genetischen Grundausstattung, dem Genotyp, des modernen Menschen liegen muß, was sein Phänotyp so alles im Gegensatz zum Schimpansen oder Bonobo kann - und das ist schließlich eine Menge.

Solch unbedingter Wille zum Gen unterschlägt andere Optionen, um die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten der Hominiden und des modernen Menschen zu erklären. Michael Tomasello, Entwicklungspsychologe und Direktor am Leipziger Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie, entfaltet mit seiner Theorie der kulturellen Entwicklung menschlicher Kognition gerade eine solche Option, umsichtig und mit Sinn für die klare Darstellung von Belegen und Vermutungen.

Es ist fast zwingend, eine Form der kulturellen Evolution ins Spiel zu bringen, um dem Problem des knappen Zeithorizonts zu entgehen: Die Weitergabe von Fähigkeiten der Eltern an ihre Nachkommen durch Formen der Unterweisung und Nachahmung funktioniert schließlich um Größenordungen schneller als die organische Evolution. Aber gegenüber Leistungen dieser Art im Tierreich und insbesondere bei anderen Primaten muß sich auf der Entwicklungslinie des Menschen irgendwann eine spezifische, einzigartig effektive Form der Tradierung und Entwicklung von kognitiven Fähigkeiten herausgebildet haben. Hier bringt Tomasello seine entscheidende Grundannahme ins Spiel: Die kulturelle Tradierung bei Homo sapiens schreibe sich aus der Fähigkeit menschlicher Individuen her, ihre Artgenossen als ihnen ähnliche, als intentionale und mit geistigen Zuständen ausgestattete Lebewesen aufzufassen.

Diese Grundannahme zeichnet die weitere Argumentation vor: Die Fähigkeit, Artgenossen als geistige und intentionale Wesen gleich dem eigenen Selbst aufzufassen, ermöglicht effektivere Formen kulturellen Lernens, die wiederum dazu führen, daß Individuen nun gemeinsam neue Praktiken und Artefakte hervorbringen und weiterentwickeln können. Die Entwicklung der Nachkommen findet dann in einer Umwelt statt, die von diesen Hervorbringungen kultureller Evolution immer stärker geprägt ist: Den Kindern wird so in ihrer Entwicklung die Fülle eines kollektiven Wissens zugänglich, das im Laufe einer Kulturgeschichte akkumuliert wurde. Es sind diese in historischen Zeiträumen angesammelten, ontogenetisch vermittelten Praktiken und nicht biologische Anpassungen im Rahmen der Phylogenese, die unsere kognitiven Leistungen hervorbringen.

Für den Auslöser dieses Sonderwegs von Homo und seinen Nachfolgern kann Tomasello keine Ursachen angeben: Wie es phylogenetisch dazu gekommen sein mag, daß Menschen sich in die Wahrnehmungs- und Handlungsperspektiven ihrer Artgenossen hineinversetzen können, bleibt im dunkeln. Daraus läßt sich allerdings kein gravierender Einwand gewinnen. Den diversen phantasievollen Ursprungsgeschichten unter Evolutionspsychologen ist die klare Aussage, daß derweil dazu nichts Definitves zu sagen ist, sogar vorzuziehen.

Die eindrucksvolle Zusammenschau von Versuchen und Befunden, die Tomasello seiner Darstellung zugrunde legt, wird Entwicklungspsychologen und Kognitionsforscher an manchen Stellen zum Widerspruch reizen. Aber abgesehen von dem, was fachlicher Diskussion im Detail überlassen werden muß: Tomasellos Bild der Entwicklung menschlichen Denkens räumt eine Reihe von rigiden Entgegensetzungen beiseite, die immer noch gerne gegeneinander ausgespielt werden; allen voran die zwischen "angeboren" und "erworben" oder "natürlich" und "kulturell". Sprache und Kultur sind, was sollten sie sonst sein, Teil unserer Naturgeschichte.

Auch die Ausführungen zum Spracherwerb haben therapeutischen Wert, stößt man doch bei Betrachtungen über Sprache immer noch auf recht einsam anmutende Sprecher, die eine stumm gegenüberstehende Welt mit sprachlichen Etiketten versehen. So bringt man aber - man denke an Wittgensteins Gegenstände anstarrende und dabei verzweifelt Namen murmelnde Philosophen - nie und nimmer die Welt und unser Sprechen zusammen. Wir waren und sind vielmehr sprechend in eine Welt verstrickt, die immer schon eine der anderen war und ist: Was das aber in einer entwicklungsgeschichtlichen Perspektive konkret heißt, kann uns erst eine Beschreibung vor Augen führen, wie Michael Tomasello sie mit Verve in Angriff genommen hat.

Michael Tomasello: "Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens". Zur Evolution der Kognition. Aus dem Englischen von Jürgen Schröder. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 285 S., geb., 26,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2002

Welch ein Meisterwerk ist der Mensch! Zierde der Welt! Vorbild des Lebendigen!
Und doch, was ist die Quintessenz vom Staube? Michael Tomasello hat eine Antwort: Er präsentiert den biologischen Wagenheber der menschlichen Kultur
Ein gerupftes Huhn bekam Plato von einem Spötter vor die Tür gelegt als Reaktion auf seine berüchtigte Beantwortung der Frage „Was ist der Mensch?”. Plato hatte in formvollendeter Anwendung seiner Definitionslehre den Menschen mit genus und differentia einen „federlosen Zweibeiner” genannt. Das Tierreich steckt voller Überraschungen, wenn es um die Widerlegung leichtfertiger Versuche geht, die Einzigartigkeit des Menschen zu definieren. Ob Intelligenz, Sprachfähigkeit, Werkzeuggebrauch oder abstraktes Denken – ständig vermelden Forscher, all dies auch bei anderen Tieren beobachtet zu haben. Der Mensch ist den meisten Verhaltensforschern ein Wolf, ein Affe oder ein Huhn mit bestenfalls graduellen Unterschieden.
Nicht so für Michael Tomasello: Sein Buch, das jetzt in einer gelungenen Übersetzung vorliegt, behauptet einen prinzipiellen Unterschied zwischen Mensch und Tier und kann hierfür eine Fülle an Argumenten und empirischen Fakten vorlegen. Tomasello hat sich einen Namen durch Forschung über das Verhalten von Schimpansen und Menschenkindern gemacht; seit einigen Jahren ist der Amerikaner – ein Fall von umgekehrtem brain-drain – Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Der Mensch sei einzigartig in seiner Fähigkeit, andere „als intentionale Akteure wie sich selbst” zu erkennen, lautet seine These. Grob skizziert geht die Argumentation so: Wir Menschen besitzen die Veranlagung, in anderen nicht nur ein handelndes Objekt, sondern ein Subjekt erkennen zu können; ein Abbild unserer selbst, allerdings mit unterschiedlichen Perspektiven und Absichten auf die Umwelt. Hierdurch sei eine neue Form des Lernens entstanden, das Lernen durch Nachahmung: Wer erkennen kann, worauf jemand seine Aufmerksamkeit richtet und wie er auf das Objekt in seinem Aufmerksamkeitsfokus reagiert, der kann sich durch bloße Nachahmung die im Verhalten des Anderen gespeicherte Erfahrung und Problemlösungskompetenz einverleiben. So steht der Mensch nicht mehr allein mit seinen Genen vor den Herausforderungen der Umwelt, sondern benutzt und entwickelt das von seinen Mitmenschen erworbene Wissen weiter. Das Imitationslernen bewirkt in einem „Wagenhebereffekt” die kulturelle Evolution: Mit jeder Generation wachsen die Fähigkeiten des Menschen.
Das Rätsel der Menschheitsentwicklung findet hier einen naheliegenden Lösungsansatz: Für den Erfolg der Gattung Mensch macht Tomasello eine einzige Mutation mit „kulturellem Wagenhebereffekt” verantwortlich. Die bei allen Menschen gleich angelegte Grundstruktur der Sprachentwicklung, die von Noam Chomsky entdeckt wurde, und selbst die scheinbar objektive Mathematik sind für Tomasello kulturelle Erfindungen. Der Hauptteil seines Buches ist den offensichtlichen Problemfälle seines gewaltigen Vereinheitlichungsprogramms gewidmet: wie sich die kulturellen Invarianten auf den einen Urmechanismus „Imitationslernen plus 200000 Jahre Zeit für die Kulturentwicklung” reduzieren lassen. Mathematik beispielsweise ist für Tomasello das Resultat einer gewissermaßen extremen Form der sozialen Kompetenz, die Perspektiven anderer Menschen zu verstehen, um sie dann in einer intersubjektiven Perspektive zusammen zu fassen.
Fast beiläufig möchte Tomasello so auch den alten Streit zwischen Natur- und Geisteswissenschaftlern beilegen, ob menschliche Veranlagungen biologisch verursacht sind oder geisteswissenschaftlich erklärt werden müssen. Biologisch angelegt, sagt der Naturwissenschaftler Tomasello, ist nur die grundsätzliche Fähigkeit, die Intentionen von Mitgeschöpfen zu verstehen; alle Inhalte müssen hingegen aus der kulturellen und individuellen Erfahrung eines Menschen erklärt werden. Dafür spricht die Geschwindigkeit der menschlichen Kulturentwicklung. Die ältesten Zeugnisse der menschlichen Sprachfähigkeit sind nicht älter als fünftausend Jahre; für die evolutionäre Herausbildung neuer Gene ist das viel zu wenig Zeit.
Die Affen sind für Tomasello allerdings eine ernste Bedrohung. Seine These taugt nur dann als Erklärung der menschlichen Kulturentwicklung, wenn Tiere noch keine Fähigkeit zum Imitationslernen besitzen, wenn also Affen nicht wirklich nachäffen können. Der heutige Common Sense und fast sämtliche von Tomasellos Kollegen sind allerdings anderer Meinung: Der Verhaltensforscher Frans de Waal beispielsweise hat jüngst in einem Buch nochmals die erstaunlichen Beobachtungen und Experimente vorgestellt, die zu beweisen scheinen, dass auch Tiere die Absichten und Perspektiven ihrer Artgenossen und Herrchen verstehen können und verschiedene Rudel sich „kulturell” unterschiedlich entwickeln („Der Affe und der Sushimeister”, Hanser Verlag).
Tomasello weist das alles als voreilige Vermenschlichung zurück. Tiere hält er nur zum „Emulationslernen” für fähig, nicht zum „Imitationslernen”. Tiere lernten, indem sie auf ein ihnen von ihrer Umwelt aufgedrängtes Problem eine Lösung fänden, nicht durch Abkupfern der Strategien von Artgenossen. Die Verhaltensunterschiede zwischen verschiedenen Affenrudeln erklärt er mit der unterschiedlichen Beschaffenheit ihrer Territorien.
Es steht zu befürchten, dass Tomasello auch von Besitzern hochbegabter Vierbeiner Protest ernten wird, nicht nur von seinen Kollegen. Aber selbst wenn sie wissenschaftlich Bestand haben sollte, ist mit seinerThese bestenfalls der Grundstein eines langfristigen Forschungsprogramms gelegt. Die Fähigkeit des Menschen, Intentionen von Mitmenschen zu verstehen, ist, so leicht sie sich in der suggestiven Sprache der Verhaltensbiologie beschreiben lässt, selbst ein ungelöstes Rätsel. Noch gibt es nicht einmal eine Vermutung, welche Art von Signalverarbeitung oder welcher organische Prozess Intentionen und Gedanken absondert.
Auch mit Tomasellos Argumenten bleibt es offen, zwischen Mensch und Tier einem bloß graduellen Unterschied ihrer Fähigkeiten und ihrer Neuroanatomie zu vermuten. Einfach ab einem bestimmten Grad der Komplexität ist das Hirn auch noch in der Lage, Kultur hervorzubringen, mal mehr, mal weniger. Die Gefahr, dass jemand morgen Tomasello einen Mikrochip vor die Institutstür legt, besteht jedenfalls nicht. Eher schon seinen Schoßhund. ULRICH KÜHNE
MICHAEL TOMASELLO: Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens. Zur Evolution der Kognition. Deutsch von Jürgen Schröder. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2002. 285 S., 26,90 Euro.
„Sogar das Bild eines Kaninchens sieht revolutionär aus, wenn man eine Schablone davon herstellt und es an die Wand sprüht”, sagt der Graffiti-Künstler Bansky (siehe Seite 20). So spielerisch die Motive auch sein mögen: die Typografie der Schablone suggeriert augenblicklich höchsten Ernst.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

In dem jetzt in deutscher Übersetzung vorliegenden Buch nimmt Michael Tomasello den kleinen, aber entscheidenden Unterschied, der den Mensch zum Menschen macht und von anderen Primaten abhebt, in den Blick, berichtet Rezensent Uwe Justus Wenzel. Wie Wenzel ausführt, setzt der amerikanische Entwicklungspsychologe Michael Tomasello bei der Tatsache an, dass Menschen sich und ihre Artgenossen als intentionale, geistbegabte Wesen verstehen, dass sie sich überhaupt verstehen. Im Unterschied zum Menschen fassen Menschenaffen, obgleich selbst intentionale Wesen, ihresgleichen nicht als solche auf, referiert Wenzel. Der Vorsprung des Menschen an flexiblen kognitiven Fähigkeiten basiert laut Tomasello auf kultureller Vererbung, der sozialen und kulturellen Weitergabe von Wissen, ohne die die Entwicklung seiner artspezifischen Fähigkeiten nicht denkbar gewesen wäre, erläutert Wenzel. Tomasello folgert, so Wenzel, dass die menschlichen Fähigkeiten zum größeren Teil keine direkte Folge biologischer Vererbung sind. Biologisch vererbt ist für Tomasello lediglich die biologische Grundausstattung. Anknüpfend an Tomasellos Thesen, wirft Wenzel die Frage auf, ob Natur dann als "Basis", über die sich Kultur als "Überbau" wölbt, zu verstehen sei. Wenn aber in dem Sekundären, Abgeleiteten selbst die "artspezifischen" Fertigkeiten zu finden sind, fragt Wenzel weiter, "haben wir es dann noch mit einer 'natürlichen', einer biologisch definierten Art zu tun?" Diese Fragen beantwortet Tomasello zum Bedauern des Rezensenten allerdings nicht.

© Perlentaucher Medien GmbH
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