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Produktdetails
  • Anzahl: 1 Audio CD
  • Erscheinungstermin: 21. September 2018
  • Hersteller: Artistry Music / In-akustik,
  • EAN: 0181475706229
  • Artikelnr.: 53249390
Trackliste
CD
1Buddha00:04:11
2Cold World00:03:06
3Over You00:03:46
4White Man00:03:13
5Tell Me00:03:30
6Sugar Daddy00:03:38
7When It Ends00:04:32
8Just Like Jenny00:02:58
9Jealousy00:03:49
10Shinanigins00:02:42
11But He Loves Me00:03:41
12Witness00:04:16
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2018

3. Die Diva des Soul

Es kann schon sein, dass man sie damals erst auf dem dritten Album von Norman Cook alias Fatboy Slim kennenlernte. Der Brite war im Winter 2000 auf dem Höhepunkt seines Erfolgs, und dann schraubte sich der Song "Demons" in unsere Ohren - nicht wegen des Riffs, nicht wegen der stolpernden Drums. Sondern da war diese Stimme. Etwas nasal begann sie, ein weicher souliger Alt, erst lässig bis arrogant, dann immer heißer, ekstatisch, man konnte nicht mehr weghören. Macy Gray, damals 32, kreischt am Ende der Nummer. Mit aller Eleganz, die zu Kreischen eben noch passt.

Ein gutes Jahr vorher war ihr Hit "I Try" ja schon erschienen, eine coole Ballade, sehr solide. Aber nichts gegen den herrlichen Wahnsinn, der später noch in der Sängerin aus Ohio steckte. Ein Musikmagazin nannte sie mal "Erykah Badus verrückte große Schwester". Sie sprach oft über Ängste aus der Kindheit. Traute sich spät erst auf Bühnen. Hatte etliche Cameo-Auftritte in Kino und TV, zuletzt eine Bühnenperformance in der Netflix-Serie "Fuller House". Die zog sie außerordentlich lustlos durch und beendete die Szene mit den Worten: "Was mach ich denn bloß hier. Ich hab einen Grammy."

Ihre neue Platte "Ruby" wird nun von einem so orchestralen, klassischen Soul getragen, dass man manchmal an Frank Sinatra denken möchte. Zwar ist immer wieder eine funkige Nummer mit Synthibass oder sehr stampfendem Beat eingestreut, aber alles pendelt sich doch immer wieder bei dem Great-American-Songbook-Stil ein. Der Song "Tell Me"hat sogar etwas vom Timbre von Billie Holiday oder Sarah Vaughan, von den Übermüttern des Jazzgesangs also, und dazu dröhnen auch noch Posaunen mit Wah-Wah-Dämpfern, diesen Klo-Pümpeln, die der Bläser vor dem Schalltrichter öffnet und schließt. Das alles ist eine fröhliche Parodie des Hot Jazz im New Orleans der Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg. Und dann kommt wieder so ein Track, der doch eher mit dem Trip-Hop von Massive Attack verwandt ist als mit irgendetwas anderem. Der Eklektizismus funktioniert, weil die lässige Stimme von Macy Gray alles zusammenhält. Sie klingt ja ohnehin in den Strophen immer so, als ließe sie grundsätzlich alles kalt. Dann ist dieser Gesang ein einziges Achselzucken. Auch wenn alles immer auf einen schrillen Refrain oder ein feuriges Finale hinausläuft: Diese Unruhe, die man Amy Winehouse immer mal angehört hat, kennt Macy Gray gar nicht.

Grays Heimatstadt Canton, in der sie vor 51 Jahren geboren wurde, ist einer dieser Orte, aus dem Menschen fliehen - damals 90 000 Einwohner, heute ein Viertel weniger. Gray ging mit 30 nach L.A. und begann sofort ihre Karriere. Angeblich hat sie heute noch Angst, vor Publikum zu sprechen. Weil sie wegen ihrer seltsamen quäkigen und rauhen Stimme in der Schule immer gehänselt wurde und irgendwann dazu überging, hauptsächlich zu schweigen. Das sagte sie in Interviews, und zwar vor nicht allzu langer Zeit, da hatte sie mit dieser Stimme schon weit über 20 Millionen Alben verkauft. So kann offenbar eine Last zu einer großen Kraft werden. Wenn sie auf der neuen Platte nun singt "I wanna fly, fly, far away" (in dem Song "Just like Jenny"), dann hört man den Seufzer mit, da will sich eine von allen Gewichten befreien, die auf ihren Schultern liegen. Und es sind einige.

In dem großen Genre, das gern mit den Stempeln R'n'B und Neo Soul versehen wird (begleitet von erbittertem Streit, wo welche Grenze liege), geht es viel um politische Themen. Die Sänger schwarzer Hautfarbe haben oft die Gesellschaft der Vereinigten Staaten zum Thema gemacht, die Frauen den Feminismus (und Rihanna dann beides, etwa in "Man Down"). Gray beteiligt sich kaum an Debatten, bei ihr ist Musik einfach Musik.

Das hindert sie aber nicht daran, mit "White Man" eine textlich wütende Tirade gegen diejenigen einzubauen, die ihr über all die Jahre immer wieder Rassismus entgegengebracht haben. Nur perlt da so ein hohes E-Piano durch den Song, entfernte Frauenstimmen tirilieren, der Beat aus viel Bassdrum und Claps macht das Lied zur perfekten Tanznummer. Angesichts der Bitterkeit dessen, was gesungen wird, ein Brechtscher Verfremdungseffekt ("Du hasst mich und ich versteh es nicht").

Selbst wenn Sie "Be my sugar-daddy" singt und die Lyrics dieses einen Songs, mit Verlaub, reichlich bescheuert geworden sind, ist da trotzdem immer noch etwas, das angenehme Verwirrung stiftet. Es ist das Piano, das ein eigenwilliges Stakkato irgendwo zwischen Rag Time und französischem Chanson anstimmt, wobei die linke Hand unisono mit dem Bass der Band spielt, höchst artifiziell also und wie versehentlich hingeklimpert zugleich - wir haben es hier mit Musik zu tun, die es dem Ohr nicht zu leicht machen will. Aber über allem thront diese warme Stimme, die immer vermittelt: Alles wird gut.

tlin

Macy Gray: "Ruby" (Artistry Music/In-Akustik)

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