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Wie nahezu alle ostdeutschen Fotorealisten verdankt auch Harald Hauswald seinen Ruf ungeschönten und eindringlichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Um so mehr erstaunt, daß er - bedingt durch seine 'illegale' Arbeit für westliche Medien - schon in den letzten Jahren der DDR mehrere tausend Farbaufnahmen machte. Wie die von Mathias Bertram ausgewählten Fotografien erkennen lassen, erweist er sich dabei nicht nur einmal mehr als genauer, oft sarkastischer Chronist des Alltags, sondern auch als ein bislang kaum wahrgenommener Meister der Farbkomposition. Die stimmungsvollen Bilder vergegenwärtigen die…mehr

Produktbeschreibung
Wie nahezu alle ostdeutschen Fotorealisten verdankt auch Harald Hauswald seinen Ruf ungeschönten und eindringlichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Um so mehr erstaunt, daß er - bedingt durch seine 'illegale' Arbeit für westliche Medien - schon in den letzten Jahren der DDR mehrere tausend Farbaufnahmen machte. Wie die von Mathias Bertram ausgewählten Fotografien erkennen lassen, erweist er sich dabei nicht nur einmal mehr als genauer, oft sarkastischer Chronist des Alltags, sondern auch als ein bislang kaum wahrgenommener Meister der Farbkomposition. Die stimmungsvollen Bilder vergegenwärtigen die 'Welt von gestern' stärker und intensiver als die vertrauten Aufnahmen in Schwarz und Weiß, lassen sie aber gerade dadurch auch fremder und ferner denn je erscheinen.
Autorenporträt
Harald Hauswald (geb. 1956) kam nach der Ausbildung zum Fotografen 1977 nach Berlin. Er arbeite in verschiedenen Jobs und ab 1983 als Fotograf für die evangelischen Stephanus-Stiftung. Seine Aufnahmen vom DDR-Alltag entstanden alle im Eigenauftrag bzw. ab 1986 auch für westliche Medien. 1989 gehörte er zu den Gründern der Agentur Ostkreuz. 1997 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.03.2013

Farbe ins Grau der sterbenden DDR: Harald Hauswalds Fotos

Seht hin! Verlasst euch nicht auf den ersten Schein, auch wenn er Farbe in eine Welt bringt, die wir fast nur schwarzweiß kennen, obwohl sie nicht einmal ein Vierteljahrhundert zurückliegt. In der DDR gab es für Fotografen kaum eine Möglichkeit, Farbfilme zu benutzen, zu schlecht war das heimische Material der Marke Orwo. Und bekam man Westfilme, konnte man sie zum Entwickeln nur ins einzige ostdeutsche Farblabor geben, das dem Zeitungshaus Berliner Verlag angegliedert war. Auch das sprach für Schwarzweiß, wollte man sich als Fotograf nicht mit systemkonformen Bildern zufriedengeben.

Das wollten Bildkünstler wie Helga Paris, Evelyn Richter oder Arno Fischer nicht, also kennen wir von ihnen nur schwarzweiße Aufnahmen der DDR. Und so war es bisher auch im Fall von Harald Hauswald - wenn man von einigen wenigen farbigen Fotostrecken in westdeutschen Magazinen wie "Geo" oder dem "Stern" absieht, die in den Jahren 1986 bis 1990 erschienen und auch im Westen entwickelt wurden. Was niemand außer dem Fotografen wusste, war, dass er das ihm dafür reichlich gelieferte Diafilmmaterial (bestes Kodakchrome) weit über den Umfang der jeweiligen Aufträge hinaus benutzt hatte. Und so liegen heute in seinem Archiv an die viertausend Farbaufnahmen, die nie publiziert worden sind. Eine winzige Auswahl daraus, aber immerhin doch 155 Bilder, ist nun in dem schönen Band "Ferner Osten" erschienen.

Und da gilt es hinzusehen, wenn man das erste Erstaunen über die bunte Welt des Sozialismus, die wir als Grau in Grau abgespeichert hatten, hinter sich hat. Hinzuschauen etwa auf die Aufnahme aus einer Serie, die 1986 auf einem Pferdemarkt im brandenburgischen Havelberg entstand. Da hängen an einem Zaun ein Paar Schuhe und siebzehn Zettel mit von (einer einzigen) Hand geschriebenen privaten Kleinanzeigen. Die Schuhe rahmen eine Stellenausschreibung: "Orthopädieschumacher-Meister gesucht! Mit Wohnungsangebot PGH ,Frohe Zukunft'". Und ganz unten rechts steht ein weiteres solches Gesuch: "Frau 45 J. 165 cm dunkel sucht Mann der von Beruf Tischlermeister ist zur Weiterführung der Tischlerei".

Eine verkappte Partnerschaftsanzeige also, aber wohl auch der Notschrei einer Witwe oder Tochter eines Tischlers, dessen Privatbetrieb gerettet werden sollte. Dafür musste man bisweilen auch sich selbst andienen; der Sozialismus führte zur Warenwirtschaft der perversesten Art. Von den siebzehn Annoncen sind dreizehn Suchanzeigen - meist verzweifelte Gesuche von Handwerkern um Werkzeuge, Nutzfahrzeuge oder Produktionsstätten. Man kann auf diesem Foto lesen, warum die DDR gescheitert ist.

Doch das Hauptinteresse des 1956 geborenen Harald Hauswald galt den Menschen selbst. Sie hielt er mit der Kamera in allen Lebensbereichen fest, bei der Arbeit, beim Feiern, Warten, Reisen und beim Zusammenbruch wie auf dem auch 1986 entstandenen Foto von der Ecke Schönhauser Allee/Kastanienallee in Prenzlauer Berg, auf dem zwei junge Männer einen betrunkenen dritten zur Straßenbahn schleppen. Diese Szene hat nichts Burleskes, sie ist ein meisterhaft gewählter Moment, in dem der mühsam Aufrechtgehaltene die Pose eines Gekreuzigten einnimmt - als sollte er jenem von Hauswald porträtierten Schnitzer als Modell dienen, der in den Monaten nach der Wende die Produktion rasch wieder auf Kruzifixe umstellte.

In wenigen Monaten wird ein weiterer Fotoband von Hauswald erscheinen: "Vor Zeiten", schwarzweiß. In den letzten Jahren der DDR fotografierte er mit zwei Kameras, damit wenigstens die schwarzweißen Bilder blieben, wenn die farbigen beschlagnahmt worden wären. Nun legt beides Zeugnis ab. (apl)

Harald Hauswald: "Ferner Osten". Die letzten Jahre der DDR.

Lehmstedt Verlag, Leipzig 2013. 176 S., 155 Abb., geb., 29,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein Erinnerungsschatz. Hauswald dokumentiert Verfall und Improvisation, Depression und fröhliche Gegenkultur, alles in einer zurückhaltenden, aber umso unmittelbarer wirkenden Farbigkeit. Er ist einer der wichtigsten zeitgenössischen Fotografen." (Jan Oberländer, Tagesspiegel, 7. Mai 2014) "Hauswald, der landauf, landab fahrende Reporter, ein Jack Kerouac der Ost-Fotografie. Motto: "On the Road". Er zeigt, was ihm auffällt: Poesie und Gegen-Politik. Unverstellte Wirklichkeiten. Im Nachhinein malerisch schön." (Christian Eger, Mitteldeutsche Zeitung, 9. März 2013) "Es spricht keine Verbitterung oder Verzweiflung aus seinen Bildern. Seine Zeugnisse des Alltags funktionieren ohne Bloßstellung. Und so ermöglicht er die unverstellte Begegnung mit den Menschen, die ihre Nischen nutzen. Zu sehen ist das richtige Leben im falschen. Der graue Alltag in Farbe. Zu sehen ist nicht weniger als die DDR." (Claudia Seiring, Märkische Oderzeitung, 25. Mai 2013)