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Trackliste
LP 1
1Flesh and bone
2Run away from it all
3The crooked kind
4Medicate my mind
5I've got this song
6Best seat in the house
LP 2
1I'll keep ramblin'
2Seems so far
3Lord strike me dead
4Let me down easy
5Nobody gives a damn
6Till the wheels fall off
7Mother mountain
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2018

Eine Jam-Session, die seit Jahrzehnten läuft
Hören, was die Saiten zu sagen haben: Die famose Southern-Rock-Band Blackberry Smoke findet das Licht

Ist der Hip-Hop schuld? Nein, nicht um die verbale Verrohung auf deutschen Schulhöfen geht es diesmal, sondern um die Absatzkrise bei elektrischen Gitarren. Die legendäre Firma Gibson, die 1936 zuerst eine E-Gitarre in Serie produzierte und später mit der Les Paul eine Ikone schuf, steht offenbar kurz vor der Pleite. Das Gibson-Debakel wird von Popkritikern allerdings nicht auf den übersättigten Markt und die mittlerweile sehr soliden, aber viel preisgünstigeren Instrumente aus Korea, Indonesien oder China ("Chibson") zurückgeführt, sondern recht schadenfroh mit den Musik-Vorlieben der jüngeren Hörer begründet, die sich angeblich immer weniger interessieren für die Gitarrenkünste weißer Männer. Im Hip-Hop wird auf Kompetenzen an Musikinstrumenten demonstrativ kein Wert gelegt; ein Rapper braucht freie Hände für die reichhaltige Fuchtelsemantik.

Es hat also seine Gründe, dass die Gitarrenbauer und Gitarrenhändler dieser Welt Hip-Hop als geschäftsschädigend empfinden. Könnten sie eine Band nach ihren Vorstellungen kreieren, sähe sie vielleicht aus wie Blackberry Smoke. Bei diesen erst vier, später fünf Herren, die sich um die Jahrtausendwende in Atlanta, Georgia, zum Musizieren zusammengetan haben, versteht es sich noch von selbst: Die Hände sind dazu da, geschmeidig Saiten und Griffbretter zu bearbeiten, der Kopf, um möglichst viel Haar und Bart daran wachsen zu lassen. Blackberry Smoke gelten als Rettung eines scheintoten und ziemlich haarigen Genres: des Southern Rock. Musik also, von der Popkritiker wissen, dass sie allenfalls noch von Truckern in ihren stickigen Kabinen gehört wird, von Rednecks und Hillbillys, denen die Welt oder die Identitätspolitik zu kompliziert geworden ist.

Wer das nicht ganz so eng sieht, dem sei gesagt, dass Blackberry Smoke mit dem meisterhaften Album "The Whippoorwill" (2012) die Platte vorgelegt haben, die Lynyrd Skynyrd seit 1977 nicht mehr schaffen. Sänger und Hauptkomponist Charlie Starr verbindet Lässigkeit und Seele wie seit Ronnie Van Zant niemand mehr im Südstaatenrock. Seine alte Gibson Les Paul Junior sieht aus, als wäre sie jahrelang hinter dem Bandbus hergeschleift worden, aber sie gibt jene warmen, mittenreichen, leicht sumpfigen, aber trotzdem nie vermatschten Töne von sich, die man akustisch mit der Schwüle des Südens assoziiert.

Das neue, sechste Blackberry-Smoke-Album "Find A Light" wirkt schon beim ersten Hören sehr vertraut. Der Opener "Flesh And Bone" wird nicht zufällig langsam eingeblendet - es ist, als würden wir hinzukommen zu einer Jam-Session, die schon lange, womöglich jahrzehntelang dauert. Ein schleppender Boogie-Rhythmus schwillt an und macht sich breit, die Gitarren haben einen crunchigen, leicht angebrutzelten Bluessound und spielen keinen Ton zu viel, Charlie Starr singt von den Versuchungen, die das Leben in Fleisch und Blut so mit sich bringt, dann steigert sich das Ganze aus dem tiefenentspannten Modus doch noch in einen hymnischen Refrain. Der zweite Song ist kein bisschen schlechter. Es hört sich an wie ein Klassiker von, sagen wir, Tom Petty, straff gespielt und trotzdem mit genug Luft zwischen den Akkorden: "Run Away From It All" - manchmal ist das Leben nur noch zum Weglaufen. Ein weiterer Höhepunkt ist das kochende "Lord Strike Me Dead" mit dem jubilierenden Hintergrundgesang im Refrain - so muss er klingen, der ewig zeitgemäße Southern Rock. Der Songtext handelt von der selbstverliebten Jammerei und Rechthaberei im polarisierten Meinungsklima der Vereinigten Staaten von heute. Selbstverliebt sind die Musiker von Blackberry Smoke nie: Ihr Können steht immer im Dienst der Songs, die Soli bleiben knapp und wollen gar nicht originell sein, sondern eher durch den lässigen Zugriff aufs Repertoire überzeugen. Die Melodien haben Schmelz ohne Schmalz, die Instrumentierung ist vielschichtig, zur Grundierung gehört die Vintage-Hammond-Orgel, gelegentlich erklingen ein Bar-Piano, eine Bluegrass- oder Slide-Gitarre. Nicht alles ist jedoch geglückt. "The Crooked Kind" etwa bollert doch ziemlich stumpf vor sich hin. Manchmal wünschte man sich ein paar zusätzliche Kanten und schmutzige Ecken in den Liedern (in schwächeren Momenten klingen Blackberry Smoke wie eine zahme Variante der Black Crowes). Dafür macht sich eine gewisse herbe Brombeersüße in den eher akustisch gespielten Liedern geltend, etwa im ausgefeilten, sehr smooth vorgetragenen Countryrocker "Medicate My Mind", in der psychedelischen, vom Harmoniegesang à la Crosby, Stills, Nash & Young geprägten Folk-Ballade "Mother Mountain" oder im besinnlichen "I've Got This Song", wo eine schwermütige Fiddle den Gesang grundiert - wer ein paar gute Freunde und einen Song habe, der stehe doch nicht ganz mit leeren Händen da. Nun ja, der Southern-Rock hat seit je diese Neigung zu abgehangenen Lebensweisheiten und Simple-Man-Sinnsprüchen. Lieber hören, was die Saiten zu sagen haben. Nichts Neues, aber das Alte so, dass es Freude macht, nicht nur den Gitarrenhändlern dieser Welt.

WOLFGANG SCHNEIDER

Blackberry Smoke: "Find A Light".

Earache Records

(Warner)

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