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Jaron Laniers Essays erstmals als Buch - ein einzigartiger Einblick in den Ideenkosmos des großen Internetvisionärs
Mit Kreativität und visionärem Blick, der nie kulturpessimistisch ist, sondern sich aus dem Wissen um Chancen und Fluch der neuen Technologien speist, denkt er diese in die Zukunft weiter. Lanier, der als Vater des Begriffs »Virtuelle Realität« gilt, hat 1983 sein erstes Computerspiel entwickelt. 1985 machte er sich mit Freunden selbstständig, um Technologien für die neue, virtuelle Welt zu entwickeln. Ab der Jahrtausendwende hat sich Lanier dann zunehmend kritisch mit den…mehr

Produktbeschreibung
Jaron Laniers Essays erstmals als Buch - ein einzigartiger Einblick in den Ideenkosmos des großen Internetvisionärs

Mit Kreativität und visionärem Blick, der nie kulturpessimistisch ist, sondern sich aus dem Wissen um Chancen und Fluch der neuen Technologien speist, denkt er diese in die Zukunft weiter. Lanier, der als Vater des Begriffs »Virtuelle Realität« gilt, hat 1983 sein erstes Computerspiel entwickelt. 1985 machte er sich mit Freunden selbstständig, um Technologien für die neue, virtuelle Welt zu entwickeln. Ab der Jahrtausendwende hat sich Lanier dann zunehmend kritisch mit den Heilversprechen der digitalen Welt auseinander gesetzt. Seine Forschungen und Entdeckungen hat er von Beginn an mit Essays begleitet, in denen er seine Errungenschaft in ihren Implikationen für die Gesellschaft überprüft und einen Blick in die Zukunft richtet.
Autorenporträt
Jaron Lanier, 1960 in New York geboren, ist Internetpionier der ersten Stunde und prägte Begriffe wie Virtual Reality oder Avatar. Laut Encyclopaedia Britannica ist er einer der 300 wichtigsten Erfinder der Geschichte. Er lehrte u.a. an der Columbia, in Yale und Berkeley. Heute arbeitet er für Microsoft Research. Bei Hoffmann und Campe erschienen von ihm Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen must (2018), Anbruch einer neuen Zeit (2018), Wenn Träume erwachsen werden (2015) und der internationale Bestseller Wem gehört die Zukunft? (2014). 2014 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2015

Alle sollen ihre Daten so teuer wie möglich verkaufen
Der Seiltänzer mit der Mundorgel: Jaron Lanier verrät, wie sein Widerstand gegen das Silicon Valley ins Rollen kam

Das Katz-und-Maus-Spiel, das sich Jaron Lanier nun schon seit Jahren mit dem Silicon Valley liefert und das sich jetzt in einem neuen Sammelband mit seinen Aufsätzen und Interviews aus den Jahren 1984 bis 2014 nachvollziehen lässt, ist ebenso widersprüchlich wie lehrreich. Einerseits hat Lanier, einer der wichtigsten Erfinder der IT-Branche, eine Firma an Google verkauft und arbeitet in der Entwicklungsabteilung von Microsoft; in seiner Rede bei der Entgegennahme des Friedenspreises des deutschen Buchhandels für das Jahr 2014, die den Sammelband eröffnet, bekennt er sogar, Sympathie für Technologiekonzerne zu haben, weil sie seine Erfindungen zu schätzen wüssten.

Auch macht er an anderer Stelle keinen Hehl daraus, dass die von ihm maßgeblich geprägte "Virtuelle Realität" wohl von Anfang an militärisch genutzt wurde, und fasst all dies in der etwas kryptischen Feststellung zusammen, die großen Konzerne und er dürften "einander keiner Reinheitsprüfung unterziehen". Andererseits aber ist Lanier ihr scharfer Kritiker, rückt Google in die Nähe von Schutzgelderpressern und bezichtigt Amazon der Überwachungsökonomie.

Während sich viele heutige Big-Data-Kritiker noch vom digitalen Glanz Kaliforniens blenden ließen, machte Lanier bereits zur Jahrtausendwende als einer der Ersten darauf aufmerksam, dass Google und Facebook außer ihren ausgefeilten Rechenoperationen nicht viel zu bieten hätten, wären da nicht die Millionen von Nutzern und Website-Betreibern, die mit ihren Informationen, Audios und Bildern das Internet und damit auch seine größten Datensammler am Laufen hielten. Seltsamerweise stellen die eigentlichen Produzenten aber kaum Forderungen. Dass die Sharing Economy mit ihrem kumpelhaften Sirenengesang des geteilten Wohlstands dieses einseitige Nutznießertum lediglich bemänteln soll - auf lange Sicht führt es zu Monopolbildungen -, hat Lanier ebenfalls früh durchschaut.

Und er geht noch einen Schritt weiter: Big Data zwinge die Gesellschaft zunehmend, "Risiken zu übernehmen, von denen nur einige wenige profitieren". Das wiederum führe in letzter Konsequenz zu Austerität und dem Verlust von Arbeitsplätzen. In solchen Momenten sind seine Ergebenheitsadressen an die moderne Technik und ihre Ermöglicher vom Tisch gefegt. Laniers Vorgehen hat etwas Schwejkhaftes ("Es lebe Kaiser Franz Josef I.!"): Sein Wort hätte ohne Standbein in Silicon Valley nicht die gleiche Durchschlagskraft, sein Ideal scheint das einer "loyale(n) Opposition" gegenüber Großinstitutionen zu sein, wobei er ein chaotisches, destabilisierendes Moment dadurch einzuführen versucht, dass er ein ganzes "Knäuel" solcher Loyalitäten anrät.

Dadurch könne man die Institutionen zwingen, sich gegenseitig in Schach zu halten. Zeitgleich umworben von Sergey Brin und Bill Gates, entschied er sich nach eigener Aussage für Letzteren als Arbeitgeber, weil dieser ihm angeblich zugesichert habe, dass es Microsoft gleichgültig sei, was er in der Öffentlichkeit von sich gebe. Zu Microsoft schreibt Lanier dann übrigens, dass dem Unternehmen die staatliche Regulierung der vergangenen Jahre nur gutgetan habe.

Schwer zu bestimmen ist auch Laniers Position zum Datenschutz. Einerseits bezeichnet er Big-Data-Unternehmen wie Amazon, Facebook und Google als Teil der Überwachungsindustrie, andererseits denkt er nicht daran, sich für europäische Bestrebungen nach strengeren Richtlinien stark zu machen, sondern favorisiert ein von ihm selbst stets nur grob umrissenes Mikro-Zahlungssystem für digitale Beiträge aller Art, das sich vor allem für Kreative, aber auch für normale Nutzer auszahlen soll. Alle sollen ihre Daten, die nach Laniers Ansicht ohnehin nicht gegen findige Programmierer zu schützen sind, so teuer wie möglich verkaufen. Das mindere die astronomischen Gewinne der Konzerne, so die Grundidee, bei der Lanier jedoch vernachlässigt, dass Datenschutz damit der sozialen Ungleichheit unterläge und als Grundrecht verlorenginge.

Häufig, wenn man im Verlauf eines Lanierschen Gedankengangs den Eindruck gewinnt, ihn endlich auf einen berechenbaren Standpunkt festnageln zu können, sitzt das erklärte Mitglied im "Instrument der Woche Club" plötzlich auf einem abseits gelegenen Baum und spielt die Schalmei oder, wie in der Paulskirche, eine Bambus-Mundorgel. Lanier will sich den Traum eines freien und gerechten Internets nicht nehmen lassen, zugleich besitzt er die für Internetunternehmer offenbar seltene Fähigkeit, immer wieder zurückzutreten und die alten Ideale der Freiheit und Offenheit an der Realität zu messen.

Seit dem Jahr 2000 kommt er dabei allerdings meist nur noch zu dem einen Ergebnis: Mensch und Gesellschaft in ihrem herkömmlichen Verständnis sind durch die kreative Zerstörungswut der amerikanischen Digitalelite ernsthaft gefährdet. Für das, was es zu bewahren gilt, hatte Lanier in seiner Friedenspreisrede den Begriff des "Humanismus" verwendet. Im neuen Buch zeigt sich, dass er das schon lange tut, ohne dass der Begriff freilich irgendwo genauer gefasst würde. Auch in einer erkennbaren philosophischen Tradition steht Lanier nicht. Der in der Rede zitierte Hegel wirkt wie fallengelassen und kommt in seinen übrigen Überlegungen nicht mehr vor.

Laniers Denken ist ein pionierhaft-amerikanisches. Er gibt sich seine Begriffe selbst - und das äußerst geschickt. So ist "Humanismus" seit Jahrhunderten eingeführt, klingt aber selbst für Europäer in diesem Zusammenhang fremd und bietet damit eine erhebliche Projektionsfläche. Lanier kann sich mit ihm sowohl von der künstlichen Intelligenz absetzen, die von weiten Teilen der Internetelite priorisiert werde, als auch andeuten, dass es nur einer Rückbesinnung auf uralte Werte bedürfe, deren Verteidigung irgendwann vergessen wurde. Im Grunde ist es ein humanistisches Bildungsideal, das Lanier von einer "neue(n) Form der allgemeinen Konformität" gefährdet sieht - weil "wir Menschen", wie Lanier sagt, offenbar "Genies" darin sind, "uns durch den Gebrauch von Computern verwirren zu lassen".

"In letzter Zeit", sagt Lanier in einem Interview mit dem "Wired"-Herausgeber Kevin Kelly aus dem Jahr 2014, "fühle ich mich wie ein Seiltänzer, der über einer Meute gefräßiger Roboter-Nerds auf der einen Seite und einer Horde sentimentaler Antiquare auf der anderen Seite balanciert." Er tue - obwohl die Antiquare ja eigentlich recht harmlos klingen - sein Bestes, "auf keiner der beiden Seiten herunterzufallen". Das ist ihm in diesem anregenden Buch trotz einiger Redundanzen und gelegentlicher Anflüge von Eitelkeit gelungen.

UWE EBBINGHAUS

Jaron Lanier: "Wenn Träume erwachsen werden". Ein Blick auf das digitale Zeitalter.

Aus dem Amerikanischen von Heike Schlatterer, Sigrid Schmid, Friedrich Pflüger und Violeta Topalova. Hoffmann und Campe, Hamburg 2015. 448 S., geb., 25,- [Euro].

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»Alle, die den ebenso flüchtigen, oft ungerechten, ja denunziatorischen Internet-Erregungen gerade so gerne hinterherschreiben, sollten dabei Jaron Laniers Diktum beherzigen.« Bernd Graff Sz, 22.05.2015