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Produktdetails
Trackliste
CD
1Slow Night, So Long00:03:54
2King Of The Rodeo00:02:25
3Taper Jean Girl00:03:05
4Pistol Of Fire00:02:20
5Milk00:04:00
6The Bucket00:02:55
7Soft00:02:59
8Razz00:02:15
9Day Old Blues00:03:32
10Four Kicks00:02:09
11Velvet Snow00:02:11
12Rememo00:03:20
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2004

Der zweite Schnitt ist der tiefste
Du liebst sie, denn sie sind die Auserwählten: Die "Kings Of Leon" lassen ihrem Debüt ein weiteres Meisterwerk folgen

Einer ersten, erfolgreichen Platte rasch die nächste folgen zu lassen will gut überlegt sein. Statt den Einstand so lange wie möglich auszukosten und sich feiern zu lassen als das jüngste big thing, wie man vor allem in England gerne und oft sagt, gilt es, Erwartungen zu erfüllen oder gar zu übertreffen, an denen dank immer kürzerer Halbwertszeiten von Stars viele beim zweiten Mal scheitern - beste Beispiele sind die "Libertines" und, mit Abstrichen, die "Strokes". Diese beiden Bands ließen sich - und brauchten allerdings wohl auch - zwei Jahre Zeit für das Zweitwerk, das natürlich nicht vollends mißriet, aber zu einer Ernüchterung führte, die inzwischen als Karriereknick gilt und nicht, wie früher, als Lehrgeld, das aufs Konto einer Entwicklung ging, an deren Ende vielleicht die Unsterblichkeit stand. Ein Jahr nach dem Debüt schon die zweite Platte, und das ohne Qualitätsminderung: Die letzte wichtige Gruppe, die das wagte und schaffte, waren "Oasis". Daß das Ergebnis nicht unbedingt besser wird, wenn man abwartet und tüftelt, sah man an deren Folgeprodukten, von denen kein einziges mehr die Magie der ersten beiden aufwies.

Das Risiko war also groß genug für die "Kings Of Leon", die im vergangenen Herbst Beachtung und Bewunderung ernteten für "Youth And Young Manhood", eine Platte, die schon im Titel jenes Stürmer- und Drängertum an der Schwelle zwischen Jugend und Mannesalter anzeigte, das auf so ungewöhnliche Weise praktiziert wurde (F.A.Z. vom 20. September 2003). In der Tat war der aufsässige, herb südstaatliche Rhythm & Blues geradezu bezwingend, wobei die Versicherung der drei Brüder und des einen Vetters Followill, sie hätten mit Rock und Pop zuvor nie etwas zu tun gehabt, fast noch mehr verwunderte als die Musik selbst. Aber im amerikanischen Süden liegt alles, was man für eine gute Platte zur Inspiration braucht, sowieso in der Luft; man muß es gar nicht hören, sondern trägt den Folk, den Blues und den Country in sich. Auf diese gleichsam dunkelschöpferische Weise kam wohl auch die auf Anhieb identifizierbare, aber dennoch eigenständige Mischung aus Southern Rock und hartem Boogie zustande, mit dem Instinkt, wie ihn nur die Unerfahrenheit verleiht, schnörkellos eingespielt und von Ethan Johns ideal produziert. Man konnte dieses zügig absolvierte erste Mal denn auch als so zwingendes wie beglückendes Ergebnis eines Triebstaus bewerten, wie ihn die drei Predigersöhne aus Nashville, Tennessee, auf den Wanderungen mit ihrem sinnenfreudigen, aber strengen Vater am eigenen Leib erlebt hatten.

Ob es damit zu tun hatte, daß die "Kings"-Musik so dreckig klang? Die Band hält jedenfalls stand nach ihrem in jeder Hinsicht ungestümen Aufbäumen, auch wenn ein neuer Song, "Soft", unappetitlicherweise von etwas ganz anderem handelt: dem, was junge Burschen eben so beschäftigt. Aber auch die Erektionsprobleme, die hier kaum verklausuliert beschrieben werden, sind nur Ausdruck eines Kraftmeiertums, welches immer noch das hervorstechendste Merkmal des musikalischen Genies der Followill-Gang ist. "Aha Shake Heartbreak", die zweite Platte der "Kings Of Leon", ist mehr als ein Anschlußtreffer, auch wenn sie etwas hinterhältiger daherkommt. Der Country, die Musik der Ernüchterung, die bei einer Band dieser Herkunft doch vorgeschrieben sein müßte, ist fast ganz getilgt. Nur einen Jodler gibt es hier, "Day Old Blues", eine gewagte, aber gut gemeisterte Stimmübung. Es ist Caleb Followills Problem, aber eben auch seine Leistung, daß er seiner Neigung zu Manierismen gelegentlich zu sehr nachgibt. Insgesamt klingt er genauso räudig, also gut wie ehedem.

Ansonsten fällt auf, daß die Musiker jetzt etwas manierlicher aussehen, um ein Jahr gealtert, aber eben auch gereift. Kamen sie einem früher wie Waldschrate vor, so würden sie jetzt als Titelhelden von britischen Magazinen wie "New Musical Express" oder "Q" gar nicht mehr auffallen. Für die Musik gilt das Gegenteil. Man glaubt es ihnen nun sogar, daß sie in ihrer Kindheit nie etwas von "Creedence Clearwater Revival" oder den "Allman Brothers" und auch sonst nichts von Bedeutung gehört haben. Das neue Werk steht dem Minimalismus des Punkrock näher als die meisten gegenwärtigen Bands, die zu dessen Erben erklärt werden. Man hört, daß sich die Followills viel in England aufgehalten haben, wo sie schon berühmt waren, als sie in Nashville noch frei herumlaufen konnten.

Aber es ist eine amerikanische Band, mit der sie sich in letzter Zeit viel befaßt haben und der sie entscheidende Anregungen verdanken: Die Musiker von "Television", die im Frühsommer wieder sehr interessante Konzerte gaben (F.A.Z. vom 19. Juni), haben sie und vor allem den guten Matthew Followill an der Sologitarre gelehrt, wie man sein Instrument ausgefeilt und doch kurzweilig spielt, wobei die Stücke der "Kings" erheblich kürzer ausfallen. Die fünfunddreißig Minuten, welche die zwölf Lieder brauchen, unterbieten das Debüt deutlich, zumal man jetzt auf die Unsitte eines minutenlang still vor sich hin dudelnden hidden track verzichtet hat - auch das, so ist anzunehmen, ein Zeichen für Selbstsicherheit. Das Ganze ist diesmal weniger als die Summe seiner Teile, es ist stilistisch reicher als der Vorgänger.

"Aha Shake Heartbreak": Man faßt, trotz der unanständigen Stellen, gleich Vertrauen zu dieser Platte. "Slow Night, So Long" hat diese Akkorde, wie man sie von den großen Gitarristen kennt, die wissen, daß man die stärkste Wirkung nicht mit Technik erzielt, sondern mit einem ganz bestimmten Klang. Der Zorn, die Sehnsucht und die Aufsässigkeit einer ganzen Generation stecken darin, mit Worten ist das nicht zu sagen. Dann pulst der Baß von Jared, einem Siebzehnjährigen, dem man die Erfahrung eines Phil Lynott oder Andy Fraser abzuhören meint. Schließlich kommt das nervöse Schlagzeug von Nathan hinzu, des Ältesten, der die Songs antreibt und gleichzeitig mit seiner ungewöhnlich lockeren Spielweise zusammenhält.

Das ist für den Anfang nicht übel. Aber es kommt noch besser: "Taper Jean Girl" hat das lauernde Halbstarkentum, wie man es von den "Faces" kennt, eine Herausforderung für jeden Hörer, der den Rhythmus ungern mitwippt. Das und manches andere sind Nummern, wie sie auch die noch etwas prominentere Konkurrenz auf Lager hat. Was diese nicht hat und im Augenblick wirklich nur bei den "Kings" zu finden ist, das sind diese kürzelhaften Melodien, die ans Herz gehen. Man höre "The Bucket", das nach raffiniertem Intro mit einem Übermutsschrei - "Huuh!" - atemlos zur Sache geht wie noch jeder perfekte Rocksong. Die Verzagtheit, welche die Gitarre vermittelt, ist durchsetzt mit jenem Lebenshunger, der bei älteren Semestern oft so ungut wirkt: "Too young to die, but old is a grave." Das ergibt eine bittersüße Mixtur, die praktisch unbegrenzt genießbar ist.

Natürlich ist nicht alles gleichermaßen gelungen. Dieses Album hat dem ersten sogar den einen oder anderen Schwachpunkt voraus, Verschrobenes wie "Milk" oder Grobklotziges wie "Pistol of Fire". Aber selbst das wirkt nie uninspiriert; es steckt auch hier ein Stilwille dahinter, wo bei vielen anderen Bands nur Geltungsdrang das Geschehen bestimmt. Gegen Ende wird es ganz schnell. "Velvet Snow" ist so aufgekratzt, wie man das im Süden normalerweise nicht ist. So hat es seine Richtigkeit, daß der Schlußsong ein lastender Blues ist: "Rememo", der mit einer weiteren Derbheit irritiert, bringt noch einmal jene Trauer und Verzweiflung zum Ausdruck, die, anders, als die "Kings" das sonst tun und wie es im amerikanischen Norden und in Großbritannien ohnehin üblich ist, nicht mit Lässigkeitsposen übertüncht wird.

Die "Kings Of Leon" haben also schon zum zweiten Mal und wieder unter der Aufsicht des Meisterproduzenten Ethan Johns eine sehr gute Platte gemacht. Jetzt sind sie eine Band, der, im Gegensatz zu vielen anderen, auch vor weiteren Arbeitsproben nicht bange sein muß. "Because you love me I'm the chosen one / these are the days to not be having no fun." Das Selbstbewußtsein, mit dem sie Liebesangelegenheiten besingen, ist auch bei ihrer Musik vollauf gerechtfertigt. Sie bleiben nicht ewig jung, aber das Frühwerk ist schon mal geschafft. Genießen wir die Zeit.

EDO REENTS

Kings Of Leon, Aha Shake Heartbreak. RCA 64744 (BMG)

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