Mit Die Insel der Orchideen schickt die Autorin ihre LeserInnen in eine exotische Welt Ende des 19. Jahrhunderts. Das tut sie atmosphärisch dicht und sprachlich an diese Zeit angepasst. Es geht um die 16jährige Leah und ihre ältere Schwester Johanna. Sie begleiten ihre Eltern, da ihr Vater als
Missionar in Hongkong tätig werden soll. Schnell wird klar, dass Leah und Johanna sehr unterschiedlich…mehrMit Die Insel der Orchideen schickt die Autorin ihre LeserInnen in eine exotische Welt Ende des 19. Jahrhunderts. Das tut sie atmosphärisch dicht und sprachlich an diese Zeit angepasst. Es geht um die 16jährige Leah und ihre ältere Schwester Johanna. Sie begleiten ihre Eltern, da ihr Vater als Missionar in Hongkong tätig werden soll. Schnell wird klar, dass Leah und Johanna sehr unterschiedlich sind. Johanna als die große Schwester, von der viel erwartet wird, zeigt sich verantwortungsbewusst und besonnen. Das macht sie in den Augen ihrer abenteuerlustigen und wenig auf Konventionen bedachten Schwester langweilig, sagt aber wenig über ihre Hoffnungen und Wünsche aus. Und die hat sie.
Die aus verschiedenen Perspektiven erzählte Geschichte dehnt sich über einen Zeitraum von etwa 30 Jahren und handelt nicht nur vom Schicksal der Mädchen, die ihrer Zeit voraus wirken. Neben ihnen gibt es einige andere Charaktere. Keiner ist wirklich blass gezeichnet oder unwichtig. Nicht alle sind sympathisch, nicht all ihre Aktionen kann man gutheißen. Doch obwohl das eine oder andere Klischee nicht ausbleibt, wirkt niemand absolut trivial. Es gibt starke und schwache Persönlichkeiten, keine ist perfekt.
Gut gefallen haben mir die Handlungsorte. Während ich etliche Auswanderergeschichten in die Neue Welt, nach Australien oder Afrika gelesen habe, spielten nur wenige in Asien. Die beschriebene Exotik in Die Insel der Orchideen ist wunderbar greifbar.
Das pastellfarben gestaltete Cover führte mich völlig in die Irre. Nachdem ich ein unterhaltsam-leichtes Buch erwartete, lief ich schnell Gefahr, es abzubrechen. Obwohl man als LeserIn quasi in das Geschehen gestoßen wird, konnte ich nicht so recht darin eintauchen.
In hohem Erzähltempo verknüpft die Autorin mehrere Erzählstränge miteinander, die samt und sonders mit dramatischen Ereignissen gespickt sind. So viele Jahre auf 592 Seiten abzuhandeln geht nicht ohne Zeitsprünge. Davon gibt es auch prompt einige im Buch, was für mich den Lesefluss immer mal wieder ins Stocken gebracht hat.
Sehr zartfühlend geht die Autorin mit ihren Figuren nicht um. Von glücklichen Momenten, bekommt man als LeserIn eigentlich nichts mit. Da der Fokus auf eine Familie gerichtet ist, fragt man sich unwillkürlich, wie groß der Magnet sein muss, der all das Unglück anzieht, das dieser widerfährt. Nach einem guten Start in ein neues Leben, läuft bald schief, was nur schief laufen kann. Krankheit und Tod stehen erster Liebe, Liebschaften, Intrigen, Eifersucht, Streit und einer Ehe gegenüber, die nicht zu den besten zählt. Abenteuer aber auch Gewaltverbrechen in Form von Entführung, Vergewaltigung und Mord kommen vor. Geldprobleme erschweren das Leben darüber hinaus. Mit unberechenbarer Natur kombiniert, sorgt das bei den Figuren für eine gefühlsmäßige vermutete Achterbahnfahrt, die in einem brisanten Finale gipfelt. Vermutet deshalb, weil man die Gefühle zwar permanent latent spüren, jedoch nicht so recht nachlesen kann. Durch die Zeitsprünge bedingt erschien mir vieles zu geballt-oberflächlich, ohne mich sonderlich tief zu berühren. Leider gelang es mir die meiste Zeit nicht, die Distanz zu den Romanfiguren zu überbrücken.
Das klingt aber schlimmer als es ist. Tatsächlich hielt mich neben meiner pathologischen Leselust nicht nur der atmosphärisch dichte, bildhaft gelungene Hintergrund inklusive kultureller Besonderheiten bei der Stange. Ganz unspektakulär fand ich mich irgendwann in der Geschichte wieder und war enttäuscht, dass ich auf der letzten Seite angekommen war.
Fazit:
Das hohe Erzähltempo lässt keine wirkliche Langeweile aufkommen, mindert jedoch den Lesegenuss, da vieles zu oberflächlich abgehandelt wird. Etwas weniger Drama und/oder deutlich mehr Seiten hätten Whites Roman gut getan. Obwohl mich die Geschichte nicht konsequent gefesselt hat, habe ich mich letztlich doch überraschend gut unterhalten gefühlt und möchte drei von fünf Punkten vergeben.
2013 Antje Jürgens (AJ)