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Er schrieb, wie er lebte: ohne Ruhe, ohne Rast. Bruce Chatwin war ein literarischer Nomade, seine Bücher wie "In Patagonien" oder "Traumpfade" machten ihn weltberühmt. Hinter dem Autor, der auf Reisen stets Notizen in seine Moleskine-Hefte schrieb, verbirgt sich ein widersprüchlicher Mensch. Chatwins Briefe an Verwandte und Freunde wie Susan Sontag oder Salman Rushdie reichen von der Internatszeit bis zur Arbeit bei Sotheby's, von den journalistischen Anfängen bis zum literarischen Durchbruch und der Erkrankung an Aids. Der von seiner Ehefrau herausgegebene Briefband ist die einzigartige…mehr

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Produktbeschreibung
Er schrieb, wie er lebte: ohne Ruhe, ohne Rast. Bruce Chatwin war ein literarischer Nomade, seine Bücher wie "In Patagonien" oder "Traumpfade" machten ihn weltberühmt. Hinter dem Autor, der auf Reisen stets Notizen in seine Moleskine-Hefte schrieb, verbirgt sich ein widersprüchlicher Mensch. Chatwins Briefe an Verwandte und Freunde wie Susan Sontag oder Salman Rushdie reichen von der Internatszeit bis zur Arbeit bei Sotheby's, von den journalistischen Anfängen bis zum literarischen Durchbruch und der Erkrankung an Aids. Der von seiner Ehefrau herausgegebene Briefband ist die einzigartige Möglichkeit einer Annäherung an diesen ungewöhnlichen und zu Lebzeiten stets mythenumwobenen Schriftsteller.

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Autorenporträt
Bruce Chatwin, 1940 in Sheffield geboren, arbeitete zunächst als Kunstsachverständiger bei Sotheby's, später als Journalist und freier Schriftsteller. Er starb 1989 in Nizza. Auf Deutsch erschienen u.a. Utz (Roman, 1989), Traumpfade (Roman, 1990), Was mache ich hier (Reiseberichte, 1991), Wiedersehen mit Patagonien (zusammen mit Paul Theroux, 1992), Auf Reisen (Photographien und Notizen, 1993), Der Traum des Ruhelosen (1996), Verschlungene Pfade (1999), Auf dem schwarzen Berg (Roman 2002) sowie Der Vizekönig von Ouidah (Roman, 2003).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Nach den Reportagen und Romanen Bruce Chatwins gibt es nun auch endlich seine Briefe zu lesen, von Ehefrau Elizabeth und ihrem Mitherausgeber Nicholas Shakespeare hervorragend editiert, freut sich Roger Willemsen. Chatwin hatte Hummeln im Arsch, weiß der Rezensent, eine "James-Dean-Gestalt" auf andauernder Suche nach Veränderung, wobei er die Strapazen seiner Reisen stets nur lakonisch kommentierte und sich ganz als Abenteurer gerierte, so Willemsen. Auch in den Briefen praktizierte Chatwin "das Fiktiv-Werden des eigenen Selbst", erklärt der Rezensent. Und dennoch: nirgendwo wird der Autor selbst deutlicher als in dieser seiner Korrespondenz, ist Willemsen sich sicher.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.02.2015

Sitz nicht Dein Leben am Schreibtisch aus

Die Briefe von Bruce Chatwin, dessen Romane und Reisebücher Welterfolge waren, offenbaren das geheim gehaltene Privatleben des britischen Schriftstellers. Sie zeichnen das Bild eines manisch Getriebenen.

Man sollte nicht alles auf die Goldwaage legen, aber wenn ein renommierter Autor in seinem Vorwort die Aids-Erkrankung von Bruce Chatwin, der 1989 daran gestorben ist, auf die "Mitte der 1990er Jahre" datiert, dann ist entweder er selbst sorglos oder seine Übersetzer und Lektoren sind es. Aber vielleicht wollte Nicholas Shakespeare sich nur nicht über seinen Gegenstand erheben, denn am Schluss dieses Vorworts schreibt er: "Chatwin wusste nicht einmal den Geburtstag seiner Frau mit Sicherheit; mehrere Briefe sind nicht nur mit dem falschen Monat, sondern auch dem falschen Jahr datiert." Allerdings hat Chatwin keine Biographie über seine Frau geschrieben, Shakespeare aber über ihn, und Chatwin irrte sich betreffs Elizabeths Geburtstag auch nur um einen Tag, nicht gleich um ein halbes Jahrzehnt. Aber Schwamm drüber; die Briefe sprechen für sich, und das geschwätzige Vorwort des Herausgebers tut es auch.

Wobei es immerhin verrät, was die Auswahlprinzipien bei der Korrespondenz des unermüdlichen Briefeschreibers waren. Zum Beispiel: "Wenn Chatwin die gleiche Version von Ereignissen an verschiedene Leute schrieb, haben wir die vollständigste oder interessanteste gewählt." Da möchte man schon wissen, welche interessanten Briefe der Vollständigkeit und umgekehrt geopfert wurden. Oder warum die deutsche Ausgabe "in Absprache mit den Herausgebern" leicht gekürzt worden ist, aber jene fünf an Susan Sontag adressierten Korrespondenzstücke, die erst einen Tag nach Abgabe des englischen Manuskripts in Los Angeles entdeckt worden sein sollen, nicht jetzt einfach in die Übersetzung aufgenommen wurden. Hier haben es sich Herausgeber und deutscher Verlag entschieden zu einfach gemacht.

Ist das die Kompensation dafür, dass man es bei Chatwin mit einem höchst komplizierten Menschen zu tun hatte? 1966 schieb er einem Freund: "Veränderung ist das Einzige, für das es sich zu leben lohnt. Sitz niemals Dein Leben an einem Schreibtisch aus. Geschwüre und Herzprobleme sind die Folge." Da hatte Chatwin gerade das Auktionshaus Sotheby's verlassen, zu dem er bereits als Achtzehnjähriger durch persönliche Kontakte gekommen war. Im Jahr zuvor hatte er Elizabeth Chanler geheiratet, die er dort kennengelernt hatte, doch das hinderte ihn nicht daran, seine sichere Stelle aufzugeben, um Archäologie zu studieren; das Studium schloss er dann nicht ab, weil er an einem kulturhistorischen Buch zu arbeiten begann, das "Die nomadische Alternative" hätten heißen sollen. Auch das Buchprojekt schloss er nicht ab, weil andere Bücher dazwischenkamen, deren erstes, "In Patagonien", aber erst 1977 erschien.

Schon für Sotheby's war Chatwin als Experte viel gereist, und nun war er auf der ganzen Welt unterwegs. Er wurde der bedeutendste jüngere Vertreter der spezifisch britischen Tradition des Reiseschriftstellers und sein im Original 1987 publiziertes Buch "Die Traumpfade" - die ursprünglich, wie man hier erfährt, "Ein Mönch am Meer" hätten heißen sollen - zu einem der größten Erfolge des Genres.

Neben der öffentlichen Persönlichkeit Chatwins, die sich in seinem immer breiter werdenden Kreis von Briefadressaten zeigt, existierte ein geheim gehaltenes Privatleben, das auch immer zahlreichere Korrespondenzen hervorrief: mit den vielfach wechselnden Liebhabern. Sein Spitzname "Marcel Bruce" in Anlehnung an Proust war trefflich gewählt; neben dem Franzosen dürfte er der bedeutendste sexuelle Blender unter den großen Schriftstellern des zwanzigsten Jahrhunderts gewesen sein. Der Briefband zeigt indes ohnehin - nicht explizit in der Korrespondenz, aber allemal in der Kommentierung von Shakespeare und Elizabeth Chatwin - einen Freundeskreis, in dem Ausschweifung und ständig wechselnde Partnerschaften zentrale Prinzipien waren.

So wie Chatwin mit seiner Frau Treffen an den entlegensten Orten der Welt verabredet hatte (und sie immer wieder zur Disposition zugunsten anderer Arrangements stellte), hielt er es auch mit seinen homosexuellen Affären. Die entsprechenden Briefe offenbaren einen Getriebenen, der tatsächlich nie stillsitzen wollte, und es hat etwas Erschütterndes, Chatwins manische Beschwörungen von individueller Freiheit und spektakulären Entdeckungen zu lesen, die einen zumindest verstörten Menschen präsentieren. Hat das damals niemand bemerkt? Es ist ein Jammer, dass keine Antwortbriefe in den Band aufgenommen wurden, auch wenn in den eingestreuten Kommentaren daraus zitiert wird. An mangelnder Zugänglichkeit liegt es also nicht, dass hier nur Chatwin selbst zu Wort kommt.

Wobei das, was er über seine Wahrnehmung der Welt an Bekannte rund um dieselbe mitteilt, ein wahrer Schatz ist. Den erwachenden russischen Nationalismus erkannte Chatwin schon 1987, also noch zu Sowjetzeiten, und wer außer ihm würde die Gravur einer Kreuzigung auf dem Lotharkreuz im Aachener Domschatz als das beschreiben, was ihn daran umgeworfen habe, wo doch die andere Seite des tausend Jahre alten Artefakts viel prunkvoller verziert ist. Dass Chatwin dabei allerdings von der gravierten "Rückseite" des Kreuzes spricht, ist Unsinn - liturgisch ist das die Vorderseite. Noch etliches mehr in den Briefen entlarvt sich als Halbwissen, aber wie in den Büchern ist es die Originalität der Betrachtungen, die den Reiz ausmacht, nicht deren Wahrheit (Chatwin hat in seinen Reisebüchern Realität und Fiktion munter vermischt).

Was sich auch zeigt, ist die Geschäftstüchtigkeit des Schriftstellers. Bei Sotheby's betrieb er munter Eigengeschäfte, und auch später handelte er ständig mit Kunst. Etwas von diesem Interesse an wirtschaftlichen Fragen hätte auch den Herausgebern des Briefbands gutgetan. Dann wäre uns erspart geblieben, die für Chatwin "enttäuschende Resonanz" des Romans "Der Vizekönig von Ouidah" dadurch begründet zu sehen, dass "4938 Hardcoverexemplare weniger verkauft wurden als von seinem ersten Buch". Man erfährt jedoch nie, wie sich das erste Buch verkauft hat, und wofür die lächerlich genaue Zahl 4938 taugen soll, wird wohl niemand wissen außer Elizabeth Chatwin und Nicholas Shakespeare. Bruce Chatwin hat solche Editoren nicht verdient. Sein Briefband dagegen viele Leser. Trotzdem.

ANDREAS PLATTHAUS

Bruce Chatwin: "Der Nomade". Briefe von 1948-1988. Hrsg. und eingeführt von Elizabeth Chatwin und Nicholas Shakespeare. Aus dem Englischen von Anna und Dietrich Leube. Carl Hanser Verlag, München 2014. 637 S., br., Abb., 27,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.11.2014

Rucksack-Dandy
Die Briefe des rastlosen Reisenden und legendären Schriftstellers
Bruce Chatwin zeigen den Menschen hinter dem Werk
VON CARLOS WIDMANN
Aus der Bergwelt von Oregon, wo ihm der Filmemacher James Ivory sein Ferienhaus geliehen hatte, schrieb Bruce Chatwin 1972 an seine Frau in England: „Fünfzehn Meilen bin ich SPLITTERNACKT auf dem Black-Mountain-Trail gewandert, ohne einer Seele zu begegnen, nur Rehen und Vögeln, und das hat mich sehr glücklich gemacht.“
  Bei den sorgfältigen Herausgebern seiner gesammelten Briefe kommt Chatwin vier Jahrzehnte später damit nicht mehr durch. Eine Fußnote stellt klar, dass der angehende Schriftsteller beim Nacktwandern mindestens einer „Seele“ begegnet war, die sich hinterher beim Gastgeber Ivory beschwerte: „Von den Stiefeln abgesehen, spazierte der Hundesohn wie in einem Nudistencamp herum, als gehöre ihm der ganze Laden. Ich rief ,Hey you!‘ – prompt kam er grinsend auf mich zu. Und hatte Blumen um seinen Schwanz gewickelt.“ Insofern stimmt also die Feststellung der Londoner Times : „Die Wanderlust dieses Reiseschriftstellers brachte preisgekrönte Bücher hervor; erst die gesammelten Briefe aber enthüllen den Mann hinter dem Werk.“
  Charles Bruce Chatwin (1940-1989) war ein menschliches Faszinosum und ein literarisches Phänomen. Ihn einen redseligen Schönling zu nennen, ist nicht unbedingt abwertend: tiefblaue Augen, angenehme Gesichtszüge, ausdrucksvolle Mimik, dazu jenes reine Oxford-Englisch, das heute selbst bei der BBC vom Aussterben bedroht ist. Sein schauspielerisches Talent ist in Tonaufnahmen erhalten; Chatwin konnte Frauen-, Kinder und Männerstimmen perfekt imitieren. Prominente lagen ihm besonders, und am besten ahmte er Indira Gandhi nach, die er als Reporter durch Indien begleitet hatte und zutiefst verabscheute. „Ein intrigantes, lügnerisches Miststück“, nannte er die später ermordete Premierministerin; sie sei zur Wahrheit „nicht einmal aus Versehen“ fähig.
  Bis weit ins vorige Jahrhundert hinein zwangen Britanniens Internate ihre Schüler, mindestens einmal pro Woche nach Hause zu schreiben – vielleicht eine Erklärung für die literarische Fruchtbarkeit der dortigen educated classes . Schon der achtjährige Bruce bittet „Mummy and Daddy“, ihm frankierte Umschläge zu schicken, damit er seine Korrespondenz erledigen könne. Unter den Mitschülern brachte ihm sein unbezähmbarer Mitteilungsdrang den Spitznamen „Chatty“ ein. Noch im Nachruf berichtete sein Freund Salman Rushdie: „Mit ihm zusammen zu sein hieß, ihm willig zuzuhören.“ Weniger nett drückte das ein anderer Freund aus: „Er ist wie von einem harten Panzer umschlossen – völlig unsensibel, pausenlos redend.“ Lange hielt es ihn nirgendwo.
  „Warum werde ich an einem Ort schon nach einem Monat wepsig und nach zwei Monaten unerträglich?“ Wegen seiner nahezu pathologischen Rastlosigkeit nannte er sich selbst ein „Perpetuum mobile“. Die 600 Seiten umfassende Auswahl seiner Korrespondenz, auf Deutsch treffend „Der Nomade“ betitelt, beginnt mit den Briefen des kleinen Jungen und endet mit den im Fieberdelirium diktierten Botschaften des Todkranken, der im Januar 1989, noch keine fünfzig, in der Umgebung von Nizza an Aids starb. Dass er sich mit der Immunschwäche infiziert hatte, wollte Chatwin nie zur Kenntnis nehmen – wie er sich auch weigerte, die Ursache dafür in seinem „Doppelleben“ ( New York Times ) zu sehen.
  Da phantasierte er sich schon lieber ein exotisches Leiden zusammen: „In der Inneren Mongolei kannst Du zwar das Nomadenleben studieren“, schrieb er auf dem Totenbett an eine frühere Kollegin. „Du kannst Dir dort aber auch unglaubliche Krankheiten holen. Ich habe einen Knochenmarkpilz, der vermutlich aus Yünan, der Mongolei und Tibet stammt. Man hat ihn sonst nur in zehn chinesischen Leichnamen gefunden. Ich bin der einzige Europäer, den es erwischt hat.“ Es klang fast, als rühmte er sich einer Auszeichnung.
  Der Weg zur Schriftstellerei begann für den 19-jährigen Dandy Bruce Chatwin, der als Schüler am Marlborough College keinerlei Begabungen offenbart hatte, mit einer Anstellung als Lehrling im Depot des Londoner Auktionshauses Sotheby’s. Der mit einem Hungerlohn bezahlte Job brachte ihn in Berührung mit antiken Kostbarkeiten, die seinen Schönheitssinn und sein historisches Interesse weckten. Gegen die Vorschrift nahm er wertvolle Kunstobjekte mit auf seine Bude, um sich darin zu versenken. Der Schriftsteller Gregor von Rezzori, in dessen Haus in der Toskana Chatwin viele Jahre später eines seiner Bücher verfasste, hat das so beschrieben: „Bruce konnte sich auf die Form einer Flasche so vollkommen konzentrieren wie auf ein Menschenantlitz oder eine Formulierung.“
  Sotheby’s schuf eine eigene Abteilung für die Impressionisten, und der wortgewandte Lehrling Chatwin erhielt den Auftrag, die Einträge für den Katalog zu verfassen: überaus knappe Charakterisierungen der Werke von Cezanne, Monet, Matisse. . . Auf die Frage, wie lange er gebraucht habe, um Impressionismus-Experte zu werden, erwiderte Chatwin Jahrzehnte später im Fernsehen: „Etwa zwei Tage.“ Tatsächlich hat der junge Katalog-Verfasser durch seine viele Monate dauernde, von den Umständen erzwungene Beschränkung auf das Wesentlichste erst wirklich das Schreibhandwerk erlernt. „Oh, wie anstrengend die Komposition ist, wie anstrengend, den Schwung des Erzählens beizubehalten!“, klagte Chatwin einem befreundeten Redakteur. „Und die Längen zu streichen, ohne dabei den Sinn zu zerstören. . .“ Trotz dieser Mühen wurde sein Erstling, „Die nomadische Alternative“, 1971 abgelehnt und nie gedruckt. Aber beim zweiten Anlauf fünf Jahre später, nach einer viermonatigen Patagonien-Reise, schaffte er den Sprung in den Ruhm. Selbst sein als meisterhaft und bahnbrechend gelobter Bericht „In Patagonien“ war freilich im Original noch nicht straff genug: über ein Viertel des Textes wurde vom Lektorat gestrichen, gewiss zum Vorteil des Buches.
  Patagonien-Kenner waren von Chatwins Erfolg befremdet: genau besehen, stehe bei ihm nicht viel Neues, außerdem habe er manches abgekupfert. Menschen, bei denen der wandernde Dandy mit dem Rucksack vorbeigekommen war, um sich füttern und beherbergen zu lassen und neugierig Fragen zu stellen, protestierten hinterher wegen Fehldarstellung oder gar Verleumdung.
  Warum hatten dann so viele kluge Menschen den Eindruck, ein Meisterwerk gelesen zu haben? W.G. Sebald empfand Chatwin als Revolutionär, der die Grenzen zwischen den Sparten der Literatur befreiend niederriss. Hans Magnus Enzensberger war fasziniert vom „Beziehungswahn“ des Briten, der weltumspannend alles mit allem in Verbindung setzte. Auf andere wirkte Chatwins Exaltiertheit befremdend. Jorge Luis Borges vernahm vor einem gemeinsamen Auftritt im BBC-Studio die Bemerkung des Briten, man müsse auf jeder Reise ein Borges-Buch dabei haben wie sonst eine Zahnbürste. Der Argentinier reagierte eher trocken: „Wie unhygienisch.“
  In den Briefen ist Chatwins Stilmittel – aus wenigen aufleuchtenden Scherben ein Gesamtbild zu suggerieren – naturgemäß weniger wirksam, aber mit den Jahren nehmen auch hier die gelungenen, scheinbar locker hingeworfenen Formulierungen zu: „Ich fürchte, dass die traditionelle russische Gastfreundlichkeit dem tief sitzenden Wunsch entspringt, Ausländer in betrunkenem Zustand zu beobachten.“ Bei Sotheby’s hatte er es bald zum souveränen, die Preise hochtreibenden Auktionator gebracht – später blickte er voll Verachtung auf jene Jahre zurück. „Ich wollte nicht länger vor Zuschauern jedes Mal einen Orgasmus vortäuschen müssen, wenn ich mit dem Hammer den nächsten Zuschlag zu geben hatte.“ Und er verglich die zögernden Bieter mit „alten Männern im Nachtclub, die sich fragen, ob sie es sich wirklich leisten können, noch so viel für eine Nutte auszugeben“.
  Was der Job bei Sotheby’s ihm ebenfalls brachte, waren Dienstreisen zur New Yorker Kunst-Schickeria und in exotische Weltgegenden sowie Beziehungen zu extrem reichen Menschen und den beautiful people . Das hat sein späteres Fortkommen gefördert. Er wurde Everybody’s Darling und nutzte Gastfreundschaft geradezu schmarotzerhaft. Selbst ein väterlicher Freund und gemäßigter Bewunderer wie Gregor von Rezzori schrieb über Chatwin mit mildem Sarkasmus: „Dass er sein Interesse genau im Auge hatte, war bei seiner Ambition nicht anders zu erwarten. Er wählte seine Freundschaften bedachtsam, pflegte die einträglichen intensiver als die weniger ergiebigen und zog die Namhaften den Anonymen vor; aber das geschah auf die eleganteste Weise und entsprach seinen Qualitätsansprüchen.“
  Was die New York Times mit der Formel „Doppelleben“ umschreibt, war Chatwins homosexueller Lebenswandel, der in seiner schriftstellerischen Persona ausgeblendet bleibt. Aber Elizabeth Chatwin, die schwer geprüfte Gattin, lässt als Mitherausgeberin der Briefe diesen Aspekt wenigstens zu – ohne so weit zu gehen wie der Biograf Nicholas Shakespeare, der Chatwins Blitzkarriere bei Sotheby’s mit dessen physischer Anziehungskraft auf kunstsinnige Millionäre in Zusammenhang brachte. In der deutschsprachigen Ausgabe kommt Chatwins Präferenz nur selten zum Ausdruck: immerhin wird ein heißer Liebesbrief abgedruckt, den der Autor dem Barmann des noblen Othon Palace Hotel am Strand von Copacabana geschickt hat. Den verfasste Chatwin freilich in unbeholfenem Portugiesisch.
  Der Drang zur Legendenbildung und der Reisetrieb blieben Chatwin bis zum letzten Atemzug erhalten. In Nizza war er 1988 schon zum Skelett abgemagert, die Augen traten ihm aus den Höhlen, aber er redete intensiv auf Fernsehkameras ein – und schrieb (oder diktierte) im Delirium: „So krank bin ich gar nicht. Ich kann nur meine Beine nicht bewegen, weil ich bei einer Transfusion Blut in Kühlschrank-Temperatur übertragen bekam. (. . .) Kurz nach Weihnachten werde ich in San Francisco sein, auf dem Weg nach Australien.“
  „Kurz nach Weihnachten“ konnte ihn der Filmemacher Werner Herzog, der eines seiner Bücher unter dem Titel „Cobra Verde“ verfilmt hatte, ein letztes Mal in Nizza besuchen. Zu ihm bemerkte Chatwin: „Werner, ich sterbe. Du musst meinen Rucksack tragen. Du bist es, der ihn tragen muss.“ Fragte sich nur, wohin? Zuletzt hatte Chatwin, inspiriert von russischen Ikonen, zum orthodoxen Glauben konvertieren wollen. Sein Endziel war die „Autonome Mönchsrepublik Heiliger Berg“ auf dem Berg Athos, Republik Griechenland. Dort leben über 2000 bärtige Mönche recht exklusiv: Frauen ist der Zutritt verboten. Ob Werner Herzog, mit oder ohne Rucksack, je dort Wohnung genommen hat, ist nicht bekannt.
Bruce Chatwin: Der Nomade. Briefe 1948-1988. Hrsg. von Elizabeth Chatwin und Nicholas Shakespeare. Aus dem Englischen von Dietrich Leube, Anna Leube. Carl Hanser Verlag, München 2014. 640 Seiten, 27,90 Euro. E-Book 20,99 Euro.
Dass er sich mit Aids infiziert
hatte, wollte Chatwin
bis zuletzt nicht wahrhaben
Aus den Korrespondenzen
ergibt sich das Bild eines höchst
zwiespältigen Mannes
Seine Blitzkarriere begann 1960 als Lehrling
im Depot des Londoner Auktionshauses Sotheby’s:
der 20-jährige Bruce Chatwin.
Foto: imago
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"Ein wahrer Schatz: Die Briefe von Bruce Chatwin, dessen Romane und Reisebücher Welterfolge waren, offenbaren das geheim gehaltene Privatleben des britischen Schriftstellers." Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine, 17.02.15

"Die Briefe des großen Reisenden Bruce Chatwin erzählen vom Bizarren, Wunderbaren, Erhabenen". Roger Willemsen, Die Zeit, 02.10.14

"Seine Briefe brillieren manchmal durch großartigen Humor, vor allem wenn Elizabeth Chatwin seine Hirngespinste und hochfliegenden Pläne mit trockenen Kommentaren versieht." Klaus Bittermann, Die Tageszeitung, 07.10.14

"Die Briefe des rastlosen Reisenden und legendären Schriftstellers Bruce Chatwin zeigen den Menschen hinter dem Werk." Carlos Widmann, Süddeutsche Zeiung, 15.12.14

"In seinen Briefen erschafft Bruce Chatwin auf diese Weise die Figur, die auch für sein Werk stehen soll, ohne sich von diesem gross zu unterscheiden. Das Erstaunliche daran bleibt, wie viel Disziplin und Sitzleder dieser angebliche Nomade für beide aufgebracht hat." Andreas Langenbacher, Neue Zürchen Zeitung am Sonntag, 25.01.15