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Ironie nie: Diese Empfehlung bekommt jeder Journalist schon als Volontär zu hören. In der Kolumne "Fraktur", die samstags in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erscheint, wird dieser Rat jedoch konsequent missachtet. Dort greift F.A.Z.-Herausgeber Berthold Kohler die Äußerungen und Aktionen unserer Politiker auf, die geradezu darum betteln, als Satire erkannt und behandelt zu werden. Auch während der Pandemie lieferten unsere Politiker unfreiwillig, aber zuverlässig neuen Stoff, der im Säurebad der "Fraktur" auf seinen Gehalt an Komik geprüft wurde. Dieses Buch enthält eine Auswahl von…mehr

Produktbeschreibung
Ironie nie: Diese Empfehlung bekommt jeder Journalist schon als Volontär zu hören. In der Kolumne "Fraktur", die samstags in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erscheint, wird dieser Rat jedoch konsequent missachtet. Dort greift F.A.Z.-Herausgeber Berthold Kohler die Äußerungen und Aktionen unserer Politiker auf, die geradezu darum betteln, als Satire erkannt und behandelt zu werden. Auch während der Pandemie lieferten unsere Politiker unfreiwillig, aber zuverlässig neuen Stoff, der im Säurebad der "Fraktur" auf seinen Gehalt an Komik geprüft wurde. Dieses Buch enthält eine Auswahl von Kohlers Glossen zu den politischen Fehltritten und rhetorischen Eigentoren von Angela Merkel und Co. Die Anmerkungen zum Zeitgeschehen werden, wie schon im vorausgegangenen Sammelband, mit Zeichnungen von Wilhelm Busch illustriert. Sie passen zum Humor der "Fraktur" wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.
Autorenporträt
Kohler, BertholdBerthold Kohler hat in Bamberg und London Politikwissenschaft studiert. Er trat 1988 in die Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein. In den neunziger Jahren berichtete er von Prag und Wien aus über mittel- und südosteuropäische Länder. Seit 1999 ist er einer der Herausgeber der Zeitung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.11.2021

Notruf

Also uns hat es nicht gewundert, dass schon wieder die Notrufnummern ausgefallen sind. Denn erstens ist die technische Infrastruktur insbesondere in den sehr alten Bundesländern so marode, dass eher eine Nummer eingerichtet werden sollte, bei der man melden kann, was wider Erwarten funktioniert. Neulich etwa hätten wir unser Umspannwerk zu gern wissen lassen, dass der Strom schon nach sechs Stunden wieder da war. Und wie sehr der Hund sich über das aufgetaute Rinderfilet gefreut hat.

Zweitens soll die Notrufnummernstörung verursacht worden sein durch "die Einbringung einer neuen Software, die zuvor ausführlich getestet worden war und keinerlei Auffälligkeiten gezeigt hatte", wie ein Sprecher der Telekom sagte. Wir verzichten hier aus Platzgründen darauf, unsere unvergessenen Erfahrungen mit der Telekom schon bei der Einbringung einer neuen Hardware (Telefonanschlussdose) zu schildern, wollen aber darauf hinweisen, dass wir eine sehr ähnliche Begründung auch bei der Einbringung unseres neuen Redaktionssystems gehört haben. Wie auch ein Äquivalent zu der Äußerung des Telekom-Sprechers: "Die detaillierte Analyse dauert an."

Drittens könnte wohl selbst die robusteste Notrufnummer nicht all die Hilferufe verkraften, die man beim Betrachten der deutschen Politik ausstoßen muss. Die vierte Welle der Pandemie türmt sich zum Tsunami auf - und was machen die Neuen in Berlin? Sie schleifen die Deiche und demontieren die Schleusentore. Ja, sind die denn irre? Wenn die Rekordstände bei den Infektionszahlen keine "epidemische Lage von nationaler Tragweite" sein sollen, was dann? Es hat sich jetzt doch sogar Hubert Aiwanger impfen lassen, der Joshua Kimmich der bayerischen Politik. Und der lebt in Söders freiem Süden, wo wirklich niemand von niemandem zum Impfen gedrängt wird.

Doch gerade die FDP fühlt sich so an ihren Sommerglauben gebunden, alles sei schon vorbei, dass sie jetzt nicht einfach ihre Meinung ändern kann, bloß weil sich das Virus der partout nicht anschließen will. Und die SPD und die Grünen sind dem Wahlsieger Lindner ja derart zu Willen, dass man meinen könnte, Putin habe ihm seine umfangreiche Sammlung an Kompromaten zur Verfügung gestellt. Scholz ist nicht der einzige Politiker im Ampelbündnis, der eine ausgesprochen linke Vergangenheit hatte.

Aber auch beim Anblick der CDU kann man nur schwer den Impuls unterdrücken, den Notarzt, die Feuerwehr und auch noch das Technische Hilfswerk zu rufen. Ein paar Tage lang hatten wir Sorge, dass die CDU total in der postelektoralen Depression versinkt und einfach auf die Wahl eines Vorsitzenden verzichtet. Die Bewerbungsfrist für die Parteivolksbefragung lief längst, doch keiner der üblichen Verdächtigen aus Nordrhein-Westfalen warf seinen Hut in den Ring. Im Gegenteil: Der Erste, der sich erklärte, schwenkte gleich die weiße Fahne. Doch dann hatte der wackere Hesse Helge Braun - sicher ein Fan der Rodgau Monotones - Erbarmen. Das brachte das Kandidatenkarussell endlich in Schwung. Zum Dank wurde Braun von anderen Mitfahrern der Titel "der Laschet aus Hessen" verliehen. Auch diese Ehrung zeigt, wie berechtigt die Behauptung war, das Abhalten einer Mitgliederbefragung werde zur Befriedung und Einigung der Partei beitragen.

Denn dass die Parteifreunde wieder so freundlich übereinander reden, ist ein gutes Zeichen: dafür, dass die CDU nur scheintot war und jetzt die Lebensgeister in ihren ausgemergelten Körper zurückkehren. Wenigstens den Anruf beim Notarzt können wir uns also sparen. Und uns Bürgern hat die Ampel ja die Freigabe von starken Rausch- und Betäubungsmitteln in Aussicht gestellt. Wir verstehen zunehmend, warum. bko.

Berthold Kohler: "Fraktur" Gesammelte Glossen. Mit einem Vorwort von Greser & Lenz.

Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt am Main 2021, 208 S., Leinen, geb. 18,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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