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Wenn alle eine bessere Zukunft wollen, eine Besserung aber nicht in Sicht ist, kann etwas mit unseren Zukunftsperspektiven nicht stimmen.Die Zukunft hat schlechte Karten. Sie liegt zwar immer noch vor uns, aber keiner denkt mit Freude und hohen Erwartungen an sie. Liest man, was an der letzten Jahrtausendwende im Ton der Gewissheit von ihr erhofft wurde, wird man schamrot: keine Kriege, keine Grenzen, ein geeintes Europa, zivilisiertes Internet, die Einhegung und Verbesserung der Umweltprobleme, das Nachlassen der Migrationsströme, das Ende des ungebremsten Finanzkapitalismus. Die Liste ist…mehr

Produktbeschreibung
Wenn alle eine bessere Zukunft wollen, eine Besserung aber nicht in Sicht ist, kann etwas mit unseren Zukunftsperspektiven nicht stimmen.Die Zukunft hat schlechte Karten. Sie liegt zwar immer noch vor uns, aber keiner denkt mit Freude und hohen Erwartungen an sie. Liest man, was an der letzten Jahrtausendwende im Ton der Gewissheit von ihr erhofft wurde, wird man schamrot: keine Kriege, keine Grenzen, ein geeintes Europa, zivilisiertes Internet, die Einhegung und Verbesserung der Umweltprobleme, das Nachlassen der Migrationsströme, das Ende des ungebremsten Finanzkapitalismus. Die Liste ist lang und ehrenvoll - und hat sich als großer Irrtum herausgestellt. Ist Prognostik nichts anderes als Wunschdenken? Da die Zukunft aber unweigerlich auf uns zukommt, wollen wir uns mit ihr befassen, bevor sie schon wieder Vergangenheit ist. Die Bayerische Akademie der Schönen Künste hat dazu eingeladen, für und mit ihr über die Zukunft nachzudenken.Mit Beiträgen von Karl Heinz Bohrer, Hans Ulrich Gumbrecht, Eva Horn, Konrad Paul Liessmann, Niklas Maak, Ijoma Mangold, Christoph Menke, Peter Michalzik, Manfred Trojahn und Harald Welzer.
Autorenporträt
Michael Krüger, geb. 1943 in Sachsen-Anhalt, war viele Jahre Verleger und Zeitschriftenherausgeber in München, wo er jetzt als freier Autor lebt. Er war einer der Mitbegründer des Petrarca-Preises.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.12.2017

Mehr Apokalypse als Morgenröte
„Wo ist die Zukunft geblieben?“ Ein Band der Bayerischen Akademie der Schönen Künste sucht nach Antworten
„Das Beruhigende an der Zukunft ist, dass sie in jedem Fall kommt. Es ist dieser Umstand zugleich das Beunruhigende an der Zukunft.“ Mit diesen Worten, vorgetragen in nun fast schon grauer Vorzeit in der Bayerischen Akademie der Künste in München, hatte Ijoma Mangold unzweifelhaft Recht. Und der Literaturkritiker führte in seiner Antwort auf die Frage „Wo ist die Zukunft geblieben?“ weiter aus: „Wer mehr von ihr will, als dass sie nur kommt, beschwört sie entweder als Morgenröte eines neuen Zeitalters oder malt sie mit düsteren Zeichen als letzte Tage der Menschheit an die Wand, bevor dann der letzte das Licht ausmacht.“
Morgenröte oder Weltuntergang? Utopie oder Apokalypse? In den Tagen kurz vor dem Jahreswechsel macht sich wohl jeder so seine Gedanken darüber, wie er die Zeichen der Zukunft deuten soll. Man kann nun zur bewährten Methode des Bleigießens greifen. Man kann aber auch die intellektuellere Variante wählen und endlich den Band zur Hand nehmen, den der Wallstein Verlag beziehungsweise Michael Krüger als Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in diesem Jahr herausgegeben haben. Darin lässt sich noch einmal nachlesen, was so unterschiedlichen Rednern wie den Literaturwissenschaftlern Karl Heinz Bohrer und Hans Ulrich Gumbrecht, dem Architekten Niklas Maak oder dem Komponisten Manfred Trojahn bei einer Vortragsreihe zur Zukunft eingefallen war.
Nicht nur Gutes natürlich. So analysiert zum Beispiel die Germanistin Eva Horn das „gegenwärtige Bewusstsein einer Zukunft als Katastrophe“, in der Systeme wie das Ökosystem an einem „tipping point“ umzukippen oder zusammenzubrechen drohen. Denn es könnte „die bloße Fortsetzung des Alltäglichen sich langsam zu einem katastrophischen Bruch aufaddieren“. Um diese Angst zu bannen, beschäftigten sich Wissenschaft, Literatur, Film und Kunst mit immer neuen apokalyptischen und postapokalyptischen Szenarien. Doch: „Das seltsame Vergnügen an katastrophischen Gegenständen geht einher mit einer bemerkenswerten Ratlosigkeit über die Möglichkeiten des Handelns.“ Dabei, so Horn, gäbe es da doch jede Menge Möglichkeiten.
Das sieht der Soziologe Harald Welzer ganz ähnlich. „Wie wäre es denn, wenn wir beginnen würden, tatsächlich so eine Art visionäres Projekt für moderne Demokratien zu entwickeln?“ fragt er. Die Grundlage dafür wäre: „Ein anderes gesellschaftliches Naturverhältnis.“ Das bedeutet laut Welzer, dass nicht immer nur die Ökonomie das Primat haben sollte, sondern womöglich die Ökologie – „weil wir ansonsten mittelfristig nicht weiterkommen mit der Menschheitsgeschichte“.
Das klingt nun mehr nach Apokalypse als nach Morgenröte. Etwas gelassener wirkt der Philosoph Konrad Paul Liessmann, der sich mit Nietzsches Lehre von der ewigen Wiederkunft des Gleichen beschäftigt: Dessen Lehre befreie die Geschichte und das Dasein insgesamt davon, unbedingt ein Ziel und einen Sinn haben zu müssen: „Es geschieht, was geschieht und immer geschehen wird. Etwas von der in dieser Lehre mitschwingenden Gelassenheit wäre vielleicht den von der Zukunft gebeutelten Zeitgenossen zu wünschen.“ Gelassener wird offensichtlich überhaupt, um noch einmal Mangold zu zitieren, wer auf die Literatur vertraut. Denn die habe zwei Funktionen: „Gedächtnis zu sein dessen, was war, und als Frühwarnsystem, als Augenöffner zu dienen dessen, was kommt.“ So oder so: Der Tatsache, dass wir ins Ungewisse schreiten müssen, können wir nicht entkommen. „Die Zukunft ist die Decke, nach der wir uns immer strecken müssen.“
ANTJE WEBER
Wo ist die Zukunft geblieben? Kleine Bibliothek der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Wallstein Verlag 2017, 244 Seiten, 18 Euro
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