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Normalerweise greifen Geisteswissenschaftler auf überlieferte Quellen zurück, die sie sorgfältig auswerten. Für diesen Band aber verfaßten führende Historiker, Literatur- und Religionswissenschaftler ihre eigenen Quellen: Briefe aus über zweitausend Jahren jüdischer Geschichte. Wer immer schon wissen wollte, was Maimonides dem Sultan von Ägypten zu sagen hatte, was der Philosoph Moses Mendelssohn Friedrich dem Großen mitgeteilt hätte oder was die Eltern des Revolutionärs Trotzkij ihrem mißratenen Sohn mit auf den Weg gegeben hätten, der schlage in diesem Band nach.
Worüber beschwerte sich
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Produktbeschreibung
Normalerweise greifen Geisteswissenschaftler auf überlieferte Quellen zurück, die sie sorgfältig auswerten. Für diesen Band aber verfaßten führende Historiker, Literatur- und Religionswissenschaftler ihre eigenen Quellen: Briefe aus über zweitausend Jahren jüdischer Geschichte. Wer immer schon wissen wollte, was Maimonides dem Sultan von Ägypten zu sagen hatte, was der Philosoph Moses Mendelssohn Friedrich dem Großen mitgeteilt hätte oder was die Eltern des Revolutionärs Trotzkij ihrem mißratenen Sohn mit auf den Weg gegeben hätten, der schlage in diesem Band nach.

Worüber beschwerte sich der antike jüdische Historiker Flavius Josephus bei Kaiser Titus? Warum nahm Albert Einstein das Angebot an, israelischer Staatspräsident zu werden? Antworten auf diese und andere äußerst unhistorische Fragen geben die fiktiven Briefe in diesem Band. Das thematische und chronologische Spektrum ist so breit wie die jüdische Geschichte selbst. Die Briefe decken Antike, Mittelalter und Neuzeit bis hin zur Zeitgeschichte ab, sie kommen aus Ägypten und Rußland, aus Berlin und Günzburg, aus dem irdischen Jerusalem und dem himmlischen Paradies. Ihre fiktiven Verfasser reichen von Flavius Josephus über Moses Mendelssohn bis zu Hannah Arendt. Ihre realen Übermittler aus Berkeley und Oxford, Tel Aviv und München verraten für diesen Band bisher unbekannte historische Details und lassen Menschen miteinander kommunizieren, von denen wir immer schon dachten: Wie schade, daß sie nicht in direkter Verbindung miteinander standen.
Autorenporträt
Dr. Michael Brenner, geb. 1964 in Weiden/Opf., ist o. Professor für Jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwigs-Maximilians-Universität München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.06.2005

Muse ohne Witz
Ungeschriebene Briefe der jüdischen Geschichte

Das Buch enthält 32 fiktive Briefe der jüdischen Geschichte. Die 32 "Verfasser" der fiktiven Briefe sind - bis auf Konrad Adenauer - alle Juden. Sie sind historische Gestalten; nur Charlotte Dingsfelder und ihre Schwester Babette Oberdorfer (August 1846) sind Phantasiegestalten. Elf der 32 Adressaten sind Nicht-Juden und historische Persönlichkeiten. Die nichtjüdischen Adressaten sind: König Antiochus IV., Titus, Sultan al-Adil Sayf al-Din, Friedrich der Große, Ernst-Peter Wieckenberg, Friedrich Wilhelm IV., Theodor Mommsen, Franz Muncker, Papst Pius X., Reinhold Steig und Karl Jaspers. Die meisten Briefe sind in einen historischen Kontext gebettet, fünf Briefe überschreiten den historischen Rahmen, zum Beispiel Theodor Herzls Brief an Shimon Peres (1998).

Als Regel gilt in diesem Buch, daß die Briefe, zu denen die Autoren einen Kommentar geben, so verfaßt sind, daß sie "nicht aus der Luft gegriffen", die Personen "tatsächlich historisch" und auch die Zitate "historisch bezeugt" sind. Die Autoren versichern, ihre fiktiven Briefe seien "nicht unrealistisch" und "durchaus möglich" gewesen, die Tatsachen seien "so, wie ich sie beschrieben habe", kurz, in den Briefen sei "nichts fiktiv"; genaue Kenntnisse der historischen Situationen ist den Autoren zu bescheinigen. Das ist ein großes Lob, doch macht es die ungeschriebenen Briefe langweilig, da alles mehr oder weniger im Rahmen des historisch Bekannten bleibt. Historische Romane sind in dieser Beziehung nicht so pingelig: Tariq Ali beschreibt in "Das Buch Saladin", wie Maimonides ein Liebesverhältnis zu der Frau eines Freundes hat. Dieses Liebesverhältnis ist erfunden. Aber was für einen schönen Brief könnte sich ein phantasievoller Schreiber hieraus erdenken - statt dessen wird in dem vorliegenden Buch in einem Brief des Maimonides nichts gesagt, was nicht bekannt wäre. Kurz: Dem Buch fehlt der Witz, wie er in Robert Neumanns "Mit fremden Federn" oder in Christine Brückners "Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen" nachzulesen ist. Man stolpert über die Gelehrsamkeit der Verfasser, die nicht den Mut haben, ihre Phantasie spielen zu lassen, um die jüdische Geschichte etwas zu verändern. Hier hat allein die Geschichte ihr Recht - was auf dem Markt für intelligente Bücher ja nicht automatisch eine beherrschende Stellung verbürgt.

Daß diese Briefe ein Dank an Ernst-Peter Wieckenberg sind, ist hervorzuheben, da erfreulich. Hat doch Ernst-Peter Wieckenberg als langjähriger Lektor im Verlag C. H. Beck auch dem jüdischen Schrifttum seine Aufmerksamkeit geschenkt. Wer mit Wieckenberg zu tun hat, weiß, daß er gerne lacht - doch diese "ungeschriebenen Briefe" verleiten nicht zum Lachen, denn sie nehmen sich schrecklich ernst. Schade, daß Albert Einstein (an David Ben-Gurion) oder Hannah Arendt (an Karl Jaspers) keinen jüdischen Witz erzählen. Gershom Scholem bringt es in seinem "Brief" (an Else Lasker Schüler) auf den Punkt: "Zwar fehlt es mir nicht an Intuition und Inspiration, aber die echte Muse geht mir ganz ab."

FRIEDRICH NIEWÖHNER

Michael Brenner (Hrsg): "Wenn Du geschrieben hättest, Josephus". Ungeschriebene Briefe der jüdischen Geschichte. Verlag C. H. Beck, München 2005. 183 S, geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.05.2005

Unter guten Geistern
Ungeschriebene Briefe: Eine Gabe für Ernst-Peter Wieckenberg
Weil Philosophen allzu häufig schlechte Historiker sind, verachten sie die Archive. Deshalb ist der Forschung bisher ein Brief entgangen, der hier erstmals mitgeteilt werden soll. Geschrieben hat ihn der in der Paris lebende jüdische Philosoph Salomon Munk (1803-1867) am 23. März 1835 an den Rabbiner Samson Raphael Hirsch (1808-1888), der zu dem Zeitpunkt in Oldenburg tätig ist: „Lieber Hirsch, wie seltsam ist mir, wenn ich an das Studium bei Hegel, Niebuhr und Schlegel denke. Warum versteht nur keiner von diesen großen Geistern uns Juden? Manchmal, wenn ich am Tisch der Familie Rothschild ins Träumen gerate, versuche ich weit nach vorn zu blicken. Manchmal sind es hundert Jahre und mehr. Ich wünschte, dann würde einer geboren, der uns versteht und der später alles tut, um dieses Wissen zu vermitteln. Einen kühlen Kopf sehe ich in diesem Augenblick vor mir, unbestechlich, nüchtern, mit einem eigenwilligen Humor. Spricht man nicht so von den Norddeutschen?
Ach, werter Hirsch, viele unserer wichtigen Werke haben wir nicht einmal vernünftig ediert, vieles von dem, was unseren Vätern lieb und teuer war, verstehen wir nicht. Sind wir vielleicht deshalb für die Nichtjuden so schwer zu verstehen? Wenn das so ist, dann sollte meine Traumgestalt die Bücher zusammen mit guten Geistern machen, die allen helfen, sich gegenseitig aufzuklären. - Hoffen wir also auf den Mann aus meinen Träumen; möglicherweise hilft er mit, die Probleme, die spätere Generationen haben werden, ein wenig zu mildern. Ihr Munk.”
Bekanntlich kann man die Bedeutung von Archivfunden nicht sofort bemessen oder sie untereinander vergleichen. Dennoch liegt mit Munks Schreiben ein denkwürdiger Brief vor, dessen Wichtigkeit in diesen Tagen noch zunimmt. Denn er korrespondiert mit einer Festschrift, die heute im Münchner C.H. Beck Verlag erscheint. Gewidmet ist sie Ernst-Peter Wieckenberg, dem langjährigen Cheflektor des Hauses Beck. Ende März wurde der im Unruhestand lebende Intellektuelle in München siebzig Jahre alt.
Nach der Pensionierung widmete er sich zunächst einer Studie über Johann Heinrich Voߒ Übertragung der Märchensammlung „Tausend und eine Nacht”, die 2002 erschien und viel Lob erntete. Doch Wieckenberg war mit dem gelehrten Buch bei weitem nicht ausgelastet. Und so ging und geht ein Großteil seiner Energie und seines Verhandlungsgeschicks in den Freundeskreis des hiesigen Lehrstuhls für Jüdische Geschichte und Kultur und die beim Leo Baeck-Institute beheimatete Schulbuchkommission ein.
Adenauer die Feder führen
Wie aber ehrt man einen Lektor, Autor und Organisator, der selbst eine wunderbare Festschrift zum 225. Geburtstag des Beck Verlages zu verantworten hatte? Michael Brenner hat 31 Autorinnen und Autoren eingeladen, fiktive Briefe zu schreiben, die Schlaglichter auf die jüdische Geschichte zwischen Antiochus IV. und Schimon Peres werfen. Häufig geht es um verpasste Gelegenheiten des Austausches, so zwischen Maimonides und dem Sultan von Ägypten (Mark R. Cohen) oder Moses Mendelssohn und Friedrich dem Großen (Michael A. Meyer). Nicht minder erhellend sind Schreiben, die sich mit dem innerjüdischen Dialog und seinen Schwierigkeiten beschäftigen. Hierfür seien beispielhaft die Briefe von Gustav Mahler an Sigmund Freud (Jens Malte Fischer), Gershom Scholem an Else Lasker-Schüler (Itta Shedletzky) und Albert Einstein an David Bengurion (Eli Bar-Chen) genannt.
Die Autorinnen und Autoren des Bandes haben sich beim Spiel mit dem Fiktiven unterschiedlich weit vorgewagt. Heike Specht etwa lässt Lion Feuchtwanger mit seinem Münchner Lehrer Franz Muncker die Idee der Habilitation und der damit verbundenen Taufe erörtern. Sehr viel weiter gehen Barbara Hahn und Avraham Barkai. Sie haben sich gar dazu entschlossen, Rahel Levin Varnhagen und Leo Baeck ihren persönlichen Dank und ihre Wünsche direkt an Wieckenberg richten zu lassen.
Wiederum sehr real sind die Begegnungen, die die beiden Historiker Hans Günter Hockerts und Norbert Frei inszenieren. Hockerts führt dem alten Konrad Adenauer die Feder, wenn er Bengurion schreibt. Und Frei setzt mit Geschick Fakten neu zusammen, wenn er Hannah Arendts Gedanken über den Mai 1968 an Karl Jaspers mitteilt. Zuletzt sei auf den Brief hingewiesen, den der frühere polnische Staats- und Parteichef Wladyslaw Gomulka zunächst an die „Genossen”, dann die „Lieben Juden” und schließlich doch an die „lieben Emigranten” richtet. Olga Mannheimer ist mit diesem Brief ein unter die Haut gehendes Dokument gelungen.
Der Band wird Brenners Ruf als Historiker gewiss nicht schaden, denn an der Formel des Thukydides, wonach Geschichte „bloß sagen solle, wie es eigentlich gewesen”, ist man oft genug fruchtlos gescheitert. In dem schmalen Buch dagegen findet man viele Fiktionen aus sehr wechselvollen Jahrhunderten, die mehr aussagen, als das klassische „bloß” oftmals erahnen lässt. Munks Brief an Hirsch sei diesem Ernst-Peter Wieckenberg gewidmeten Ensemble gerne hinzugefügt.
THOMAS MEYER
MICHAEL BRENNER (Hg.): Wenn Du geschrieben hättest, Josephus. Ungeschriebene Briefe der jüdischen Geschichte. Verlag C.H. Beck, München 2005. 183 Seiten, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Fiktive Briefe, die "Schlaglichter auf die jüdische Geschichte zwischen Antiochus IV. und Schimon Peres werfen" - Thomas Meyer findet, dass Michael Brenner da nicht nur eine originelle, sondern auch eine fruchtbare Idee für die Festschrift zu Ehren von Ernst-Peter Wieckenberg, dem ehemaligen Cheflektor von C.H. Beck und umtriebigen Paten der Erforschung jüdischer Geschichte, hatte. Moses Mendelssohn schreibt an Friedrich den Großen, Gustav Mahler an Sigmund Freud, Albert Einstein an David Bengurion - oft geht es entweder um "verpasste Gelegenheiten" des Dialoges zwischen Juden und Nichtjuden oder um die Probleme des "innerjüdischen Dialoges". "Unterschiedlich weit vorgewagt" haben sich die Autoren, schreibt Meyer - zufrieden ist er eigentlich mit allen.

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