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Ein Reisender besucht das Schloss eines Jugendfreundes, den erseit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat. Er findet das Haus gänzlichverändert. Unzählige Gesichter bevölkern die Räume. Götterund Engel, Masken und Menschen leisten den Freunden Gesellschaft.Neunzehn Stunden währt der Besuch, sie essen zusammen,rauchen, trinken, wandeln umher und reden über das Leben, dieSchönheit, das Lächeln und den Tod. Die Gegend ist nahezu verlassen,der Schlosspark verwildert und die Burgruine kaum mehrals ein Ort der Erinnerung. »Weisenfels« entführt den Leser ineinen Kosmos jenseits der Gegenwart. Die…mehr

Produktbeschreibung
Ein Reisender besucht das Schloss eines Jugendfreundes, den erseit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat. Er findet das Haus gänzlichverändert. Unzählige Gesichter bevölkern die Räume. Götterund Engel, Masken und Menschen leisten den Freunden Gesellschaft.Neunzehn Stunden währt der Besuch, sie essen zusammen,rauchen, trinken, wandeln umher und reden über das Leben, dieSchönheit, das Lächeln und den Tod. Die Gegend ist nahezu verlassen,der Schlosspark verwildert und die Burgruine kaum mehrals ein Ort der Erinnerung. »Weisenfels« entführt den Leser ineinen Kosmos jenseits der Gegenwart. Die Geschichte der Künsteund Kulturen, des Sehens und Denkens ist jedoch ebenso gegenwärtigwie die Zukunft in einem Universum ohne Zeitgenossen.Nach dem Prosaband »Einzelgänger« legt Wolfgang Sofsky nun einWerk vor, das Erzählung, Kunstbetrachtung und philosophischeReflexion kunstvoll miteinander verknüpft. Ein Buch des Abschiedsvon einer verlorenen Welt.
Autorenporträt
Wolfgang Sofsky, geboren 1952 in Kaiserslautern, lehrte als Professor für Soziologie an den Universitäten Göttingen und Erfurt. Seit 2000 arbeitet er als Privatgelehrter, Essayist und politischer Kommentator. 1993 erhielt er den Geschwister-Scholl-Preis für sein Buch Die Ordnung des Terrors. Das Konzentrationslager. Seine Bücher wurden in über zehn Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.11.2014

Texte sehen dich an
Der Soziologe Wolfgang Sofsky hat einen sehr gelehrten Roman geschrieben
An diesem Roman sind Theoretiker wie Michel Foucault schuld. Dieser stellte am Ende seines Hauptwerkes „Die Ordnung der Dinge“ in Aussicht, der Mensch, so wie wir ihn kennen, könne gleichwohl jederzeit verschwinden „wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand“. Ein Bild, das Wolfgang Sofsky, oder mindestens seinem Protagonisten, dem gediegenen Erzähler des Großteils dieses Buches, unerträglich sein muss.
  Der Soziologe und Essayist Sofsky, der sonst Bücher wie einen „Traktat über die Gewalt“ und keine Romane schreibt, setzt seinen gelehrten Helden auf einem einsamen Landgut aus, wo er einen alten Freund besucht. Der eine residiert dort oben seit Jahren allein, von der Welt abgewandt, der andere, ein Studienfreund, kommt herbeigeeilt in diese zauberberghafte Einöde.
  Weisenfels heißt diese Insel, die mehr Museum als Wohnraum ist, voller Skulpturen, Bücher und Ornamente – Stein gewordenes Wissen und Wirken. Ein Archiv der Welt bis kurz vor dem Internet. „In einem Regal lagen einige Bücher, Thukydides, Pausanias, die Vorsokratiker, die ‚Aeneis‘, ein Bildband über die Präraffaeliten, zeitgenössische Literatur entdeckte ich keine, auf dem Schreibtisch eine ausländische Zeitung mit dem Datum von vorgestern“. Damit, warum der eine so dringend kommen soll und warum der andere dort in seiner frühen Krypta haust, hält sich die Erzählung zunächst kaum auf.
  Alleine, bis der Gast das Zimmer mit der oben zitierten Auswahlbibliothek erreicht hat, gilt es ein ganzes Kulturzeitalter in dem alten Gemäuer abzuschreiten. Nämlich anhand der Büsten, Statuen und steinernen, antiken Torsi, die das Treppenhaus der maroden Villa säumen. „Weisenfels“ ist ein Buch über Bildung am Beispiel des menschlichen Gesichts, was aber erst allmählich klar wird.
  Es folgen Exkurse über Literatur, Whisky und Architektur. Dieser erste Tag in Weisenfels vergeht fast so langsam wie Hans Castorps erster Tag in Davos. Die großzügig gestreuten Zitate pendeln sich bei Goethe ein, wenn vom „Gären der Erde“ die Rede ist, sowie bei den üblichen philosophischen Verdächtigen und, wie zu erwarten, bei einer ganzen Ahnengalerie antiker Autoren, die durch das alte Gemäuer spuken.
Falls das noch nicht klar geworden ist: Im Gegensatz zu der berühmten Schweizer Lungenklinik ist Weisenfels völlig ironiefreie Zone. Wo bei Thomas Mann noch kauderwelsches Französisch zum Stilmittel wird, wundert man sich bei Sofsky nur, wenn der Whisky umständlich zum „bernsteinfarbenen Lebenswasser“ wird und die selbstverliebten Assoziationsketten gedankenverloren von den Pferden, zu den Pferdestärken und über die Pferdeschwänze zu den Pferdevisagen galoppieren.
  Das Thema des Gesichts wird inhaltlich nach Vorschrift durchexerziert: Von den Büsten und Masken und der esoterisch angehauchten Allegorie des Gesichts als auf ein menschliches Ding an sich verweisend geht das Thema bis zu den zerschossenen Gesichtern des Ersten Weltkriegs, vor denen der „Zauberberg“ dann kapitulierte. Diese Assoziationskette durch die Kulturgeschichte erinnert manchmal an das Verfahren der Kulturanalysen Hans Blumenbergs. Nur hat der eben keine Romane geschrieben.
  Die größte Stärke von „Weisenfels“ als Roman ist aber gerade die Literarizität seines formalen Verfahrens: Unterbrochen wird die Erzählung des zu Besuch nach Weisenfels kommenden Freundes immer wieder durch kursivierte Passagen von unklarem Erzählstatus. Mal scheint der Gastgeber zu sprechen, mal wird ein philosophischer Essay eingeschoben, aber stets sollen durch diese Passagen die stummen Steingesichter, die Gesichter in den Gemälden und Fotografien sprechen. Die Texte stehen sich gegenüber, sehen einander geradezu ins Gesicht. Man liest den einen Text mit dem anderen. Wie man sich selbst im Gespräch in den Reaktionen des Gesichts seines Gegenübers beobachten kann, geben die Texte vorsichtig Auskunft übereinander. Das ist ein Maß an Subtilität, das den meisten Theoretikern fremd bleibt.
NICOLAS FREUND
Dir größte Stärke von
„Weisenfels“ liegt in seinen
formalen Qualitäten
          
  
  
  
  
Wolfgang Sofsky:
Weisenfels. Roman.
Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2014. 235 Seiten, 22,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

So viel Subtilität kennt Nicolas Freund nur von wenigen Theoretikern. Wenn der Soziologe Wolfgang Sofsky einen Roman vorlegt, in dem Zauberberg-Atmosphäre weht und Bildung anhand des menschlichen Gesichts vermittelt wird, zitaten- und assoziationsreich und ein bisschen oldschool durchaus durch die Kulturgeschichte mäandernd, horcht Freund auf. Verfahrenstechnisch an Hans Blumenberg erinnernd, bietet ihm der Autor jedoch viel mehr als Theorie. Das Literarische an diesem Buch scheint dem Rezensenten doch das Entscheidende zu sein. Wenn unterschiedliche Textsorten einander abwechseln und dabei das Thema des Gesichts verhandelt wird, kann er nur staunen, wie viel es dabei zu lernen gibt.

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