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Der Band fasst zentrale Texte von Bernhard Hanssler, einer der bedeutendsten und einflussreichsten Persönlichkeiten des deutschen Katholizismus, aus sieben Jahrzehnten zusammen. Es geht in ihnen um die Fundamente des katholischen Glaubens, die Probleme der Kirche, die großen Gestalten des Chris-tentums, das Fortwirken der humanistischen Tradition in der Gegenwart, um Dante-Interpretationen sowie um spezielle Handreichungen an Künstler und Ärzte. Die Ausführungen des großen Predigers sind zugleich Zeitzeugnisse hohen Ranges, in denen sich die Entwicklung der katholischen Kirche der…mehr

Produktbeschreibung
Der Band fasst zentrale Texte von Bernhard Hanssler, einer der bedeutendsten und einflussreichsten Persönlichkeiten des deutschen Katholizismus, aus sieben Jahrzehnten zusammen. Es geht in ihnen um die Fundamente des katholischen Glaubens, die Probleme der Kirche, die großen Gestalten des Chris-tentums, das Fortwirken der humanistischen Tradition in der Gegenwart, um Dante-Interpretationen sowie um spezielle Handreichungen an Künstler und Ärzte. Die Ausführungen des großen Predigers sind zugleich Zeitzeugnisse hohen Ranges, in denen sich die Entwicklung der katholischen Kirche der Bundesrepublik in lebendiger Weise und in vielfältiger Thematik widerspiegelt. Hanssler hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Pfarrer und Prediger profiliert, danach als weitblickender Mitbegründer und erster Leiter des Cusanuswerkes sowie als hervorragender Organisator katholischer Bildungsarbeit.
Karl Christ ist Professor em. für Alte Geschichte in Marburg. Johanna Jantsch ist Dozentin an der Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen.
Autorenporträt
Karl Christ lehrte bis zu seiner Emeritierung als Professor für Alte Geschichte an der Universität Marburg. Er gilt als einer der besten Kenner der Geschichte der römischen Kaiserzeit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.05.2000

Verbände und Verbindlichkeiten
Das war einmal die Kirche: Bernhard Hansslers Steine des Anstoßes

Menschen, die ihm nicht wohlgesinnt sind, sehen in Bernhard Hanssler einen Prälaten, wie er im Buche steht - genauer gesagt: wie ihn Heinrich Böll in seinem Roman "Ansichten eines Clowns" dargestellt hat. Der Prälat Sommerwild erscheint bei Böll auf den ersten Blick als Lichtgestalt eines sich tolerant und bildungsbeflissen gebenden Katholizismus, der der CDU nahe steht, den Künstlern gewogen ist und gern mit vorzeigbaren Konvertiten renommiert. Aus der Sicht des gebeutelten Clowns Schnier und des mit ihm verbündeten Autors entpuppt sich dieser Kulturkatholizismus jedoch als ein miefiges, intrigantes Milieu, das alles daransetzt, seinen politischen und gesellschaftlichen Einfluss zu stabilisieren. Alles Häme?

Dass Hanssler eine für den deutschen Nachkriegskatholizismus charakteristische Erscheinung war, hebt auch der Rottenburger Weihbischof Kreidler in seinem Geleitwort hervor. Die Figur Hanssler sei so eng mit der Kirche verbunden, dass an ihrer Biographie "Wesenszüge" des "kirchlichen Lebens" ablesbar werden. Auch wenn zugestanden werden muss, dass sich von einer so kraftvoll wirkenden Person nur ein Teil im Medium einer Textauswahl mitteilen lässt, wird an den vorliegenden Schriften Hansslers abzulesen sein, ob uns der von ihm repräsentierte Katholizismus heute noch etwas zu sagen hat oder ob ihm nicht - wie mancher Satire Bölls - bereits etwas Museales anhaftet. Die "pikante" biographische Frage, wie viel Hanssler in der Figur Sommerwild steckt, darf dabei in der Schwebe bleiben.

Jesus trug keine Jesuslatschen.

Bei allen intellektuellen und (schön-) geistigen Ambitionen war Hanssler, der heute dreiundneunzigjährig in Stuttgart lebt, vor allem ein Mann der kirchenpolitischen und seelsorgerlichen Praxis. In unterschiedlichen Funktionen hat er sich Verdienste erworben: als Priester seiner Diözese, als Studentenseelsorger in Tübingen während des Zweiten Weltkrieges, als Leiter der Bischöflichen Studienförderung "Cusanuswerk", als Rektor des Collegio Teutonico in Rom und zuletzt bis 1991 als Akademikerseelsorger. Eine bewegte Biographie, reich an Anerkennung wie an persönlichen Zerwürfnissen.

Hansslers Ausführungen haben stets etwas sehr Entschiedenes: "Lässigkeit kommt nie zum Glauben. Jesus hat für die religiöse Existenz stets eine besondere Entschlossenheit eingefordert." Nicht, dass man sich die fromme Einsicht durch schwäbischen Kehrwochenfleiß erwerben könnte, aber ein "Ganz bei der Sache"-Sein, Ausdauer und Treue sowie ein waches und gesammeltes Bemühen um ein Gottesverhältnis seien schon vonnöten. In seiner Schrift "Glaubensleben" von 1985 wird deutlich: Hier spricht ein Mann der Tat, dem die unzähligen (theologischen) Schreibtischarbeiten ein Gräuel sind, einer, für den die etwas abgegriffene Formel vom "Glauben als Wagnis" tiefen Ernst besitzt. Da scheint einer am eigenen Leib erfahren zu haben, was es heißt, Wege geführt zu werden, "von denen man nicht weiß, wo sie enden". Als Gewährsmann solcher Glaubenserfahrung wird Abraham aufgerufen, der die Sicherheit seiner Lebensverhältnisse im chaldäischen Ur einer unbestätigten, göttlichen Verheißung opfert. Die Fremdheit Gottes und seines Willens anzunehmen, ohne in Resignation zu verfallen, darin sieht Hanssler den Ur-Akt des Glaubens und die Größe Abrahams.

Hansslers Gottesbild verträgt Polaritäten. Das zeichnet seine Reflexionen vor so manch griffiger, marktgängiger Gottesthese von heute aus. Gott ist der Menschenfreund, der liebend und sorgend sich Zuwendende, zugleich aber auch der Fremde und Erhabene. Eines wird durch das andere nicht aufgehoben. Ein Gott, der weniger abgründig wäre als der, welcher Abraham die Opferung seines einzigen Sohnes Isaak abverlangt, wäre für Hanssler nichts als ein selbst gemachter Götze. Auch der sich offenbarende und mitteilende Gott bleibt zuletzt unfassbar und entzieht sich unserem Sprechen, unserem Denken, Wollen und Tun. Und dass Gott die Liebe ist, berechtigt uns noch lange nicht zu der Naivität, von einem "lieben Gott" zu sprechen.

Sein "kleines Übungsbuch der persönlichen Glaubenspraxis", das die Herausgeber programmatisch an den Anfang des Buches stellen, zeigt jedoch, je weiter es fortschreitet, dass Hanssler nicht der Mann scharfer begrifflicher Unterscheidung ist. Je länger Hanssler die "eingegossenen Tugenden" Glauben, Hoffnung und Liebe gedanklich umkreist, desto austauschbarer werden sie. Da das Wort "moralisch" offenbar keinen guten Klang hat, wird es durchgehend durch "ethisch" ersetzt, als wären beide Synonyme, so dass von der "ethischen Unzulänglichkeit" des Menschen die Rede ist, wo es offenbar um moralische Praxis geht.

Der Leitstern als Dunkelbirne.

Auch das Bedenken von Eros und Agape, Gottes- und Menschenliebe, Friede und Freude führt recht geschwind zum Ineinsfall aller möglichen Gegensätze. Ein Begriff mündet in den anderen, übernimmt dessen Bestimmungen, und statt sich gegenseitig auszuleuchten, verdunkelt einer den anderen. So überstürzt hat sich der von Hanssler gerühmte Nikolaus Cusanus die "coincidentia oppositorum" wohl nicht vorgestellt.

Beiträge zu Theodor Haecker und Reinhold Schneider sind kompetente Huldigungen, die Hansslers geistige Heimat markieren. Man kann darüber die Nase rümpfen und sich auf den (schon wieder verdächtigen) Konsens des gegenwärtigen Kulturbetriebs berufen, diese Art Katholizismus sei ein für alle Mal erledigt. Auch mag uns Hansslers Glauben an die gesellschaftliche Gestaltungskraft des Christlichen heute einfältig oder vermessen erscheinen. Dennoch löst diese tiefe Wurzeln in einer großen und mächtigen Tradition beim heutigen (jüngeren) Leser ein neugieriges Befremden aus. Man staunt, dass noch vor wenigen Jahrzehnten innerhalb des deutschen Katholizismus so gedacht und gewirkt werden konnte. So fragwürdig und unwiederholbar vieles davon ist: zur selbstzerstörerischen Verzagtheit des aktuellen deutschen Katholizismus bietet der Klassizismus Hanssler'scher Prägung (und derer, die er als Zeugen aufruft) zunächst einmal ein delikates und vielleicht notwendiges Gegengift.

Weiterhin lesenswert sind seine Ausführungen zum Mess-Ordinarium, in denen ihm zwangloser als in all seinen Traktaten und Predigten eine Annäherung an das letztlich Unaussprechliche gelingt, das der Glaube in der liturgischen Feier zu vergegenwärtigen sucht. Das heilige Lallen des Sanctus als "Einstimmen in den Gesang der himmlischen Chöre" mache die feiernde Kirche zu einem Vorraum des Himmels. Wohltuend ein solches Pathos, gerade wenn man es sich selbst kaum noch erlauben möchte. Es ist das die Sprache übersteigende Sprechen der Liturgie, das dem "Geheimnis des Glaubens" und der Kirche am nächsten kommt, gerade weil es sie nicht vollständig verbalisieren will.

Als durchaus treffsicher erweist sich Hanssler, wo er Absonderlichkeiten nachkonziliarer Liturgie aufspießt, etwa die grassierende Banalität religiöser Sprache beklagt oder die "leere Hurtigkeit" und den "Wortschwall" so genannter "Themengottesdienste". Seine Absage an eine Kirche, die sich als sozialtherapeutische Anstalt versteht, ist heute so notwendig wie vor dreißig Jahren, auch wenn sich die Vorzeichen geändert haben: Stand Liturgie in den sechziger und siebziger Jahren in der Gefahr, zum Forum politischer Debatten zu werden, so wird sie heute als Ort der Selbstfindung und Selbsterfahrung apostrophiert: "Wenn man mit der Liturgie nichts mehr anzufangen weiß, macht man sie anderen, ihr zunächst fremden Zwecken dienstbar."

Auch hier unterlaufen Hanssler freilich theologische Patzer: Bedeutet die paulinische Rede vom "logosgemäßen Gottesdienst" (Röm. 12, 1) wirklich, dass alle Liturgie eine Sache der Sprache ist, und vollzieht sich christlicher Kult wirklich primär "in Sprachakten", wie Hanssler behauptet? Das Verhältnis von "göttlichem" Logos und menschlicher Sprache dürfte hier kaum ausreichend reflektiert sein. Denn dass Offenbarung in der Bibel als "Wort"-Geschehen beschrieben wird, bedeutet keinesfalls, dass sich adäquate menschliche Antwort ausschließlich oder in erster Linie in verbaler Form vollziehen muss. Umgekehrt könnte man vielmehr sagen: Gerade dass der Logos sich jeglicher Verbalisierung entzieht, ist "Thema" kultischen Handelns.

Was Hanssler als Entwurf für eine Kirche der Zukunft anbietet, wirkt zuweilen etwas altbacken. Es dürfte heute nicht mehr ausreichen, der "linken" Forderung nach innerkirchlichem Pluralismus die Mahnung zu aller Vielfalt vorausgehenden Einheit entgegenzuhalten, ohne dies theologisch zu begründen und zu präzisieren. Hansslers Optimismus, dass Kirche weiterhin eine gesellschaftliche prägende Kraft sein könnte, ist bewundernswert. In seiner (auch sprachlichen) Verlegenheit, wie das über die Arbeit entsprechender konfessioneller Gruppen und Verbände hinaus aussehen könnte, offenbart sich freilich auch Hilflosigkeit. Er ahnt, dass sich die Kirche in einer Krise befindet. Aber ob sie eine "Parzellierung" und "Selbstausschaltung der Kirche" bewirkt oder einen heilsamen Schub der "Verwesentlichung" - das vermag Hanssler nicht zu sagen.

Nicht in Gottes Haus.

Auch das Verhältnis von Kunst und Glaube vermag Hanssler nicht zu klären. Seine Ausführungen beschränken sich auf die etwas allgemeinen Behauptungen, wonach menschlicher Schöpferkraft generell metaphysische Dignität zukomme und wahre Kunst stets festlich-affirmativen Charakter besitze. Alle Kunst dagegen, die "stören, entlarven, anklagen" will, übe Verrat an ihrem eigenen Wesen und ihrer gottgegebenen Würde. Zwar warnt er nachdrücklich vor einem "katholischen Kulturseparatismus" und betont die Verwandtschaft von Kunst und Liturgie, gewisse Kunstströmungen seien in der Kirche aber fehl am Platz. Ihnen habe man kritisch bis ablehnend zu begegnen oder allenfalls mit seelsorglichem "Heilandsethos, das dem Verlorenen nachgeht". In vagen Andeutungen verrät er, wie er sich eine gelungene Beziehung zwischen Kirche und Kunst vorstellt. Er wünscht sich "die Unbefangenheit, die Herzlichkeit und die Intensität wie in den großen Zeiten der Kunst- und der Kirchengeschichte" zurück, was in einem schwärmerischen Irrealis gipfelt: "Welch neuer Morgen bräche an."

Hanssler ist ein Mann der Kirche, dessen Qualitäten zu beschreiben stets auch bedeutet, seine Grenzen zu markieren. Seine Sprache, so heftig und polemisch sie zuweilen werden kann, bleibt zumal, wo sie Glaubensfragen traktiert, in Stil und Sujet meist im Bereich katholisch-gediegener Binnenrhetorik. Hansslers im Letzten restaurativer Kulturbegriff, sein Denken in Verbänden und Verbünden, seine Vorstellung von der Kirche als einer Sonderwelt mit Sondersprache und geistigem Sondergut - all das setzt seiner Wirkung aus heutiger Sicht Grenzen. Kaum vorstellbar etwa, Hanssler könnte Werken von Kleist, Kafka oder Beuys vergleichbare "theologische Dignität" zusprechen wie denen Dantes, Bergengruens oder Reinhold Schneiders. Es ist eben doch allzu häufig die von Heinrich Böll in seinem Clown-Roman beschworene "katholische Luft", die den langen wie den mitunter kurzen Atem für Hansslers Denken spendet.

CHRISTIAN SCHULER.

Bernhard Hanssler: "Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben". Predigten, Vorträge, kleine Schriften. Herausgegeben von Karl Christ und Johanna Jantsch. Böhlau Verlag, Köln 2000. 612 S., geb., 108,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hansslers Schriften zeichnen sich durch wohltuende Entschiedenheit aus, lobt Christian Schuler: Sein Gottesbild sei komplex genug, auch Widersprüche zu vertragen, wodurch sich seine Überlegungen positiv von "griffigen, marktgängigen Gottesthesen" abheben. Sehr lesenswert findet der Rezensenten besonders Hansslers Ausführungen zu Mess-Ordinarium und nachkonziliarer Liturgie. Doch es hagelt auch Kritik. So bemängelt Schuler die häufig zu unscharfen begrifflichen Unterscheidungen, die zu Austauschbarkeit und der Aufhebung von bestehenden Gegensätzen führe. Die Beziehung von Kunst und Glaube, die Hanssler zu ergründen suche, bleibe genauso ungeklärt wie das Verhältnis von ""göttlichem" Logos und menschlicher Sprache". Zudem gerate Hansslers Sprache manchmal in den "Bereich katholisch-gediegener Binnenrhetorik". So ist in dem Buch beides zu finden: der "lange wie der mitunter kurze Atem " von Hansslers Denken, resümiert Schuler.

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