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Die Entwicklung der Atombombe war das größte geheime Unternehmen des 20. Jahrhunderts. Als der deutsche Physiker Otto Hahn Anfang 1939 die Entdeckung der Kernspaltung bekannt gab, stand der Beginn des Zweiten Weltkrieges kurz bevor. So war die weitere Atomforschung von dem Ziel geprägt, eine kriegsentscheidende Waffe zu entwickeln. Den dramatischen Wettlauf gewannen die Amerikaner, die im August 1945 zwei Atombomben gegen japanische Städte einsetzten. In überraschend kurzer Zeit konnte die Sowjetunion den amerikanischen Vorsprung aufholen. Dies gelang vor allem durch den Abbau der…mehr

Produktbeschreibung
Die Entwicklung der Atombombe war das größte geheime Unternehmen des 20. Jahrhunderts. Als der deutsche Physiker Otto Hahn Anfang 1939 die Entdeckung der Kernspaltung bekannt gab, stand der Beginn des Zweiten Weltkrieges kurz bevor. So war die weitere Atomforschung von dem Ziel geprägt, eine kriegsentscheidende Waffe zu entwickeln. Den dramatischen Wettlauf gewannen die Amerikaner, die im August 1945 zwei Atombomben gegen japanische Städte einsetzten. In überraschend kurzer Zeit konnte die Sowjetunion den amerikanischen Vorsprung aufholen. Dies gelang vor allem durch den Abbau der Uranvorkommen in Sachsen und Böhmen, deren Bedeutung bis Kriegsende von allen Mächten unterschätzt worden war. Stalin erkannte sofort den strategischen Wert der kleinen Grenzregion. Unter Aufsicht seines Geheimdienstes entstanden in der SBZ/DDR und in der Tschechoslowakei zwei der größten sowjetischen Auslandsunternehmen. Rainer Karlsch und Zbynek Zeman haben für ihre politische Geschichte des Uranbergbaus im Erzgebirge erstmals Quellen aus deutschen, russischen, tschechoslowakischen, amerikanischen sowie britischen Archiven ausgewertet und dokumentieren, mit welchen Methoden die Sowjetunion ihre "Uranlücke" zu schließen und den amerikanischen Vorsprung wettzumachen vermochte. Dabei stand das Erzgebirge im Zentrum der Weltpolitik.
Autorenporträt
Karlsch, RainerJahrgang 1957; Studium der Wirtschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, dort 1982-91 Assistent am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte, 1986 Promotion; danach Mitarbeiter Mitarbeiter am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Humboldt-Universität und der Historischen Kommission zu Berlin, 1999-2001 Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsgeschichte der FU Berlin; seit 2004 freier Publizist mit den Schwerpunkten Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte, zahlreiche Veröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.12.2002

Ein Geheimnis war es nie
Sowjetischer Atombombenbau hing vom Erzgebirge-Uran ab

Rainer Karlsch/Zbynek Zeman: Urangeheimnisse. Das Erzgebirge im Brennpunkt der Weltpolitik 1933-1960. Ch. Links Verlag, Berlin 2002. 320 Seiten, 19,90 [Euro].

Was wäre gewesen, wenn Amerikaner und Engländer gewußt hätten, daß die sowjetische Atombombe vom Besitz zweier Bergbauregionen im Erzgebirge abhing? Ahnungslos räumten sie im Juni 1945 ein Gebiet, dessen Kontrolle durch die Westmächte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Bau der sowjetischen Atombombe verzögert hätte. Man kann sich die Bedeutung dieses Umstands für die Geschichte des Kalten Krieges vorstellen - wenn es ihn unter solchen Voraussetzungen überhaupt hätte geben können. Dabei wurde seit Jahrzehnten in den erzreichen Regionen diesseits und jenseits der deutsch-tschechischen Grenze "Pechblende" nachgewiesen, und es kam nicht von ungefähr, daß Joachimstal (Jáchimov) vor dem Zweiten Weltkrieg ein florierendes "Radium"-Bad war. Hier und in der Region um Príbram wurden nach 1945 14 Prozent, im sächsischen und thüringischen Erzgebirge um Johannesgeorgenhütte, Schlema, Annaberg, Schneeberg und Aue 60 Prozent des sowjetischen Uranbedarfs gefördert.

Auf der Grundlage des nunmehr verfügbaren Aktenmaterials haben die beiden Autoren, Kenner der Materie, eine detaillierte Enthüllung dieses "Urangeheimnisses" gewagt, das eigentlich nie eines war: Schon das nationalsozialistische Regime hatte sich um den Abbau von Uranerz bemüht, auch wenn das nach dem Frankreich-Feldzug von 1940 erbeutete Uran ausgereicht hätte, um eine deutsche Atombombe zu bauen. Ob Heisenberg und Diebner das wirklich wollten, ob man in Oranienburg und Haigerloch weiter war, als später behauptet, ob es gar eine "kleine Atomexplosion" im März 1945 gegeben hat - das bleibt immer noch Spekulation, wie die Verfasser selbst einräumen. Demgegenüber läßt sich die Geschichte des Uranerzabbaus in der CSSR und in der SBZ/DDR nach 1945 jetzt auf eine solide Quellenbasis stützen.

In der Tschechoslowakei konnten die Sowjets - anders als in der SBZ - das Bergbaugebiet nicht einfach okkupieren und als "Sonderzone" deklarieren, sondern mußten wenigstens formal als "Partner" der Prager Regierung auftreten. Das fiel ihnen um so leichter, als die Prager Kommunisten um Gottwald nur allzu willige Helfer waren - schon vor dem März 1948. Wer nicht willig war, wurde eliminiert, sei es durch Schauprozesse (Slansky, Rada) oder einen "Prager Fenstersturz". Ohne es exakt belegen zu können, deuten die Autoren an, daß Jan Masaryk sterben mußte, weil er in der Uranfrage nicht so "funktionierte", wie es Stalin wollte.

Was sich um die Urangruben abspielte, war gespenstisch: Da es der tschechischen Regierung nicht gelang, die notwendigen Arbeitskräfte auf freiwilliger Basis zusammenzubekommen, man deutsche Kriegsgefangene dafür nicht oder nur begrenzt einsetzen konnte, verfiel das Regime auf die Idee, die sowjetischen Gulags nachzubauen: Tausende von Häftlingen, zumeist "politische", wurden in Arbeitslager gesteckt. Sogar ein "Biest von Belsen" gab es in Príbram, und die Todesraten konnten sich mit denen in Buchenwald durchaus messen.

Unerträglich waren die Arbeits- und Lebensverhältnisse auch im "Sondergebiet" der Wismut AG, aber nur bis zu Beginn der fünfziger Jahre. Bis dahin versuchten es die sowjetischen Machthaber und ihre SED-Handlanger wie in der Tschechoslowakei mit blanker Gewalt. Aber wenn bis zu 90 Prozent der Zwangsrekrutierten die Flucht gelang, gab es nur die Alternative, auch den Südosten der DDR in einen riesigen Gulag zu verwandeln - oder aber Anreize zu schaffen, um die Bergarbeiter anzulocken. Der erste Generaldirektor der Wismut AG, der Geheimdienstgeneral Michail M. Malzew, wußte Molotow und Berija zu überzeugen, daß im Erzgebirge Zuckerbrot effektiver sei als die Peitsche - üppigere Lebensmittelkarten, höhere Löhne als im Rest der Republik, später Wohnungen in Plattenbauten, das reichte. Nach und nach gelang es dem DDR-Regime, aus dem größten Reparationsbetrieb der "Zone" fast ein Vorzeigeunternehmen zu machen. Auf dem Höhepunkt des Erzabbaus arbeiteten 200 000 Menschen in dieser Region, 220 000 Tonnen Uranerz wurden in die Sowjetunion geliefert. Daß nicht alles eitel Sonnenschein war, machten nicht nur sechstausend "Betriebsschutzleute" deutlich, sondern auch eine Kette von sozialen Unruhen, von denen der "Saalfelder Aufruhr" von 1951 schon an den 17. Juni 1953 gemahnte. Die grobschlächtige westdeutsche Propaganda - Kurt Schumacher sprach 1947 von den "Uransklaven" - wirkte eher kontraproduktiv. Tatsächlich waren die Arbeits- und Gesundheitsverhältnisse nach 1951 ähnlich wie in anderen Bergbauregionen auch; die Strahlenbelastung der Arbeiter war beispielsweise in Colorado (Vereinigte Staaten) mehrfach höher als in Aue.

Die Wismut AG war ein sowjetischer Staatsbetrieb, in den sich die Russen niemals hineinreden ließen. Als Ulbricht, Pieck und Honecker begriffen, welche strategische Bedeutung der Betrieb für die Sowjetunion besaß, glaubten sie, in ihm eine Art von politischer "Lebensversicherung" für die DDR und sich selbst zu besitzen. Schien es doch undenkbar, daß die Sowjetunion ein Gebiet freiwillig aufgeben könnte, dem sie nach den Gesetzen des Kalten Krieges nicht zuletzt ihr eigenes Überleben verdankte. Ob und wie lange diese Funktion der Wismut AG tatsächlich bestand, wann und warum sie schließlich schwand - darüber schweigen sich die Autoren mangels sowjetischer Quellen aus. Es gibt sie also doch noch, die "Urangeheimnisse".

MICHAEL SALEWSKI

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Michael Salewski betont, dass mit dem Buch nun die Geschichte des Uranabbaus in der Sowjetunion und in der Sowjetisch Besetzten Zone beziehungsweise der DDR sich auf eine "solide Quellenbasis stützen" kann. Er lobt die beiden Autoren als "Kenner der Materie" und auch wenn einiges, wie er einräumt, immer noch im Bereich der Spekulation verharrt, weil kein Quellenmaterial verfügbar ist, so hätten sie das zusammengetragen, was an Dokumenten verfügbar sei, so der Rezensent zufrieden. Dies gilt nicht nur für den Uranabbau in der Tschechoslowakei, bei dem die Autoren den Tod Jan Masaryk als möglichen Mord bezeichnen, weil der tschechoslowakische Politiker nicht so "funktionierte" wie die Sowjetunion wollte. Auch beim Stellenwert der Wismut AG im Erzgebirge "schweigen" sich Karlsch und Zeman "aus", weil keine sowjetischen Quellen dazu vorliegen, bedauert Salewski, der insgesamt von dem Buch aber sehr angetan ist.

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