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Taxifahren können viele - doch grandios darüber schreiben kann nur Karen Duve "Ich meldete mich auf eine Anzeige, in der nicht nur Taxifahrer, sondern ausdrücklich auch Taxifahrerinnen gesucht wurden. 1983 war es in Stellenanzeigen noch nicht üblich, jedem Beruf auch eine weibliche Endung anzufügen. Man tat es nur, wenn man andeuten wollte, dass man praktisch jeden nahm."Eine ziellose Jugend, eine spießige Familie, eine frustrierende Ausbildung - da kommt die Annonce"Taxifahrerin gesucht"schon fast wie die Rettung schlechthin daher. Auch wenn Alex Herwig leider ein Gedächtnis wie ein Sieb hat.…mehr

Produktbeschreibung
Taxifahren können viele - doch grandios darüber schreiben kann nur Karen Duve "Ich meldete mich auf eine Anzeige, in der nicht nur Taxifahrer, sondern ausdrücklich auch Taxifahrerinnen gesucht wurden. 1983 war es in Stellenanzeigen noch nicht üblich, jedem Beruf auch eine weibliche Endung anzufügen. Man tat es nur, wenn man andeuten wollte, dass man praktisch jeden nahm."Eine ziellose Jugend, eine spießige Familie, eine frustrierende Ausbildung - da kommt die Annonce"Taxifahrerin gesucht"schon fast wie die Rettung schlechthin daher. Auch wenn Alex Herwig leider ein Gedächtnis wie ein Sieb hat. Trotzdem büffelt sie Straßennamen und Wegstrecken - und hat das Glück auf einen extrem gnädigen Prüfer zu treffen. Bald sitzt sie zum ersten Mal im Wagen und schwitzt Blut und Wasser, weil sie die Straße nicht kennt, nach der ihr erster Fahrgast fragt. Und Alex wird - halb wider Willen - von einer Kollegen-Clique aufgesogen, die aus abgebrochenen Studenten, gescheiterten Künstlern, misanthropischen Gar-nicht-Akademikern und frauenfeindlichen Verklemmten besteht - bis sie Marco trifft, einen extrem kleingewachsenen aber umso bestimmter agierenden jungen Mann ...
Karen Duve erzählt mit gewohnter Brillanz, Lakonie und Unbarmherzigkeit von einer jungen Frau, der das Leben nichts schenkt, die einen Beruf hat, in dem sie andauernd Leute trifft, denen das Leben erst recht nichts schenkt. Komisch, erbarmungslos, ehrlich bis auf die Knochen: Ein waschechter Duve-Roman.
Autorenporträt
Karen Duve, geb. 1961in Hamburg, lebt mit einem Maultier, einem Pferd, einem Esel, zwei Katzen und zwei Hühnern auf dem Lande in der Märkischen Schweiz. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.05.2008

Einmal falsch abgebogen und nie wieder umgekehrt

Mit Karacho in die Lebens-Sackgasse: In ihrem Roman "Taxi" räumt Karen Duve abermals mit dem Vorurteil auf, dass Jungsein ein Freifahrtschein ins Glück ist.

Jugendliche Helden, die am Leben leiden, muten immer besonders tragisch an. Singt doch fast jeder Schlager davon, dass Glück samt seinen Sahnehäubchen "Liebe" und "Erfolg" ein Privileg der Jugend ist. Weswegen es umso bitterer erscheint, dass ausgerechnet die "beste Zeit des Lebens" für viele Heranwachsende nicht zuletzt aufgrund des äußeren Erwartungsdrucks zum Martyrium wird. Denn mit dem Jungsein allein ist es ja noch nicht getan. Man muss sich auch angemessen "jung" verhalten. Und das meint in westlich-kapitalistischen Gesellschaften vor allem: irre viel Spaß am Leben haben. Doch genau damit tun sich Karen Duves heranwachsende Heldinnen in der Regel denkbar schwer.

So bilanzierte schon die namenlose Ich-Erzählerin aus der 1999 erschienenen Kurzgeschichte "Keine Ahnung", nachdem sie gerade ihr Abitur bestanden hatte: "Mir war das Sein schon zu viel, ich wollte nicht auch noch etwas werden." Ein defätistischer Glaubenssatz, den nicht nur die Bulimie-Kranke Martina aus dem "Regenroman" ebenfalls sofort unterschrieben hätte, sondern auch die essgestörte Altersgenossin Anne Strehlau aus dem Nachfolger "Dies ist kein Liebeslied" von 2002, deren Überforderung mit dem "anstrengenden" Jungsein schließlich in 117 Kilogramm Übergewicht mündete.

Die hübsche Abiturientin Alexandra Herwig aus dem neuen Duve-Roman "Taxi" passt nun in dasselbe Heldinnen-Schema einer jungen Frau mit ausgeprägter Ich-Schwäche. Denn wenngleich Alexandra, die sich Alex nennt, mit ihrem Aussehen eigentlich ganz zufrieden ist, lastet doch auch auf ihr die Bürde des Chancenvorteils "Jugend". Weswegen sie (wie schon ihre Vorgängerinnen) wichtige Entscheidungen gern anderen überlässt, vornehmlich Männern.

Dieser Hang zur Selbstentmachtung zeigt sich schon auf der ersten Seite des Romans, wo erzählt wird, dass Alex ihren Eltern zuliebe eine Ausbildung bei einer Versicherung beginnt, sie aber vorzeitig abbricht, um danach zu Fuß von ihrem Wohnort Hamburg aus Richtung München zu laufen. Alex hofft verzweifelt, "dass sich unterwegs irgendetwas ergeben könnte". Doch natürlich ergibt sich nichts. Stattdessen macht der Bruder seiner verunsicherten Schwester nach deren Rückkehr nur noch mehr Zukunftspanik: "Ich hoffe, du weißt, was du zu tun hast, wenn du in der Gosse gelandet bist." Eine Drohung, die ihr den letzten Mut raubt. Alex traut sich endgültig nichts mehr zu, kein Studium, keine gehobene Ausbildung, sondern bewirbt sich kurzerhand als Taxifahrerin. Oder, wie sie in gewohnt unsentimental-lakonischer Duve-Manier begründet: "Drückerkolonne ging nicht, weil ich ja überhaupt kein Durchsetzungsvermögen hatte."

Ähnlich wie schon Anne aus "Dies ist kein Liebeslied", die in einer Hundeleinenfabrik arbeitete, hegt auch Alex eine selbsthasserische Lust an der Kränkung und strebt von vornherein einen niederen Status an. Denn von dort kann man zumindest nicht mehr so tief fallen und weckt keine Erwartungen, die viel unberechenbarer wären als das eigene Scheitern. Was für andere nur ein Übergangsjob ist, wird für Alex deswegen zum Schicksalsschlag, dem sie fatalistisch glaubt ausgeliefert zu sein. "Ich hatte es verratzt", redet sich die junge Taxifahrerin ein, "einmal falsch abgebogen, einmal den falschen Beruf gewählt, einmal den falschen Mann geküsst und dein ganzes Leben war verkorkst." Alex fühlt sich ohnmächtig einem undurchsichtigen und unentrinnbaren Gang der Dinge unterworfen, beruflich wie privat. Dass sie ihren Kollegen Dietrich gar nicht besonders mag, verhindert weder den ersten Kuss, der "höflicherweise" erfolgt, noch fünf gemeinsame Jahre. Auch vom nervigen Taxifahrerkreis aus Möchtegern-Intellektuellen und Hobbykünstlern lässt sich die einzige Frau in der Firma in Beschlag nehmen, die schon bald nur noch "Zwodoppelvier" heißt. (Wie alle Taxifahrer wird Alex nach der Nummer ihres Dienstwagens genannt.)

Mit Rüdiger, einem besonders gehässigen Frauenhasser, der gleichzeitig mit ihr Nachtschichten fährt, streitet sich Alex zwar immer wieder hitzig herum. Ansonsten aber bleibt sie aus lauter Angst vor Enttäuschungen lieber passive Voyeurin ihrer Biographie. Oder um es mit Silvia Plath zu sagen: Duves Ich-Erzählerin verharrt wie gelähmt unter der "Glasglocke", ohne Vision für ihr Leben. Nicht ohne Grund liest Alex in ihrer Freizeit am liebsten Bücher über "große Menschenaffen", bei denen jedes Herdenmitglied von der Gemeinschaft jenen festen Platz zugewiesen bekommt, den sie für sich selbst nicht erkennen kann.

Alex fühlt sich grundsätzlich fehl am Platz, wie "ein einzelner Orang Utan . . . im Schimpansengehege", irgendwie schief in die Welt gebaut, ohne zu wissen, wie sie etwas daran ändern könnte. Ihre education sentimentale verläuft entsprechend exakt umgekehrt zum klassischen Entwicklungsroman. Während der jugendliche Held der Literaturgeschichte traditionell mit großen Erwartungen startet, die rasch an Grenzen stoßen, ist die Jobberin Alex von vornherein so desillusioniert, dass es eigentlich nur noch aufwärtsgehen kann. Dieses Aufwärts nimmt dann seinen Anfang, als Alex in Gestalt des ebenso kleinwüchsigen wie selbstbewussten Psychologiestudenten Marco endlich jemanden trifft, der ihre defätistische Weltsicht wohltuend bricht. "Interessiert dich eigentlich noch etwas anderes außer deiner miesen Laune?", fragt Marco seine neue Bekanntschaft und bringt damit nicht nur die Verweigerungshaltung von Alex auf den Punkt, sondern auch deren rabenschwarze Grundhaltung ins Wanken. Denn natürlich ist der Alltag im Taxi nicht sonderlich geeignet, die ohnehin grau-schwarze Sichtweise der Erzählerin aufzuhellen. Entpuppen sich doch die meisten Fahrgäste als höchst unsympathische, wenn nicht gefährliche Zeitgenossen. Ständig wird Alex von Kunden beschimpft, gemaßregelt, um Geld betrogen, bedroht und schikaniert. Einmal bekommt sie sogar einen Fausthieb ins Gesicht.

Fast alle dieser Anekdoten beruhen auf eigenen Erlebnissen Karen Duves, die selbst dreizehn Jahre lang in Hamburg Taxi gefahren ist, oder stammen aus dem Kreis ihrer ehemaligen Kollegen. Doch in der Reihung wirken diese mehrheitlich trüben Taxi-Episoden etwas ermüdend. Die Autorin hat die Gefahr der drohenden Eintönigkeit offenbar gespürt und begegnet ihr, indem sie die Alltagsepisoden der Diensttouren und die Privatdramen ihrer Heldin einander abwechseln lässt. Karin Duves größte Begabung zeigt sich auch in "Taxi" deutlich: Sie liegt in der pointierten Beschreibung, der genaue Beobachtung vorausgeht: "Der Flur war so trostlos wie die Gehirngänge eines Toten", heißt es etwa, wenn die Erzählerin die Wohnung eines Fahrgastes beschreibt. Ein anderes Mal sagt Alex, als sie eine Affäre mit einem benachbarten Journalisten anfängt, der sich als hyperaktiver Don Juan herausstellt: "Sein Körper schob sich wie ein Sargdeckel über mich." Das sind abgrundtief bittere, treffsichere Sätze.

GISA FUNCK

Karen Duve: "Taxi". Roman. Eichborn Verlag, Berlin 2008. 320 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.05.2008

Ein Käfig mit Ausblick in die Nacht
Nur einer Taxifahrerin glaubt man den Taxifahrerinnen-Roman: „Taxi” von Karen Duve
Mit dem Taxifahren geht es wie mit dem Alkohol: Man kommt leicht rein und schwer raus, und das Ganze ist eine Tragödie, die sich in die Langeweile verschränkt. Karen Duve hat einen dreihundertseitigen Roman darüber geschrieben. Es bedeutet mehr als bloße Neugier, wenn man erst mal herausfinden will, ob sie selbst Taxi gefahren hat. (Sie hat.) Die Bedeutung dieses Buchs, auch seine ästhetische, hängt unmittelbar daran, dass es nicht ausgedacht, sondern der eigenen Erfahrung entwachsen ist.
Das heißt nicht, dass es irgendwie den dokumentarischen Textsorten zuzurechnen wäre. Dokumentationen neigen dazu, das Klischee entweder zu bestätigen oder zu zerstören. Aber beides wird ihm nicht gerecht. Das Entscheidende am Klischee liegt darin, dass ein Außenstehender nicht zu ermessen vermag, was es heißt, dass es stimmt. Der Berufsstand des Taxifahrers ist in besonderer Weise vom Klischee geprägt – kaum ein Fernsehkrimi, in dem die Kunstlederjacke im hellelfenbeinfarbenen Benz nicht wenigstens kurz aufdunkelt. Ja, es gibt hier Raum selbst für das ausdifferenzierende Unterklischee. Was sagt ein arbeitsloser Philosoph zu einem Philosophen, der Arbeit hat? Zum Hauptbahnhof bitte! Man merkt, was für eine entlastende, erheiternde Wirkung von solcher schlagenden Abkürzung des Tatbestands ausgeht. Die Wahrheit der Welt aber besteht in ihrer gnadenlosen Ausführlichkeit. Und darum ist dieser Witz nicht lustig.
Karen Duve hat den taxifahrenden Philosophen zu einer ihrer Hauptfiguren gemacht. Er heißt Rüdiger. Sein riesiger Babyschädel wird von einer Prinz-Heinrich-Mütze bedeckt. Er liest Montherlant, Weininger, Nietzsche und überhaupt alle, in deren Werk das Weib schlecht wegkommt. Seinem Freund Dietrich, taxifahrendem Künstler, ist er hündisch ergeben und erfüllt von Eifersucht, dass der sich jetzt mehr um seine Freundin, die taxifahrende Ich-Erzählerin, kümmert und ihm keine Briefe mehr schreibt. O solche Kleinodien von Briefen! In diesem Universum verkehren Taxifahrer mit Taxifahrern; zusammen sitzen sie in einem Käfig mit Ausblick in die Nacht. Da man einander in den Pausen der Schicht nur schwer entrinnen kann, überhäuft Rüdiger die Erzählerin mit misogynen Sentenzen, die so gehässig wie jämmerlich sind. Sie steckt sie mal besser, mal schlechter weg; aber es ist das Ununterbrochene, das sie zermürbt. Nur im äußersten Notfall lässt sie sich zu der Gegen-Gemeinheit hinreißen, er solle ihr doch mal den Brief zeigen, in dem der Suhrkamp Verlag ihm angeblich die Publikation seiner Aphorismen zugesichert hätte.
„Nachts fahren und tagsüber schlafen, davon versprach ich mir mehr Abenteuer.” Täuscht sie sich darin? Nein, das nicht; bloß als die Abenteuer dann kommen, sind es keine mehr. Anfänglich wundert sie sich, dass von den Kollegen niemand ihre schwungvoll erzählten Storys hören will; aber bald schon stumpft sie selbst ab und begnügt sich ebenfalls auch beim krassesten Zwischenfall mit der achselzuckenden Bemerkung „Dreckhecken”. Dreckhecken, das sind die Fahrgäste. Der Fahrgast ist das Schwein und der Feind als solcher. Die spezielle Anekdote zieht nicht mehr. Und bald schon hört sie selbst genauso teilnahmslos den Abenteuer-Storys des je allerneuesten Kollegen zu, wohl wissend, dass er sie jetzt einfach erzählen muss und bald schon routiniert schweigen wird.
Und noch so ein Witz
Auch dem Leser ergeht es im Fortgang des Buchs ähnlich. Nach etwa einem Drittel beginnt es ihm zu langen mit den zahlungsunfähigen Betrunkenen, die den Wagen vollschweinen, mit der ewigen plumpen Anmache, mit den immer gleichen blöden Fahrgastbemerkungen – ist das denn nicht ein gefährlicher Job für eine junge Frau? –, den schmierigen Zuhältern, den hässlichen Nutten. (Der Roman spielt in Hamburg, die Reeperbahn ist nie weit weg.) „Mensch, die waren vielleicht hässlich (. . .) waren die hässlich! Ich dachte erst, das wäre die Reinigungskolonne, aber nein, das waren die Nutten selbst.” Wenn man es so zitiert, klingt es wie der Witz von vorhin; aber natürlich ist es todtraurig.
Zur Eigenart der Wahrheit gehört es, dass sie nicht aufhört, wenn man genug von ihr hat. Vielmehr nimmt sie erst jetzt die tiefere Form des bleiern Ermüdenden an. Zwölf- und sechzehnstündige Schichten sind die Regel, zwischen November und Februar sieht die Erzählerin praktisch kein Tageslicht und hält es auch später am liebsten mit dicken Vorhängen draußen, denn es schmerzt ihre Augen. Die Frage nach der Freiheit dieses Lebens stellt sich gar nicht. Und auch nicht oder kaum die Frage nach dem Unglück. Es herrscht so machtvoll, dass man es nicht mehr spürt. Mit drei Männern bekommt die Erzählerin es zu tun, mit ihrem Kollegen Dietrich, mit ihrem Nachbarn, dem Journalisten Majewski, und dem alten Schulkameraden Marco, der kurzwüchsig bis zum Zwergenhaften ist. Von allen wird sie mehr oder weniger schlecht behandelt. Marco fesselt sie mit einer Wäscheleine ans Bett, der widerwärtige Macho Majewski befördert sie mit einem Fußtritt aus seinem Sport-BMW. Aber sie scheint es irgendwie kaum zu registrieren, was da mit ihr geschieht. In ihr und um sie ist nicht so sehr Kälte als Leere. Im Italienischen bedeutet „autista” sowohl den Autofahrer als auch den Autisten. Bei Duves Buch beginnt man das Gemeinsame zu begreifen. „Im Grunde war mit jemandem zusammen zu sein nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Wenn ich nicht schlief, arbeitete ich ja ständig.” Das sind furchtbare Sätze, weil die, die sie spricht, ihr Furchtbares nicht merkt. Dass der Leser es merkt, ist das Verdienst der Art, wie Karen Duve schreibt.
Diesem Stil in seiner schnörkellosen Herbheit, von beständigem Grau und doch in den grauen Tönen fein abgestuft wie ein norddeutscher Regentag, wird man wohl am ehesten gerecht, wenn man sagt: dass er ein Gefühl für die Gefühllosigkeit hat. „Natürlich gab es noch viel Schlimmeres, als Taxifahrerin zu sein, mir fiel bloß nichts ein.” Ist das jetzt ein Trost oder eine Verschlimmerung? Jedenfalls stellt es einen ironischen und darin intelligenten Reflex dar. Das Höchste, wozu Intelligenz in dieser Welt befähigt, liegt in der Einsicht, dass sie nichts hilft. Die Erzählerin besteht das Aufnahme-Examen beim Hochbegabtenclub „Mensa”, nur um dort auf junge Männer in unerotischen Pullundern zu stoßen, die es keineswegs zu Ruhm gebracht haben; der Intelligenteste von ihnen allen fährt einen Mittelklassewagen mit dem Kennzeichen „HH - IQ 158”. Wieder einer von diesen traurigen Witzen.
So fährt sie dahin
Nur Karen Duve kann ihn machen, ohne Verrat zu üben. Man glaubt ihr aufs knappe Wort die Länge der Sache. Nur eins glaubt man ihr nicht: das Ende. Ein Fahrgast, Zirkusmensch, Dreckhecke zum Quadrat, hat einen Schimpansen dabei, den er mit der Peitsche züchtigt; die Erzählerin erträgt es nicht, schmeißt den Fahrgast raus, kidnappt den Schimpansen, der ihr dann ins Lenkrad greift und einen Totalschaden auf der Autobahn verursacht; sie verliert ihren Taxi-Führerschein und verlässt das Gewerbe. Romane, sofern sie sich dem Gang der Welt verpflichtet fühlen, hören ja generell nicht gern und nie ganz überzeugend auf, weil die Welt das eben auch nicht tut. Aber das hier ist schon ein besonderer Gewaltakt. Nicht hier liegt die Wahrheit des Buchs, sondern ziemlich genau in der Mitte, beim Auftakt des zweiten Teils, ergreifend und trostlos wie das „So lebte er hin” am Schluss von Büchners „Lenz”: „Und dann waren fünf Jahre um und ich fuhr immer noch Taxi.”BURKHARD MÜLLER
KAREN DUVE: Taxi. Roman. Eichborn Verlag, Berlin 2008. 313 Seiten, 19,95 Euro.
„Nachts fahren und tagsüber schlafen, davon versprach ich mir mehr Abenteuer.” – Ein Taxi im Einsatz in Hamburg Foto: Stefan Haertel
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"Da ist er wieder, schon auf den ersten Seiten: der unverwechselbare Ton. […] Bei dieser Autorin liegen Weisheit und Lakonie, Melancholie und wache Wahrnehmung so eng beieinander dass die Übergänge kaum wahrzunehmen sind."
(Der Spiegel, 28. April 2008)

"Karen Duves größte Begabung […] liegt in der pointierten Beschreibung, der genaue Beobachtung vorausgeht…"
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. Mai 2008)

"Aber jetzt also endlich wieder. Große Duve - Kunst. Lachen und Verzweiflung. Das wahre Leben als Horror und großer Spaß."
(Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 27. April 2008)

"Die Bedeutung dieses Buches, auch seine ästhetische, hängt unmittelbar daran, dass es nicht ausgedacht, sondern der eigenen Erfahrung entwachsen ist. […] Diesem Stil in seiner schnörkellosen Herbheit, von beständigem Grau und doch in den grauen Tönen fein abgestuft wie ein norddeutscher Regentag, wird man wohl am ehesten gerecht, wenn man sagt: dass er ein Gefühl für die Gefühllosigkeit hat."
(Süddeutsche Zeitung, 3./4. Mai 2008)

"Das alles wird im Filmtempo und mit Expression erzählt, es ist die bekannte Duve und doch ist es mehr. Wie sie ihre Natürlichkeit zur Prägung von Situationen gebraucht, wie Lakonie und Sprachwitz den Lärm der Einzelheiten bändigen, wie ein mühsam balanciertes Leben und prekäre Bemühungen um Stabilität sich aus dem Biografischen läsen und zur Figurengeschichte werden, das alles war bei Karen Duve so noch nicht zu lesen. […] Schonungslos und Wahrhaftig, doch eine unerschütterliche Ironie unterläuft jede Vereinfachung. Ein seltenes Buch."
(Frankfurter Rundschau, 27. Mai 2008)

"…ein souveränes Buch von leichter Hand, das seinen Witz aus dem absurden Alltag seiner Protagonisten zieht."
(Die Welt, 24. Mai 20087)

"Duve hat keinen deprimierenden Roman geschrieben. Er ist durchzogen von einem erfrischendem Menschhass. Dass viele Menschen Nieten sind, mag keine Neuigkeit sein, aber über eine so wohldurchdachte Palette an Erbärmlichkeit hat man selten gelesen."
(Welt am Sonntag 11. Mai 2008)

"Taxi erzählt vom Alltag im Auto — pointiert, komisch, blitzgescheit."
(Focus, 10. Mai 2008)

"…erzählt er in der für Karen Duve typisch spröden Komik vom Alltag zwischen Kurzstrecke und Warteschlange. Um Sehnsüchte und enttäuschte Hoffnungen geht es, Neurosen und Liebe, das Leben eben, das in verschiedener Gestalt auf dem siffigen Kunstleder der Funknummer Zwodoppelvier Platz nimmt."
(Der Tagesspiegel, 4. Mai 2008)

"Ein Buch, das eigentlich jeder lesen sollte, der schon mal in einem Taxi gesessen hat. Egal auf welchem Platz."
(Brigitte, 7. Mai 2008)

"Tolle Alltags-Szenen mit Tempo, Humor und tiefem Verständnis für das Drama, eine Frau zu sein."
(petra, Juni 2008)

"Karen Duves sehr amüsanter und zugleich deprimierender Roman ist gerade in seiner Schilderung banalster Alltäglichkeiten brillant. Mit schnoddrigem Sarkasmus und einem gnadenlosen Blick porträtiert sie die Fahrer und ihre Gäste, eine Welt zwischen Bordell und Staatsoper,…"
(Bücher, Juni/Juli 2008)

"Wunderbar."
(Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 24. Mai 2008)

"[…] eines urkomischen und todtraurigen Romans, eines Romans, geschrieben voller Erbarmen für die Schwachen und Leisen, voller Wut auf die Starken und Lauten in dieser hupenden Welt."
(Tages-Anzeiger, 2. Juni 2008)

"…so lebendig und mit trockenem Humor beschrieben, dass man beim Lesen richtig in Fahrt kommt."
(myself, Juni 2008)

"Ein Auto al die (nach dem Beichtstuhl) kleinste Bühne der Welt"
(Vanity Fair, 14. Mai 2008)

"…überzeugt auch in Â"TaxiÂ" ihr unverkennbarer Stil und ihr untrügliches Gespür für bizarre Situationen und absurde Dialoge."
(dpa, Mai 2008)

"Taxi ist eine kleine literarische Vergnügungsfahrt ."
(Hannoversche Allgemeine Zeitung, 20. Mai 2008)

"So eine spannende Fahrt hatte wir selten. Duve hat ein saftiges Trinkgeld verdient."
(Frankfurter Neue Presse, 8. Mai 2008)

"…trockenhumorig, lakonisch, doppelbödig, wach in der Wahrnehmung und oft mit feinen Pointen versehen…"
(Hamburger Abendblatt, 7. Mai 2008)

"…Chronik eine Selbstzerstörung bis zum Umkippen ins Komische und Lächerliche. Nur zieht sie die Register des Humors besser als je zuvor."
(Hessischer Rundfunk — Mikado, 7. Mai 2008)

"Was für ein Buch! Rasant, böse, witzig geschrieben — mit einer Lakonie, die ihresgleichen sucht."
(NDR Kultur, 4. mai 2008)

"Die Wirklichkeit in Karen Duves Romanen ist banal, grausam und auf eine an Irrsinn grenzende Art witzig und dabei äußerst unterhaltsam."
(Bayerischer Rundfunk- kulturWelt, 14. Mai 2008)

"…dieser Roman ist ein kurzweiliges On-The-Road-Erlebnis, eine facettenreiche Schilderung all dessen, was die Lust und den Frust einer Taxifahrt in der Nachtschicht ausmacht"
(Radio Bremen, 22. Mai 2008)

"Antiheldin Alex jobbt […] als Taxifahrerin. Was ihr dabei widerfährt, erzählt dieser amüsante Roman."
(Bunte, 17. April 2008)

"Ein sehr vergnügliches Roadmovie."
(Für Sie, 13. Mai 2008)

"…ein interessantes Sittenporträt, knapp, mit Zuspitzungen."
(Freie Presse, 23. Mai 2008)

"Es ist diese feine Balance zwischen Witz und Wehmut, die ihre Texte auszeichnet."
(Sächsische Zeitung, 31. Mai/1. Juni 2008)

"…erzählt mit der ihr eigenen komischen Lakonie und einer Unbarmherzigkeit, die auch die unschönen Seiten ihrer Heldin ausleuchtet."
(Kieler Nachrichten, 14. Mai 2008)

"…nimmt ihre Leser mit auf eine Tour in die skurrile Welt Hamburger Taxifahrer, in der sie jahrelang zu hause war."
(Saarbrücker Zeitung, 23. Mai 2008)

"Das alles wird mit Filmtempo und Expression erzählt, es ist die bekannte Duve, und doch ist es mehr. Wie die Schriftstellerin ihre Natürlichkeit zur Prägung von Situationen gebraucht, wie Lakonie und Sprachwitz den Lärm der Einzelheiten bändige, wie ein mühsam balanciertes Leben und Bemühungen um Stabilität sich aus dem Biografischen lösen und zur Figurengeschichte werden, das alles war bei Karen Duve so noch nicht zu lesen."
(Badische Zeitung, 24. Mai 2008)

"Duves drastische, harte, kraftvolle und direkte Sprache mit Melancholieanteilen ist ihre Stärke. Sie ist es, die Duves Romane unverwechselbar macht…"
(Westfälische Rundschau, 24. Mai 2008)

"Niemand schreibt so klar, böse und komisch über ebenso liebenswerte wie lebensuntüchtige Loser, ihre Depressionen, Ã'ngste, Selbstzweifel."
(Bielefelder, Mai 2008)

"Typisch Karen Duve — eigenwillig, böse, grundehrlich, schwarzhumorig"
(Glamour, 29. April 2008)

"Erbarmungslos ehrlich!"
(in — Das StarMagazin, 8. Mai 2008)

"Ein Gesellschaftsroman mit Tempo, Situationskomik und viel Verständnis für die Wiedersprüche des Geschlechterkampfes. Lässig, witzig und überzeugend."
(OK!, 30. April 2008)

”Ihre eleganten Miniaturen rund um Beobachtungen im Rückspiegel sind grandios.“ (Celebrity, 1. Juli 2008)

”Karen Duve ist mit 'Taxi' ein hinreißendes Buch gelungen. Lakonisch, komisch, tiefsinnig und einfach lebendig. Und deshalb ist ihr auch zu verzeihen, dass man nie wieder unbeschwert in ein Taxi einsteigt. Der Roman ist diesen Preis allemal wert.“ (Rheinische Post, Martina Stöcker, 16. Juli 2008)
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensent Dirk Knipphals gibt sich in seiner eingehenden Kritik viel Mühe, dem neuen Roman von Karen Duve Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, doch seine Bilanz fällt negativ aus. Die Autorin, die er als Meisterin von Schlechte-Laune-Beschreibungen würdigt, schildert in ihrem Roman das irgendwie ins Leere laufende Leben ihrer Ich-Erzählerin, die sich als Taxi-Fahrerin im Hamburg der 80er Jahre über Wasser hält. Keine Frage, in der Schilderung von anekdotischen Begegnungen mit den verschiedensten Fahrgästen glänzt die Autorin, und sie hat in diesem Roman durchaus viele im Gedächtnis haften bleibende Episoden versammelt, lobt der Rezensent ausdrücklich. Was ihm fehlt, ist der Bogen, der die geglückten Episoden zu einem großen Ganzen spannt. In der Konzentration auf die glücklose Heldin wirkt der Roman auf Knipphals zudem reichlich narzisstisch. Die anderen, im Lauf des Buches auftretenden Figuren bleiben für Knipphals dagegen ziemlich blutleer; insbesondere die weiblichen nerven ihn durch ihre Negativität und "Entscheidungsschwäche". Den Schluss schließlich, bei dem die Hauptfigur mit einem Affen als letztem Fahrgast einen Unfall mit Totalschaden baut, findet Knipphals völlig "misslungen". Ach, was hätte aus diesem Taxi-Roman alles werden können, klagt der Rezensent, der der Autorin am Ende sogar "Arbeitsverweigerung" vorwirft, weil sie zwar viel angerissen, aber nichts so recht durchgearbeitet habe.

© Perlentaucher Medien GmbH
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