Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 7,70 €
  • Gebundenes Buch

Rom war Haupt eines antiken Weltreichs, dann Zentrum der weltumspannenden Kirche und Sitz des Papsttums: All das hat zahllose Zeugnisse hinterlassen, die heute noch sichtbar sind und die Wahrnehmung prägen von Rom, der ,Ewigen''. Und dennoch: Die Stadt, wie sie heute dem Besucher entgegentritt, ist das Produkt einer Entwicklung, die vor nicht einmal 150 Jahren erst begonnen hat.Als das Rom der Päpste 1870 von dem jungen Königreich Italien in Besitz genommen wurde, war es zwar reich an ehrwürdigen Denkmälern aller Epochen; aber ihm fehlte alles, was nach den großen Vorbildern von London oder…mehr

Produktbeschreibung
Rom war Haupt eines antiken Weltreichs, dann Zentrum der weltumspannenden Kirche und Sitz des Papsttums: All das hat zahllose Zeugnisse hinterlassen, die heute noch sichtbar sind und die Wahrnehmung prägen von Rom, der ,Ewigen''. Und dennoch: Die Stadt, wie sie heute dem Besucher entgegentritt, ist das Produkt einer Entwicklung, die vor nicht einmal 150 Jahren erst begonnen hat.Als das Rom der Päpste 1870 von dem jungen Königreich Italien in Besitz genommen wurde, war es zwar reich an ehrwürdigen Denkmälern aller Epochen; aber ihm fehlte alles, was nach den großen Vorbildern von London oder Paris die Hauptstadt eines modernen Staates ausmachte.Wie aus dieser malerisch verwahrlosten, gleichsam aus der Zeit gefallenen Stadt des Stillstandes die Kapitale des heutigen Italien wurde, ist das Thema dieses Buches.
Autorenporträt
Franz Bauer, Dr. phil., geb. 1952, 1991/92 Gastdozent am DHI Rom, seit 1995 Ordinarius für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.09.2009

Superblocco
Hier ging’s mit Furie ans Werk: Franz J. Bauers brillante Geschichte des modernen Rom
Die Stadt Rom ist das begehbare Realsymbol der europäischen Kultur. Hier werden ihre Zusammenhänge anschaulich und greifbar wie nirgendwo sonst: der Zusammenklang von heidnisch-antikem Fundament mit christlich-päpstlicher Neugründung und der daraus entspringende unendlich fruchtbare Mechanismus ästhetischer Reprisen und Renaissancen. Für deutsche Rom-Besucher pflegt dieser gigantische Kurs kurz vor dem Zeitalter Goethes zu enden, im Hochbarock mit seinen Kirchen, Plätzen und Brunnen. Der Rest ist Literatur: zahllose Italienische Reisen, die Geschichtsepen von Mommsen und Gregorovius, die Künstlerbiographien von Herman Grimm und Carl Justis „Leben Winckelmanns”.
Dabei muss man viel übersehen, denn die Geschichte der Stadt Rom ging weiter. Das größte Bauwerk der Stadt neben dem antiken Colosseum und dem katholischen Petersdom ist ein unchristlicher Altar des Vaterlands. Ihre höchste Erhebung am Gianicolo trägt nicht das Standbild eines Apostels, sondern die Reiterstatue eines modernen Freischärlers, der den Katholizismus verachtete: Giuseppe Garibaldi. Am Sockel darunter liest man eine politische Parole von heidnischer Gewaltsamkeit: Roma o morte – Rom oder der Tod.
Das war der Schlachtruf der Italiener, die seit 1848 die Ewige Stadt der erdumspannenden Kirche entwinden und einen bisher ökumenischen Besitz nationalisieren wollten; was ihnen 1870 im Schatten des deutsch-französischen Krieges endlich gelang. Seither ist Rom gleichzeitig die Hauptstadt eines modernen Staates und der Sitz einer Weltreligion, und dies wunderbarerweise ganz friedlich, wenn auch nach einem generationenlangen Konflikt, der erst 1929 mit der gegenseitigen Anerkennung von Vatikanstaat und Italien gelöst werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt regierte längst ein moderner Imperator Italien, der Duce Mussolini, der auch die Stadt Rom ein letztes Mal radikal umbaute, in einem neuheidnischen, gewaltsamen Stil von schillernder Modernität.
Diesen großen Vorgang, der das Jahrhundert von 1848 bis 1943 umspannt, erzählt in deutscher Sprache zum ersten Mal umfassend der Regensburger Historiker Franz J. Bauer. Sein zupackendes, knappes und doch anschauliches Buch bewältigt souverän den Dreiklang, den dieser Stoff verlangt: Politische Geschichte, Ideologiegeschichte und architektonische Stadtgeschichte müssen in ein Gleichgewicht kommen, das die Wechselbeziehungen sichtbar macht, ohne einen Faktor einseitig zu bevorzugen. Angesichts solcher Schwierigkeit nötigt die Leichthändigkeit von Bauers Synthese Bewunderung ab – eine enorme, hierzulande kaum bekannte italienische Forschung wird dabei jedem Gebildeten zugänglich.
Der Leser erfährt, wie das päpstliche Rom aussah, die scheinbar zeitlose Ruinenkapitale von Religion und Bildung; er sieht, wie in dieses Reservat Alteuropas das Neue einbricht, eine moderne Hauptstadt mit Hof, Parlament und Ministerien. „Man baut mit Furie”, schrieben entnervte deutsche Bildungsreisende, und mancher Bewohner Ostberlins konnte es ihnen in den letzten zwanzig Jahren nachfühlen. Das neue Rom hat zu kämpfen: Alles in der Stadt spricht von glorreicher Vergangenheit, also müssen neue Denkmäler, breite Straßen, große Plätze her, gebauter Liberalismus mit vielen historischen Zitaten. Jetzt wird das hellenistisch-römisch-moderne Monstrum am Kapitol entworfen, in dessen Mitte ein zwergenhafter König über der Stadtgöttin reitet, den stolzen Blick auf die Peterskuppel geheftet.
Gleichzeitig wächst die Bevölkerung von 200 000 auf eine halbe Million Einwohner, die Bauindustrie boomt, Rom bekommt „amerikanische” Neubauviertel, bald aber münden Finanzkrisen auch in Immobilienpleiten. Trotzdem entwickelt Rom bis 1914 eine moderne Stadtplanung, einen rationalen Wohnungsbau, der sich neben Berlin und Paris nicht verstecken muss. Ja, im Faschismus wird hier eine Alternative zur Stahl-, Beton- und Glasmoderne des Bauhauses entwickelt, die – dem südlichen Klima mit seinen Kühlungsbedürfnissen angepasst – an Stein und Ziegel festhält und heute längst wiederentdeckt wurde. Doch die faschistische Rom-Ideologie hält sich nicht bei noch so imponierender urbanistischer Bedürfnisbefriedigung für eine weiter wachsende Stadt auf. Sie rasiert mit antiliberaler und antihumanitärer Geste altes Gewinkel zwischen isolierten und ins Heroische vereinsamten Denkmälern der Vorzeit.
Die barocken Sichtachsen zwischen den Obelisken bekommen Konkurrenz durch eine breite Prachtstraße zwischen Kapitol und Colosseum für Aufmärsche, Reden und Rituale. In Rom wird der Stil der totalitären Epoche, der bis in Speers Berlin und Stalins Moskau ausstrahlt, mitbegründet. Im monumental modernen Projekt der EUR, des für 1942 geplanten Weltausstellungsviertels an der Straße nach Ostia, mündet der faschistische Gewaltstil in eine unfertige Baustelle, in der dann die leichtlebigeren fünfziger Jahre fast bruchlos weitermachen konnten – in den Filmen Federico Fellinis lässt es sich traumhaft besichtigen.
Dieses Buch gehört ins Gepäck jedes Rom-Fahrers, der Zeit für mehr als die üblichen zehn Höhepunkte hat und der seine Aufmerksamkeit nicht nur Renaissance-Palästen widmen will, sondern auch der babylonischen Modernität eines „Superblocco” am Viale Eritrea aus den zwanziger Jahren. GUSTAV SEIBT
FRANZ J. BAUER: Rom im 19. und 20. Jahrhundert. Konstruktion eines Mythos. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2009. 352 S., 34,90 Euro.
Der Duce baute Rom ein letztes Mal um, in einem neuheidnischen, gewaltsamen Stil
Einer der Dioskuren vor dem „Palazzo della Civiltà italiana” im Stadtviertel EUR in Rom. Das Gebäude wurde von den Architekten Giovanni Guerrini, Ernesto Bruno La Padula und Mario Romano entworfen und zwischen 1938 und 1943 erbaut. Foto: Siephoto / Masterfile
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hellauf begeistert ist Gustav Seibt von Franz J. Bauers Geschichte Roms im 19. und 20. Jahrhunderts. Angesichts der Anforderung eines sehr komplexen Geflechts von politischer, ideologiehistorischer und architektonischer Geschichte, imponiert es dem Rezensenten gewaltig, mit welcher Leichtigkeit dies dem Autor in seiner knappen und zugleich plastischen Darstellung gelingt. Bei Bauer werden die Zusammenhänge deutlich, und er führt dabei kenntnisreich in die italienische Forschung ein, preist Seibt. Dieses Buch, so jubelt der Rezensent, sollte bei jedem Rombesucher von heute im Gepäck sein, der sich über die ungleich stärker beachteten Epochen der Antike oder Renaissance hinaus für die Geschicke der Stadt interessiert.

© Perlentaucher Medien GmbH