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William Heller ist sechzehn, schizophren und glaubt, nur er kann die Welt vor dem Untergang retten. Verfolgt von einem Profiler des NYPD, der vielleicht genauso verrückt ist wie er, hetzt er durch die Tunnel des New Yorker U-Bahn-Systems ... John Wray schreibt mit der zwingenden Logik der Paranoia: apokalyptisch, visionär.
"Durch die Fenster von John Wrays ratterndem U-Bahn-Express erspähen wir das tiefe Dunkel in der menschlichen Seele." Colson Whitehead
"Amerikas originellster junger Schriftsteller hat uns einen Holden Caulfield für unsere Ära geschenkt." Gary Shteyngart
"Am Anfang
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Produktbeschreibung
William Heller ist sechzehn, schizophren und glaubt, nur er kann die Welt vor dem Untergang retten. Verfolgt von einem Profiler des NYPD, der vielleicht genauso verrückt ist wie er, hetzt er durch die Tunnel des New Yorker U-Bahn-Systems ...
John Wray schreibt mit der zwingenden Logik der Paranoia: apokalyptisch, visionär.

"Durch die Fenster von John Wrays ratterndem U-Bahn-Express erspähen wir das tiefe Dunkel in der menschlichen Seele."
Colson Whitehead

"Amerikas originellster junger Schriftsteller hat uns einen Holden Caulfield für unsere Ära geschenkt."
Gary Shteyngart

"Am Anfang denkt man an Salinger, aber das Finale und der bleibende Nachgeschmack lassen den erstaunten Leser 'Dostojewski' flüstern.
Ja - es ist wirklich so exzellent!"
The Kirkus Reviews

"Über diesen John Wray wird man noch viel reden müssen - und das ist gut so."
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Autorenporträt
John Wray wurde 1971 in Washington/USA als Sohn eines amerikanischen Vaters und einer österreichischen Mutter geboren. Studium am Oberlin College, an der Columbia University und an der Universität Wien. Er lebt derzeit als freier Schriftsteller in Brooklyn, N.Y. und Friesach (Kärnten). 2007 wurde er von dem bekannten Literaturmagazin Granta unter die 20 besten jungen US-Autoren gewählt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.03.2009

Licht inmitten des Tunnels

Schon sein Debüt "Die rechte Hand des Schlafes" war ein kleines Wunder. Jetzt gibt es einen neuen Roman von John Wray: "Retter der Welt". Er hat das Zeug zum Klassiker.

Von Felicitas von Lovenberg

Heile Menschen trifft man in der Literatur noch seltener als im Leben. Aber auch wenn die Grenzen zwischen Realität und Vorstellung dort wie hier fließend sind, gehören doch Mut und Können dazu, einen Schizophrenen zum Helden eines Romans zu machen. Dass John Wray beides in hohem Maße besitzt, macht "Retter der Welt" zu einem herausragenden Werk.

Der Roman erzählt von einem Tag der Freiheit im Leben des William Heller. William, der sich selbst "Lowboy" nennt, wie der Roman im Original heißt, ist sechzehn Jahre alt und paranoid schizophren, weshalb er die letzten anderthalb Jahre nicht bei seiner Mutter Violet, sondern in einer Klinik verbracht hat, wo man seine Medikation eingestellt hat. Kurz vor dem Tag, an dem er endlich entlassen werden sollte, hat er die Tabletten heimlich abgesetzt und sich an die Oberfläche seines Bewusstseins zurückgekämpft. So schafft er es, den Pflegern zu entwischen, die ihn nach Hause begleiten sollten. Nun, da er mit der Subway durch den Untergrund New Yorks kreuzt, fühlt er so etwas wie Glück in sich aufsteigen, denn die Zugfahrt entspannt ihn: "Sein verkrampftes, klaustrophobisches Hirn empfand etwas wie Zuneigung für den Tunnel. Es war schließlich sein Kopf, der ihn gefangenhielt, nicht der Tunnel, die anderen Passagiere oder der Zug."

William ist von einer Mission beseelt: Er ist überzeugt, dass die Welt in wenigen Stunden untergehen wird - und dass er berufen ist, sie zu retten. Als Einziger hat er die Zeichen erkannt und gedeutet, und jetzt muss er sich beeilen und die überhitzte Welt abkühlen, bevor sie verglüht. Lektürefetzen zur Klimakatastrophe haben sich in seinem Kopf mit diffusen Erlösungsphantasien zu einer bizarren, in sich aber vollkommen schlüssigen Überzeugung verquickt: Die Welt ist in ihm, deshalb kann er sie, indem er sich selbst abkühlt, mitabkühlen. Für diesen Temperatursturz aber muss er ein Opfer bringen, das ihn, ganz wie der Anblick von Geld, mit Sehnsucht und Ekel zugleich erfüllt: Er muss mit jemandem Sex haben. William, der die Entzugserscheinungen seines Körpers so wenig einordnen kann wie das Verhalten der Menschen um ihn herum, ist sich der Fragilität seines Zustands und seiner aufzuckenden Erleuchtung bewusst: "Wenn er jetzt unachtsam wurde, konnte er von dem Weg abkommen, den sein Ruf ihm wies, konnte ihn mit etwas anderem verwechseln oder ihn vielleicht sogar ganz vergessen."

Williams Odysee durch das U-Bahn-System von New York wechselt sich ab mit der Schilderung dessen, was hoch oben geschieht, im Tageslicht vermeintlicher Normalität. Die Polizei ist wegen des entlaufenen Patienten alarmiert worden, und der mit dem Fall betraute Detective versucht in Gesprächen mit Williams Mutter Violet die Krankengeschichte und damit auch das Verhalten des Jungen besser zu verstehen. Grund zur Sorge und Eile besteht, weil William, bevor er in die Klinik kam, seine Freundin Emily auf die U-Bahn-Gleise gestoßen hatte. Zwar ist sie mit dem Leben davongekommen, aber die Polizei geht davon aus, dass Will erneut gewalttätig werden könnte, wenn er sich in die Enge getrieben fühlt. Ihn einzufangen erweist sich jedoch als überraschend schwierig. Und während der Junge seinen Verfolgern unter der Erde Haken schlagend und Züge wechselnd immer wieder entkommt, erscheint Detective Ali Lateef, der hoch über ihm seine Winkelzüge nachzuvollziehen sucht, immer mehr als eine Art Spiegelbild: ein Mann, der seinen Namen nicht mag, der Anagramme und Rätsel liebt und der immer mehr in den Bann von Williams rätselhafter Mutter gerät. Lateef entschlüsselt auch die Botschaft, die Will ihr hinterlassen hat: "Ich moechte mich Dir oeffnen wie eine Blume Violet. Wie eine Bluete in einem Gedicht. Ich denke das wuerde helfen denn die Welt ist in mir und das wird/koennte helfen die Welt abzukuehlen."

Der Roman ist ein Fest für Freunde von Codes und Mustern, doch in ihrer Entzifferung liegt nicht der Anspruch dieses erstaunlichen Buches, dessen Lektüre Wills Fahrt mit der U-Bahn ähnelt: Man steigt ein und darf sich getrost darauf verlassen, dass der Tunnel, diese Megametapher des Romans, die Richtung vorgibt, dass die Erzählung trägt. Am Ende fühlt sogar Lateef den Sog: "Er spürte jetzt immer stärker den bedrückenden Zugriff des Tunnels, seine Macht, der er sich nicht entziehen konnte. Vielleicht liegt es daran, dachte er. Wir haben hier nichts mitzureden. Wir können weder die Geschwindigkeit beeinflussen noch die Reihenfolge der Stationen."

So ergiebig und befriedigend Deutungen sein können - es gibt Kunstwerke, die ihre Wucht vor allem dann entfalten, wenn man sich ihnen überlässt. Zu ihnen gehört "Retter der Welt". Williams Gedanken und Aktionen folgen einer eigenen Ordnung, die man nicht verstehen, aber akzeptieren muss. Die Durchlässigkeit dieses Helden ist erschreckend und anrührend. Will scheint auf in den gleichgültigen, verwunderten, verächtlichen, neugierigen oder zärtlichen Blicken der Menschen, denen er begegnet. Umgekehrt wirkt seine Wahrnehmung der anderen wie ein Spotlicht: "Er konnte wie jedes andere Kind auch die Unterschiede zwischen Menschen wahrnehmen", erklärt Violet Heller es dem Polizisten, "war aber offenbar unfähig, Menschen in Gruppen oder Klassen einzuordnen. Er sah immer nur die einzelnen Menschen selbst, die Individuen." Fluch oder Gabe einer dauernden Anstrengung.

Kurzzeitig schließt William sich einer Obdachlosen an, aber vor allem sucht er Emily, die ihm, trotz des Schocks der früheren Erfahrung, erneut in den U-Bahn-Schacht hinunterfolgt. Es steckt eine stille, traurige Liebesgeschichte in diesem kurzen Wiedersehen zwischen zweien, die nicht mehr dieselbe Sprache sprechen. Sie können die Kluft ignorieren, aber nicht überspringen. In einer der eindringlichsten Szenen will William in einer Bäckerei für Emily Kuchen kaufen. Als die Verkäuferin ihm nach einigen Anlaufschwierigkeiten endlich die Cupcakes eingepackt hat, packt ihn das Grauen - und er stürzt ohne seinen Einkauf aus dem Laden.

Man kann diesen Roman, in dem ein Gejagter die Welt retten will, fast wie einen Thriller lesen, zumal die Schilderungen von Lateefs und Violets hektischer Suche nach Will die Handlung mit Macht vorantreiben, um sie dann wieder in der stickigen Luft des Subway mit William um Atem und Kühle ringen zu lassen. Wray erzeugt Spannung und Aufmerksamkeit, aber kein Mitgefühl im herkömmlichen Sinne, weil sein Protagonist kein Leidender ist. Die Störung ist Teil seiner Identität, und in seinen befremdet-interessiert-irritierten Beobachtungen steckt weniger wohlfeile Zivilisationskritik denn surreale Komik. Manchmal kommen Will Zweifel an seiner Berufung, etwa beim Betrachten eines herumliegenden Pornohefts: "Als Lowboy die Zeitschrift durchblätterte und alle wichtigen Details in sich aufnahm, fragte er sich, ob es die Welt nicht verdient hatte, unterzugehen. Ich werde die halbe Welt retten, beschloss er."

John Wray, 1971 als Sohn einer österreichischen Onkologin und eines amerikanischen Leukämieforschers in Washington geboren, sei "der einzige junge New Yorker Romancier, der aus dem Amerikanischen zwanglos ins Österreichische wechseln kann, mitsamt den Kärntner Vokalen", schrieb Peter Demetz 2003 aus Anlass von Wrays Debüt "Die rechte Hand des Schlafes" in dieser Zeitung. Von dem Nachfolger, "Canaan's Tongue", war die englischsprachige Kritik ähnlich begeistert wie von dem Debüt; dieses Buch ist allerdings bisher nicht übersetzt. Mit "Retter der Welt", jetzt in der glänzenden Übertragung von Peter Knecht zeitgleich mit dem amerikanischen Original erschienen, legt Wray die höchst zeitgemäße Variation eines zeitlosen Themas vor.

Trotz ihres angeborenen Misstrauens gegenüber den Pumperlgesunden hat die moderne Literatur eine Scheu im Umgang mit den Geisteskranken, wie es sie in früheren Zeiten nicht gab. Natürlich spiegelt sich darin die Haltung einer Gesellschaft, die das, was nicht der Norm entspricht, den Blicken entzieht. John Wray schiebt diesen Schleier weg, ohne daraus ein Programm oder gar eine Botschaft zu machen. Lowboys Geschichte ist eine Tragödie pathologischer Empfindsamkeit, wie sie etwa J. D. Salinger mit dem "Fänger im Roggen" und Ralph Ellison im "Unsichtbaren Mann" erzählt haben - vor allem aber Dostojewski, die graue Eminenz dieses Buchs. Die Welt ist voller Zeichen und Codes. In "Retter der Welt" verdichten sie sich zu einer einzigen Gewissheit: der, einen großen Roman in Händen zu halten.

John Wray: "Retter der Welt". Roman. Aus dem Amerikanischen von Peter Knecht. Rowohlt Verlag, Reinbek 2009. 348 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Schon mit seinem ersten Roman "Die rechte Hand des Schlafs" hatte John Wray dem Rezensenten Klaus Harpprecht großes "Leser- und Kritikerglück" bereitet. Nun, mit seinem dritten Roman, hat er sich nach Harrpechts Dafürhalten in Hinsicht auf "Gaben und die handwerkliche Sicherheit" noch gesteigert. Für "groß, in manchen Passagen sogar genial" hält Harpprecht den "Retter der Welt", dessen Geschichte ihn atemlos gelassen hat: Die Geschichte eines erbarmungswürdigen kranken Jungen, dem die Mutter und ein Detective durch die Schächte der New Yorker U-Bahn hinterherherjagen, um Unglück zu verhindern. Und wie tief Wray dabei in die "Hell-dunkel, die Traum-, die Angst-, die Übermenschen-Welt der Krankheit" dringt, wie sorgsam er sprachlich Unter- und Oberwelt trennt und doch deutlich macht, dass die Welt außerhalb der Irrenanstalt auch ihre paranoiden und schizophren Logiken hat, das hat Harpprecht tief imponiert. Die Übersetzung von Peter Knecht liest sich für ihn, wie er abschließend lobt, als hätte sie Wray selbst geschrieben.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.07.2009

Im U-Bahnnetz der Seele
Paranoia in Zellophan: John Wrays rasanter Roman „Retter der Welt”
Lowboy trägt die ganze Welt in sich. Und die Welt ist kurz davor zu explodieren, zu verglühen. Jedenfalls ist William Heller, der sich selbst Lowboy nennt, davon überzeugt; ebenso davon, dass er allein in der Lage ist, die Katastrophe zu verhindern. Durch sein Bewusstsein strömen permanent disparate Gedankenfetzen, die sich nur für ihn selbst zu einem verständlichen Ganzen zusammenfügen: Klimakatastrophenszenarien, Erlösungs- und Allmachtsphantasien, Angstschübe. William Heller ist 16 Jahre alt und paranoid schizophren.
Nach einem achtzehnmonatigen Aufenthalt in einer Klinik (von ihm als „die Schule” bezeichnet), soll er nun unter Aufsicht zurück nach Hause, zu seiner Mutter gebracht werden. Der Vater, ein berühmter Jazzmusiker, ist bereits vor Jahren gestorben. Doch William hat in den Wochen vor seiner Entlassung seine Tabletten nicht eingenommen und ist wach genug, um seinen beiden Begleitern in der U-Bahn zu entkommen. Nun ist Lowboy allein im Bauch von New York, allein mit sich und der ganzen Welt in seinem Kopf. Währenddessen begibt man sich in der vermeintlich normalen Welt oben auf die Suche nach Lowboy, dessen Gewaltpotential nicht sicher eingeschätzt werden kann – kurz vor seiner Einweisung hat er seine Freundin Emily auf die Gleise der U-Bahn gestoßen, wo sie in letzter Sekunde gerettet werden konnte.
Ein jugendlicher psychisch kranker Held also, eine wilde Verfolgungsjagd und eine doppelte Liebesgeschichte noch dazu, die sich, entsprechend dem Romanpersonal, auf ebenso schwankendem Boden abspielt wie überhaupt alles in John Wrays Roman. Der 1971 in Washington, D.C. geborene Autor hat sich, das zeigt die Danksagung am Ende, tief hineingearbeitet in die Gedankenwelten seiner Protagonisten. Umso höher ist es ihm anzurechnen, dass das Ergebnis der Recherchen weder reißerische Effekthascherei noch unausgegorene Phrasen sind: „Retter der Welt” ist ein von Beginn an packendes, motivreiches und intelligent angelegtes Buch. Verschlüsselung, Zeichenhaftigkeit und Doppelung – das sind nur einige der Hauptmotive des Romans. Lowboy alias William und diverse Gestalten, denen er begegnet, unten; oben seine österreichische Mutter Yda (von William Violet genannt) und ein schwarzer Detective namens Ali Lateef, geboren unter dem Namen Rufus Lamarck White, in den sechziger Jahren von seinem Vater umbenannt. Identitätsspaltungen, wohin man auch schaut. Gesund in einem medizinischen Sinn, das wird schnell klar, ist hier niemand; eine Feststellung, die auch auf die sorgfältig ausgearbeiteten Nebenfiguren des Romans zutreffen dürfte.
In zwei gegeneinander geschnittenen Handlungssträngen jagt John Wray Flüchtende und Suchende hinter- und nebeneinander her. Während William seine Freundin Emily an der Schule abfängt und diese sich einmal mehr in den Bann seiner undurchdringlich-faszinierenden Aura begibt, fühlt Lateef sich zusehends angezogen von Violet, deren Verhaltensmuster ihn, den erfahrenen Zeichendeuter, vor immer größere Rätsel stellen. Und auch für William ist die Welt voller Zeichen.
Ansteigende Hitze
Jeder Schritt, jede Bewegung, jede noch so kleine Begebenheit im New Yorker U-Bahnnetz bekommen eine Bedeutung: „Ein Fetzen von der Zellophanhülle einer Zigarettenschachtel huschte über den Bahnsteig, tänzelte kokett an der Bank vorbei: ein scheues Omen. Ein Vorzeichen. Er drückte das Gesicht gegen seine Knie und atmete keuchend.” So kann das Leben in sich zur Hölle werden. Die Hitze steigt in Lowboy, der sich in einer Welt voller Kulissen bewegt und dessen Zustand einer pulsierenden, vibrierenden Spannung den Roman vorantreibt und aus ihm herausstrahlt.
„Retter der Welt” ist ein Stationendrama, das sich problemlos auch als Thriller lesen lässt. Nichts raunt darin, nichts wird vergeheimnist. In einer klaren Sprache bekommt man die Innenarchitektur eines Kranken vorgeführt. William schlägt Haken, innerlich und äußerlich; leicht zu fassen ist er nicht. Er schließt sich einer Obdachlosen an, die versucht, ihn zu verführen; später landet er in den Fängen einer Prostituierten und deren Zuhälter, die ihn ausnehmen wollen. Mal ist Lateef dicht hinter ihm, mal begegnen sie sich in zwei aneinander vorbei fahrenden Zügen.
Die Rasanz, mit der sich „Retter der Welt” auf sein schon auf den ersten Seiten angedeutetes ungutes Ende hin zubewegt, ist vergleichbar mit der von Lowboy bevorzugtem Verkehrsmittel. Durchaus bezeichnend, dass Ali Lateef sich dagegen mit einem grauen Ökoauto durch die Straßen von New York bewegt.
Es gehört zum Krankheitsbild des Schizophrenen, sich nicht krank zu fühlen, sondern lediglich in einer Form von selbst zugeschriebener Hellsichtigkeit die Kluft zwischen sich und den anderen zu verbreitern.
Die Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit ebnet sich auch in Lowboy ein. Ohne den schützenden Mantel der Psychopharmaka drängen die Affekte nach oben, auch die einer bis dahin verdrängten oder kaltgestellten Sexualität. Geradezu brillant durchkreuzt John Wray immer wieder Szenen des Alltags mit Lowboys von Angst und Panik erfüllter Psyche, sei es der Kauf einer Hose, sei es eine schlichte Umarmung oder sei es der Kauf eines Kuchens in einer Bäckerei, den John Wray in quälender Echtzeit erzählt. Doch was auch immer Lowboy unternimmt, welche Wege er oder seine Verfolger auch immer beschreiten – John Wray hat sich nicht in die Irre führen lassen. Sein kühn angelegter Roman ist die präzise und ästhetisch plausible Darstellung einer Normalität, die auf deren Gegenteil basiert.
CHRISTOPH SCHRÖDER
JOHN WRAY: Retter der Welt. Roman. Aus dem Englischen von Peter Knecht. Rowohlt Verlag, Reinbek 2009. 352 Seiten, 19,90 Euro.
Hier wird bei John Wray alles zum Zeichen des Unheils: New Yorker U-Bahn Foto: The NewYork Times/Redux/laif
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