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Der letzte Band der Gesamtausgabe enthält, chronologisch geordnet, die vollständige Edition der bereits weit fortgeschrittenen Werkprojekte aus dem Nachlass. Robert Musil hatte diese Arbeiten zwar für die Veröffentlichung vorbereitet, aber nicht in Druck geben können: entweder weil ihn Skrupel davon abhielten - er veröffentlichte ungern Unfertiges - oder weil die Fertigstellung zu spät kam und die widrigen Zeitläufte - Machtübernahme der Nationalsozialisten und Exil - die Publikation nicht mehr zuließen. Den Kern bilden einerseits politische und zeit- wie kulturkritische Essays bzw.…mehr

Produktbeschreibung
Der letzte Band der Gesamtausgabe enthält, chronologisch geordnet, die vollständige Edition der bereits weit fortgeschrittenen Werkprojekte aus dem Nachlass. Robert Musil hatte diese Arbeiten zwar für die Veröffentlichung vorbereitet, aber nicht in Druck geben können: entweder weil ihn Skrupel davon abhielten - er veröffentlichte ungern Unfertiges - oder weil die Fertigstellung zu spät kam und die widrigen Zeitläufte - Machtübernahme der Nationalsozialisten und Exil - die Publikation nicht mehr zuließen. Den Kern bilden einerseits politische und zeit- wie kulturkritische Essays bzw. Vortragsmanuskripte und andererseits die Sammlung von Aphorismen. Sie entstand zwischen 1933 und 1942 und stellt, abgesehen von den unfertigen Teilen des Romans Der Mann ohne Eigenschaften, das bedeutendste Vermächtnis des späten Musil dar.
Autorenporträt
1880 in Klagenfurt geboren, lebte ab 1939 in Genf, wo er 1942 verarmt starb. Ab 1923 arbeitete er fast ausschließlich an seinem Roman Der Mann ohne Eigenschaften. Sein Werk gilt als der wichtigste Beitrag Österreichs zur Weltliteratur des 20. Jahrhunderts.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Joachim Kalka liest den abschließenden Band der Robert-Musil-Werkausgabe nicht durchweg mit Interesse. Musils Projekte der Jahre 1900-1942, Dramenentwürfe, Essays, Rezensions- und Aufsatzfragmente und kleine Prosa enthalten laut Kalka durchaus viel Unerhebliches, jedenfalls für Nicht-Musilianer. Dazwischen aber blitzen Momente auf, die Kalka die tragische Existenz des mit einem Riesenwerk befassten Schriftstellers erkennen lassen, der keine Zeit mehr für anderes findet. Auch interessante Gedanken zum Erzählen, zur Literatur und zur Politik finden sich laut Kalka. Im Ganzen erinnert der Band den Rezensenten an Lichtenbergs "Sudelbücher".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.07.2022

Es kommt nun ein Knall, ein Durcheinanderplatzen
Das Riesenwerk neu überblicken: Die Gesamtausgabe Robert Musils ist abgeschlossen mit einer Textsammlung, die an Lichtenbergs "Sudelbücher" erinnert

Als Robert Musil nach langen Jahren einer zusehends dürftig möblierten Existenz, die ihm immerhin durch mäzenatische Freunde ermöglicht wurde (welche allerdings angesichts des unerschütterlichen Stolzes auf sein großes Vorhaben von ihm häufig wie Bittsteller behandelt wurden), in Genf verstarb, blieb der riesige Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" Fragment; ob dieses Fragmentarische eine jenseits aller Fährnisse und konkreten Mühseligkeiten vielleicht in Musils großem Projekt zuinnerst angelegte Qualität war, darüber ist viel spekuliert worden.

Die schöne Werkausgabe, deren letzter Band nun vorliegt, hat es mit ihren ersten Bänden (1 bis 6) und dem generös als Parallelaktion hinzugefügten Internetportal "musilonline" möglich gemacht, das Riesenwerk neu zu überblicken und seine großen Trajekte, seine winzigen Kapillaren zu studieren. Ob sich Musils Protagonist an jenem nicht eindeutig sichtbar gewordenen Ende des Romans für die Anpassung, den Widerstand oder den Ausstieg in ein völlig privates Glück entschieden hätte, das bleibt offen - wir wissen nun aber nicht zuletzt dank der erhellenden Anstrengungen der Herausgeber dieser Edition, dass der Autor alle diese Möglichkeiten in ausformulierten Kapitelentwürfen durchgespielt hat.

Das ist eine radikale Unentschiedenheit, die - irgendwie - gut zu einem Projekt passt, das Elias Canetti mit hohem Respekt "die Wiedererrichtung Österreichs durch einen Roman" nannte.

Die Entwürfe und Paralipomena zum "Mann ohne Eigenschaften" hat die Ausgabe bereits vor Jahren veröffentlicht. Dieser letzte Band 12 nennt sich "Projekte 1900 - 1942". Er enthält Dramenentwürfe, Essays, Ansätze zu Rezensionen und Aufsätzen, kleine Prosa. Manches ist erstaunlich, und erstaunlich gerade in seinem Non-finito: Das Dramenfragment "Die Schildkröte" (1908) endet so: "Es kommt nun ein Knall, ein Durcheinanderplatzen, Verbigerieren usw. in dem sie alle den anderen Zustand travestieren und zugleich im gemeinsten Kontrast schwelgen. Wolfgang hat sich gedrückt. Und kommt dann als Dieb heraus. Da werden alle ernst und machen ihm Vorwürfe. Wolfgang verteidigt sich heftig. Von außen bricht Gewalt herein. Damit schließt der II. Akt."

Andere Texte lassen den Leser gleichgültig bis auf wenige Details, an denen die geistige Physiognomie des Autors, die Tragikomik seiner radikalen Existenz sichtbar werden - was aber nur für den ein wenig mit dem großen Werk Vertrauten seine Bedeutung hat. Die eigentliche Pointe dieses Bandes mag darin liegen, dass er aufweist, wie wenig Raum Musils Roman, einmal in Gang gekommen, für andere Anstrengungen ließ.

Man hat, nähert man sich den späteren Texten, den Eindruck von einem Mann, der sich auferlegt hat, ein so ungeheures Gewicht zu stemmen, dass er mit Argwohn und Angst auf alle Näherungsversuche reagiert, die ihn bei dieser Anstrengung ablenken könnten (oder durch den Vergleich seines Werks mit dem eines anderen die Singularität des Unternehmens relativieren).

Das vielleicht Interessanteste in diesem Band sind Musils Notizen (1935 ff.) zur politischen Gegenwart, zu seiner eigenen Lage, zur Literatur, zur Existenz. Ein größeres Konvolut davon heißt "Germany". Dass das, welchem Musil selbst den Sammeltitel "Notizen und Fragmente" gab, vonseiten des Herausgebers Klaus Ammann kurzerhand als "Aphorismenprojekt" bezeichnet wird, ist vielleicht nicht sehr glücklich. Musil erwähnt als Parallele Valérys "Notizen" (die Cahiers); schon dies führt weg von der Aphoristik. Seine Bündel von Notaten enthalten gelegentlich den einen oder anderen Aphorismus, aber die meisten dieser kleinen Texte haben doch anderen Charakter. Gelegentlich steigern sich Musils Reflexionen in der Tat zu großer aphoristischer Konzentration: "Jede Sicherheit ist nachtwandlerisch. (Das Nachtwandlerische ist das Urbild jeder geistigen Sicherheit.)" Aber oft sind diese Notizen das, was der Aphorismus nicht sein kann - beiläufig. "Stehr, Kolbenheyer" - zwei völkische Romanschriftsteller - "würden nicht genug geschätzt, klagt der Völkische Beobachter, man lese noch immer Thomas Mann. Mit Recht, glossiert der Tag. An mich denkt keiner."

Es folgen einander Zitate und kleine Analysen zum politisch-kulturellen Tagesgeschehen, poetologische Überlegungen, Selbstverständigungen: "Auch schlechte Künstler haben gute Gründe und Absichten. Siehe Band I Mann ohne Eigenschaften . . ." Musil selbst hat in einem kleinen, hier abgedruckten Text diese Notate und seinen Gestus bei ihrem Sammeln durch ein rares Wort charakterisiert: "Rapial oder Aufzeichnungen eines Schriftstellers." Den Begriff des Aphorismus verwirft er explizit. "Es ist landläufig, solche Bemerkungen als Aphorismen zu bezeichnen, aber ich wage das heute so wenig wie damals zu tun . . .

Für sein Notizbuch wäre eigentlich, schreibt er, die Bezeichnung Kladde angemessen, aber gegen dieses Wort habe er immer eine Abneigung gehabt. Der Zufall "ließ mich beim Blättern in einem Wörterbuch bei diesem Wort" - Kladde - "die Wörter Klütterbuch und Rapial finden." Das letztere eignet er sich an. "Wer ein schlechter Lateiner ist, kann sich an einen Zusammenhang mit rapio erinnert fühlen. Es ist ein kriegerischeres Wort als Kladde." Die Nähe seines Rapials zu den Sudelbüchern Lichtenbergs ist offensichtlich: ein Sammelbuch für allerlei Einfälle, Zitate, Überlegungen, Beobachtungen, Sottisen, Selbstanalysen. (Bei Lichtenberg ist der spätere, ebenfalls nicht auktoriale Titel "Aphorismen" für seine Kladden allerdings in viel stärkerem Maße gerechtfertigt, weil so viele seiner prägnanten Gedankensplitter eine ingeniöse Zuspitzung haben.) Diese Rapial-Notizen wären wohl für den nichtspezialisierten Musil-Leser die wichtigste Entdeckung des Bandes.

Die hier sichtbare Neigung Musils, bei allen Gegenständen der Reflexion auf sein Persönliches zu kommen, macht oft den Eindruck des Obsessiven; der Leser ahnt jedoch, dass diese Obsessivität zu den notwendigen Produktionsbedingungen von Musils großem Roman gehörte. Gelegentlich ist dieses Einschwenken auf das Ureigene fruchtbar (und entwaffnend). Musil denkt über das Erzählen in der Kindheit und im Erwachsenenalter nach: "Es mag sein, daß sich die Form, und das gilt bestimmt vom Märchen, leichter einprägt als die Form des Erzählens einer Geschichte, die ja auch dem Erwachsenen selten klar ist. Kindergeschichten haben sogar eine eigene Form. Meine waren endlos."

Stark empfundene Rivalität, Eifersucht auf andere Erzähler (und Verachtung für die Erfolgreichen unter ihnen) - das ist ein basso ostinato. Er war allein und wollte allein sein, "in einer Mandorla von Einsamkeit" (Ninon Hesse). Er grenzte sich ab. Seine erbitterte Reaktion auf rühmend gemeinte Aufzählungen wie "Joyce, Musil, Broch" ist hierfür ebenso typisch wie der berühmte tragikomische Satz, mit dem er auf den Vorschlag antwortete, aus der schwierigen Situation in der Schweiz in das recht einfach zu erreichende Südamerika zu emigrieren: "In Südamerika ist Stefan Zweig." Für diese Qual, diesen Stolz, diese Unbedingtheit bieten die Notate reichlich Material.

Zu den Texten dieses Bandes gehören zwei wichtige Reden. Ist eine gehaltene Rede "unveröffentlicht"? Ungedruckt blieben diese Reden für die Zeitgenossen, aber eine öffentliche Wirksamkeit hatten sie auf ihre Art schon. Die eine: "Dichter in dieser Zeit. Rede anläßlich des zwanzigjährigen Bestehens des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller in Österreich am 16. Dezember 1934 in Wien" führte möglicherweise zur Einladung, die zweite zu halten, in Paris auf dem "Internationalen Schriftstellerkongreß zur Verteidigung der Kultur" am 21. Juni 1935. Gerade der Umstand, dass Musil dort zum Befremden seines Publikums eine ganz andere Argumentation als die des antifaschistischen Konsensus zu entwickeln versuchte, macht den Text wichtig und bietet ein Beispiel für die ungleichzeitige Größe des Autors. JOACHIM KALKA

Robert Musil:

"Projekte 1900 - 1942".

Mit Nachworten von

Walter Fanta und Klaus Amann. Gesamtausgabe, Band 12. Verlag Jung und Jung, Salzburg/Wien 2021. 590 S., geb., 36,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Rezensent Joachim Kalka liest den abschließenden Band der Robert-Musil-Werkausgabe nicht durchweg mit Interesse. Musils Projekte der Jahre 1900-1942, Dramenentwürfe, Essays, Rezensions- und Aufsatzfragmente und kleine Prosa enthalten laut Kalka durchaus viel Unerhebliches, jedenfalls für Nicht-Musilianer. Dazwischen aber blitzen Momente auf, die Kalka die tragische Existenz des mit einem Riesenwerk befassten Schriftstellers erkennen lassen, der keine Zeit mehr für anderes findet. Auch interessante Gedanken zum Erzählen, zur Literatur und zur Politik finden sich laut Kalka. Im Ganzen erinnert der Band den Rezensenten an Lichtenbergs "Sudelbücher".

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