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Martin Hilbert hat im Leben einiges zu Stande gebracht: Er hat eine Anwaltskanzlei aufgebaut, ist mit Marianne verheiratet, hat eine kleine Tochter, Sarah; innerlich ist er trotzdem der Heranwachsende geblieben, der glaubt, dass das große Gefühl zu allem befähigt. Der Brand in einem Atelier, ein Versicherungsfall, wird ihm zum Anlass, die Kanzlei und den Schreibtisch über dem Charlottenburger Savignyplatz immer öfter mit den Antikensammlungen der Stadt zu tauschen. Er sucht die marmornen Statuen, um über sie die Metropole aufs Neue zu sehen: sein bevorzugter Ort wird die Museumsinsel. Als er…mehr

Produktbeschreibung
Martin Hilbert hat im Leben einiges zu Stande gebracht: Er hat eine Anwaltskanzlei aufgebaut, ist mit Marianne verheiratet, hat eine kleine Tochter, Sarah; innerlich ist er trotzdem der Heranwachsende geblieben, der glaubt, dass das große Gefühl zu allem befähigt. Der Brand in einem Atelier, ein Versicherungsfall, wird ihm zum Anlass, die Kanzlei und den Schreibtisch über dem Charlottenburger Savignyplatz immer öfter mit den Antikensammlungen der Stadt zu tauschen. Er sucht die marmornen Statuen, um über sie die Metropole aufs Neue zu sehen: sein bevorzugter Ort wird die Museumsinsel. Als er der Komponistin Katharina begegnet, sieht er sich erstmals mit einem Leben konfrontiert, das sich in der Hingabe zur Kunst erfüllt - der Beginn einer Liebe, die Neues hervorzubringen vermag und zugleich eine zerstörerische Dynamik entfaltet.
Monioudis' poetischer Realismus zeigt das hochsommerliche Berlin mit den vielen Wasserwegen und Seen, den Parks. Ein Gesang auf die lichte Stadt mit i hrer gigantischen Geste des Bauens, den kleinen Plätzen und versteckten Winkeln.

Autorenporträt
Perikles Monioudis, 1966 in Glarus (Schweiz) geboren. Studium der Soziologie und Politologie in Zürich. Sein erster Roman, Die Verwechslung (1993), wurde mit einem Buchpreis der Stadt Zürich ausgezeichnet. Für den zweiten Roman, Das Passagierschiff (1995), erhielt er den Preis der Schweizerischen Schiller-Stiftung. 1995 Stipendiat des Berliner Senats im Literarischen Colloquium Berlin, 1996 Stipendiat des Stuttgarter Schriftstellerhauses.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2001

Museumsinsel, Liebesnest
Großer Fischzug: Perikles Monioudis' Roman "Palladium"

Schweizerisch ist dieser Roman nicht. Frappierend an Perikles Monioudis' Buch mit dem enigmatischen Titel "Palladium" ist gerade die Distanz zu allem Helvetischen und die radikale Situierung in einen neutralen Raum. Dieser Schriftsteller hat die Schweiz verlassen. Er schreibt auf internationalem Terrain, und das spürt man mit jedem Satz. Alle helvetischen Anklänge sind verschwunden, alle schweizerischen Anspielungen ausgemerzt. Die Sprache ist nicht mehr, wie in den früheren Büchern, mit Helvetismen eingefärbt, sondern mit umgangssprachlichen deutschen Wendungen versetzt. Die Geschichte spielt in Berlin und vibriert vom nervösen Sound der deutschen Metropole. Schauplatz sind Charlottenburg, der Prenzlauer Berg, die Museumsinsel zwischen Spree und Kupfergraben, die Schloßbrücke mit den weißen Skulpturen der Siegesgöttin Nike und der Schutzgöttin Pallas Athene, die den Knaben im Speerwurf unterrichtet. Und vor allem das Pergamonmuseum mit seiner antiken Skulpturensammlung und dem Athene geweihten Pergamonaltar. Auf diesem zeichenträchtigen Feld spannt Perikles Monioudis seine Geschichte auf, und vieles gerinnt ihm dabei sofort zum Symbol.

Insofern ist der neue Roman dieses Autors ein interessantes Phänomen: Indikator eines Paradigmenwechsels, der sich in den letzten fünf Jahren lautlos vollzogen hat. Monioudis galt, zusammen mit Peter Weber, Hansjörg Schertenleib, Ruth Schweikert, Andrea Simmen oder Milena Moser, lange Zeit als Bannerträger des helvetischen Nachwuchses. Anfang der neunziger Jahre hatte sich diese in den sechziger Jahren geborene Generation Gehör verschafft, mit aufmüpfiger Literatur, die sich deutlich hörbar an schweizerischen Verhältnissen rieb. Hansjörg Schertenleib lebt heute in Irland, Milena Moser in Los Angeles und Perikles Monioudis seit fünf Jahren in Berlin. Alle drei schreiben Texte, die nichts mehr mit ihrer nationalen Identität zu tun haben.

Daß dieser Ausbruch eine große Chance ist, zeigt Perikles Monioudis von Seite zu Seite deutlicher. "Palladium" ist durchweht von kühler Luft, die eine großzügige Atmosphäre schafft. Dem entspricht im Kleinen, auf der Ebene der Textstruktur, eine sorgfältige Komposition. Der Ton seiner Sprache ist sec, wenn nicht unterkühlt, der Satzbau genau abgezirkelt, die Motive sind mit nahezu mathematischer Strenge eingearbeitet. Überall leuchtet die welthaltige Kulisse von Berlin auf - und doch ist dieses Buch weit entfernt vom momentan so beliebten, synthetisch hergestellten Großstadtroman und seiner klischeehaften Kaputtheit.

Die Story im Zentrum von "Palladium" ist zwar bekannt. Aber sie wird hier auf imponierende Weise neu erzählt: Martin Hilbert, erfolgreicher Anwalt, seit zehn Jahren mit Marianne liiert und Vater einer achtjährigen Tochter, lernt eine attraktive Frau kennen. Katharina, die unnahbare, nach Kamille duftende Schöne, wird zum Inbegriff des "anderen", des Fremden, ein lockendes Geheimnis. Die erfolgreiche Komponistin agiert auf internationalem Terrain. Der Anwalt erliegt der spröden, sterilen Erotik der Frau auf der Stelle. Sein sorgfältig konstruiertes Leben bekommt plötzlich feine Risse, seine Identität zersplittert. Jahrelang hat er zäh am Aufbau der Kanzlei gearbeitet, jetzt scheint ihm plötzlich alles fragwürdig. Die Ziele, nach denen er sein Leben ausgerichtet hat, verschwimmen. Zwar ahnt er, daß die Nähe zu dieser Frau eine Täuschung sein könnte, "ein Irrtum in den Dingen der Liebe", eine "bloße Selbstbeobachtung", doch er gerät tiefer in den Strudel der Verführung. Katharina wiederum weiß, daß der vielbeschäftigte Jurist mit dem plötzlichen Bedürfnis nach Kunst und Schönheit, der wie taub in ihren Sog gerät, verrückt sein muß, denn "wer meine Nähe sucht, dem ist nicht zu helfen".

Monioudis' analytische Fähigkeit zeigt sich genau da: in der Widersprüchlichkeit der Verhältnisse, die er aufbaut. Seine beiden Protagonisten sind hellsichtig und blind zugleich, kühl reflektiert und ausgeliefert in einem, und so fahren sie aufeinander zu. Unaufhaltsam. Sinnlos. Fatal.

Martin Hilbert schaut mit offenen Augen zu, wie seine Ehe mit Marianne auf die Zerstörung zurast, und dennoch, geisterhaft ferngesteuert, verstrickt er sich immer tiefer in sein Doppelleben. Katharina wiederum will ihr selbstbestimmtes Leben längst zurückhaben und endlich wieder frei sein für ihre Partituren - und denkt sie nicht bloß an ihn, weil sie allein ist? -, aber sie wird begehrt, und begehrt zu werden, liebt sie.

Perikles Monioudis erzählt all das nicht artig der Reihe nach. Er baut Barrieren auf, die den Leser bremsen. Er verdichtet die Ereignisse in immer neuen, diskret eingestreuten Bildern. Hindernisse stellen sich dem Aufbruch Martin Hilberts entgegen und also auch dem Leser. Die irritierten Suchbewegungen des Helden verlaufen nicht selten im Leeren. Er liegt mit Katharina auf dem Bett des Hotelzimmers. Und doch entzieht sie sich ihm. Verführt wird er von ihr, aber sie bleibt reglos. Alles scheint ihn zu ihr hinzuziehen, und trotzdem ist an ihm etwas Unbestimmtes, das sie abstößt.

All dies verdichtet der Roman in knappen Bildern, die dem Leser stumm den Weg weisen. Katharina schenkt Martin das Palladium. Das ist ein aufklappbares Bild der Göttin Pallas Athene. Ein Schutzbild, das ihn uneinnehmbar machen soll. Eine Ikone der Liebe. Sie steht von jetzt an auf geheimnisvolle Weise als zugleich trennendes und verbindendes Objekt zwischen den beiden. Im schäbigen Zimmer, in dem sie sich für die Liebe treffen, riecht es intensiv nach Lilien, Symbol des Unberührbaren. Marianne wiederum verweigert, wie in Trance, zum ersten Mal ein Geschenk, das Martin ihr überreichen will: ein Schlüsseletui. In seinem unruhigen, ohnmächtigen Umherirren treibt es den Anwalt immer wieder zum Fischen an den See: alles ist hier auf Köder, Angel, Rute fixiert und auf das konzentrierte Einfangen der Beute: verräterische Projektion des eigenen Inneren. Signale aus dem Unbewußten.

Das alles macht diese Geschichte einer schwierigen Doppelliebe zu einem rätselvollen, anspielungsreichen Leselabyrinth. Ein Irrgarten mit symbolischen Bildtafeln. Eine komplexe Geschichte, die mit minimalen Bewegungen und maximaler Reduktion auf das Wesentliche erzählt wird. "Palladium" ist ein Stück Berlin-Literatur eines Schweizer Autors, das den Leser anstrengt und damit überzeugt.

PIA REINACHER

Perikles Monioudis: "Palladium". Roman. Berlin Verlag, Berlin 2000. 195 S., geb., 36,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Klaus Siblewski ist ausgesprochen beeindruckt von Perikles Monioudis Roman über die "Bewegungsgesetze der Liebe", obwohl es eine Weile gedauert hat, bis er einen Zugang zu Monioudis Stil gefunden hat. Zu Anfang stößt er sich an einem vermeintlich banalen Realismus, der ihn an "hochambitionierte Prosaversuche" aus den 1960er Jahren erinnert. Nach einigen Seiten, und dann erst recht beim zweiten Durchlesen, erkennt er aber die sorgfältige Komposition und den "verhalten-feinen Glanz" der Erzählung. Der Roman erzählt, wie sich ein durchschnittlicher Familienvater sich in eine fremde Frau ver- und entliebt. Dabei schafft er es "das Grundsätzliche und grundsätzlich Beunruhigende in der Liebe" festzuhalten, findet der Rezensent.

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