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Joyce, heißt es, sei schwierig. Fritz Senn, der Doyen der Joyce-Forschung und Leiter der James Joyce Stiftung Zürich, hat das nie geglaubt. Mit seinen eleganten, unaufdringlich witzigen Essays zu den großen Themen des kosmopolitischen Iren und den Details seiner Texte gibt er jetzt allen neugierigen und abenteuerlustigen Lesern eine einzigartige Einführung in das Werk des wohl berühmtesten Autors der literarischen Moderne. Senn betreibt eine fröhliche Wissenschaft, die ohne gelehrten Apparat auskommt. Geduldig dröselt er knifflige Passagen auf und spürt den mehrsprachigen Assoziationen nach,…mehr

Produktbeschreibung
Joyce, heißt es, sei schwierig. Fritz Senn, der Doyen der Joyce-Forschung und Leiter der James Joyce Stiftung Zürich, hat das nie geglaubt. Mit seinen eleganten, unaufdringlich witzigen Essays zu den großen Themen des kosmopolitischen Iren und den Details seiner Texte gibt er jetzt allen neugierigen und abenteuerlustigen Lesern eine einzigartige Einführung in das Werk des wohl berühmtesten Autors der literarischen Moderne. Senn betreibt eine fröhliche Wissenschaft, die ohne gelehrten Apparat auskommt. Geduldig dröselt er knifflige Passagen auf und spürt den mehrsprachigen Assoziationen nach, die der zwischen Dublin, Triest, Paris und Zürich umher getriebene Joyce mit seinen Sprachexperimenten weckt. Er nimmt auch Leser ohne Vorbildung an die Hand und erhellt durch detaillierte Erörterungen des Originals sowie einiger Übersetzungen die Eigenheiten des Joyceschen Kosmos. Indem Senn ohne zu belehren den Facettenreichtum, die kunstvolle Bauart und abgründige Komik der Joyceschen Werke erschließt, macht er das Selberlesen zum Erlebnis.
Autorenporträt
Fritz Senn, geboren 1928 in Basel, ist einer der weltweit renommiertesten Joyce-Kenner. Er war Präsident der James Joyce Foundation und Mitherausgeber der Frankfurter Joyce-Ausgabe. Seit 1985 leitet er die James Joyce Stiftung Zürich. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Ehrungen und Preise. Er lebt in Unterengstringen bei Zürich.Sabine Baumann, Jahrgang 1966, promovierte zu und übersetzte Vladimir Nabokov. 2010 erhielt sie für ihre Übertragung seines Kommentars zu Alexander Puschkins Versroman EUGEN ONEGIN den Preis der Kunststiftung NRW. Seit 2009 ist sie Lektorin bei Schöffling & Co.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.2012

Poet der Fehlleistung
Weltalltag: Fritz Senn weiß "Noch mehr über Joyce"

Fritz Senn hat Joyce im Sinn. 1928 geboren, hat er in einem langen Leseleben die profundeste Gelehrsamkeit erworben - und versteht sich zugleich auf die Kunst der genussvollen Vermittlung. Sein neues Buch versteht sich als Sammlung von "Appetithappenings". Es hat das Gesamtwerk im Blick, konzentriert sich jedoch auf den "Ulysses" - als Handreichung für neugierige Fußgänger, nicht für Bescheidwisser, die den Roman lieber im Shuttle-Bus der Diskurse durchqueren. In kurzen, pointierten Kapiteln nimmt Senn Passagen des Romans in den Blick und zeigt an Einzelheiten Allgemeingültiges.

Joyce hat keinen Stil, er benutzt die verschiedensten Schreibweisen zu seinen Zwecken. Jedem Kapitel des "Ulysses" hat er mit einem anderen Stil auch andere Augen, einen anderen Blick auf die Welt eingesetzt. Sprache rastert, sortiert, konstruiert Wirklichkeit - diese später beinahe zu Tode gerittene Grundwahrheit wird in keinem anderen Roman so produktiv gemacht. Zugleich ist Joyce ein großer Realist. Sein Realismus bezieht sich aber weniger auf das Wahrgenommene als auf die Prozesse der Wahrnehmung. Und da wäre ein fotografischer Abbildrealismus eben ganz unrealistisch; Menschen sind schließlich keine wandelnden Kameras. Dublin wird durch die Augen der Dubliner höchst selektiv gesehen - jeder weiß, dass einem beim Gang durch vertraute Straßen nur noch Besonderheiten auffallen, etwa ein Baugerüst oder ein Laden, die gestern noch nicht da waren. Joyce hat nun zwei Dubliner zu Hauptfiguren gemacht, die durch ihren Außenseiterblick mehr wahrnehmen als Gewohnheitsbürger: den fragilen Intellektuellen Stephen Dedalus, dem die Außenwelt ständig bedeutungsvolle Allegorien liefert, und den Annoncenakquisiteur Leopold Bloom, der beim Flanieren die Augen nach gelungenen Werbe-Ideen aufhält - und nach prallbestrumpften Frauenbeinen.

Senn versteht den "Ulysses" als Grundbuch eines Jahrhunderts der Ausgestoßenen und Vertriebenen. Bloom stammt von ungarischen Juden ab, ist protestantisch getauft, später seiner halbspanischen Frau zuliebe nominell katholisch geworden, im Ganzen aber religiös unmusikalisch. Ein Grundmotiv ist das Nichtzuhausesein, an der Bloom-Figur werden Fremdenfeindlichkeit und der alltägliche, nadelstichartige, in kleinen Hinterhältigkeiten artikulierte Antisemitismus sichtbar.

Als poetologische Grundkräfte macht Senn aus: die Fehlleistung, das Missverständnis, das Aneinandervorbeireden, die Verwechslung, den Irrtum, das Gerücht. Faszinierend zeigt er, wie schon der 22 Jahre alte Joyce in den ersten "Dubliner"-Erzählungen mit Lücken, unzulänglichen Erzählerberichten und bloßen Umrissen von Vorgeschichten arbeitet. Bei Joyce ist der Leser niemals am Ort der Tat, sondern dort, wo darüber geredet wird; eine große Lehre über die prinzipielle Mittelbarkeit unserer Weltkenntnis.

Die Fehlleistungspoetik bezieht sich jedoch nicht nur auf die Ebene der fiktionalen Fakten, sondern auf die Sprache selbst. Wenn Joyce in der zweiten Hälfte des "Ulysses" ganz zum parodistischen Schreiben übergeht, wenn er sich die Masken historischer Stile oder defizitärer Schreibweisen aufsetzt, etwa die Blümeranzen des zeitgenössischen Unterhaltungsromans, wenn er sich im Eumaios-Kapitel hochkomisch in lauter matten, ausgelutschten Wendungen und schiefen Metaphern ergeht - dann erweist sich dieser subtile Sprachwerker als obsessiver Sammler sprachlicher Fehlleistungen.

Leichthändige Brillanz darf man Senns Buch nachrühmen. Abgerundet wird es mit fünfzig Seiten über die "Ambiviolenzen" von "Finnegans Wake" und einem Kapitel über die Kniffligkeiten beim Joyce-Übersetzen. Und das Resümee? Joyce lesen heißt: Freude daran haben, was Sprache alles kann.

WOLFGANG SCHNEIDER

Fritz Senn: "Noch mehr über Joyce". Streiflichter.

Schöffling Verlag. Frankfurt am Main 2012. 324 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Für Rezensent Manfred Koch ist Fritz Senns neues Buch "Noch mehr über Joyce" die kenntnisreichste und anregendste Einführung, die es in deutscher Sprache gibt. Senn, den der Kritiker nicht nur seit seinen ersten beiden Joyce-Büchern als brillanten Kenner des irischen Autors schätzt, richte sich hier aber nicht nur Joyce-Anfänger, sondern gebe mit seinem Buch auch erfahrenen Lesern eine Anleitung zum Wiederlesen. Er mache deutlich, dass erst bei wiederholter Lektüre der Beziehungsreichtum des Gesamtwerkes offenbar werde, berichtet der Kritiker, der dank Senn ganz fasziniert Wörter, Bilder und Motive entdeckt, die wie in einem "gewaltigen Echoraum" miteinander korrespondieren. Nach der Lektüre von Senns sprachgewaltiger Anleitung, die die zahlreichen semantischen und klangsinnlichen Bedeutungen, Anspielungen und Überblendungen mit exemplarischen Textstellen belegt, ist der Rezensent mit Joyce' "labyrinthischem Textgelände" vertrauter geworden und hat umso mehr Lust, sich erneut in den "Kreislauf" der rätselhaften Joyce-Lektüre zu stürzen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Es ist Senns Ziel, neugierigen Lesern die Angst vor einem als schwierig verschrienen Autor zu nehmen (...). Eine freundlichere Ermutigung gibt es nicht.« Manfred Papst, NZZ am Sonntag »Leichthändige Brillanz darf man Senns Buch nachrühmen. Das Resümee? Joyce lesen heißt: Freude daran haben, was Sprache alles kann.« Wolfgang Schneider, Frankfurter Allgemeine Zeitung »Einzigartige Mischung aus Bescheidenheit, Scharfsinn und geschliffener Essayistik. (...) Mit Senns Relativismus im Gepäck erkennt man mühelos das Doppelte in Joyces literarischer Phantasie (...)« Frankfurt Allgemeine Zeitung »Ja es ist wohl - zusammen mit Senns ersten beiden Joyce-Büchern - die kundigste und verlockendste Einführung, die es in deutscher Sprache gibt.« Manfred Koch, Neue Zürcher Zeitung