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Nach längerer (Bedenk-)Zeit hat sich Peter Sloterdijk dem Unabwendbaren gebeugt. Wer Zeilen und Tage, das von Kritik wie Lesern zum Hype gemachte Vorgänger-Buch, veröffentlicht, kann sich Forderungen nach einer Fortsetzung ebenso wenig entziehen wie den Lockungen der buchlangen Transformation, Privates als Öffentliches auszuweisen und umgekehrt. »Zeilen und Tage vereint in einer grandiosen Mischung Gesellschaftsroman und Gesellschaftsanalyse für unsere Zeit.« Und, weiteres Beispiel: »Muss man das lesen? Unbedingt.«
Dabei erfährt man: »Heutzutage rückt jeder, der lesen und schreiben kann,
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Produktbeschreibung
Nach längerer (Bedenk-)Zeit hat sich Peter Sloterdijk dem Unabwendbaren gebeugt. Wer Zeilen und Tage, das von Kritik wie Lesern zum Hype gemachte Vorgänger-Buch, veröffentlicht, kann sich Forderungen nach einer Fortsetzung ebenso wenig entziehen wie den Lockungen der buchlangen Transformation, Privates als Öffentliches auszuweisen und umgekehrt. »Zeilen und Tage vereint in einer grandiosen Mischung Gesellschaftsroman und Gesellschaftsanalyse für unsere Zeit.« Und, weiteres Beispiel: »Muss man das lesen? Unbedingt.«

Dabei erfährt man: »Heutzutage rückt jeder, der lesen und schreiben kann, mit seinem Befund über die kranke 'Gesellschaft der Gegenwart' heraus. Die 'Gesellschaft' wird so zu dem meist-überdiagnostizierten Patienten. Wäre ich 'die Gesellschaft', ich wüßte nicht, woran zu leiden ich mir aussuchen würde.«

Peter Sloterdijk steht tagtäglich Sinn und Zweck des tagtäglichen Mitnotierens der Zeit und der Leute vor Augen und erklärt sich in gewohnt ironischerWeise: »Wozu? Wahrscheinlich lebe ich unter dem Auge eines transzendenten Beobachters, der von mir keine besonders hohe Meinung hat. Mein innerer Beobachter ist kein Publizist.« Folglich unterscheiden sich seine Notizen von denen der Blogger und netz-öffentlichen Tagebuchschreiber durch analytische Präzision, Wortmächtigkeit, Sprachbewusstsein, Gelehrtheit, Aphorismen, Humor, lyrischen Tonfall ...

Wenn also Goethe Neue Lieder, wie Heine und Rilke Neue Gedichte veröffentlicht, dann kann Peter Sloterdijk Neue Zeilen und Tage publizieren. Sie begründen, im Kontrast zu Sudelbüchern, Skizzenbüchern, Ideensammlungen, ein eigenes Genre mit Namen: Archivierung des gelebten und reflektierten Tages.
Autorenporträt
Sloterdijk, PeterPeter Sloterdijk wurde am 26. Juni 1947 als Sohn einer Deutschen und eines Niederländers geboren. Von 1968 bis 1974 studierte er in München und an der Universität Hamburg Philosophie, Geschichte und Germanistik. 1971 erstellte Sloterdijk seine Magisterarbeit mit dem Titel Strukturalismus als poetische Hermeneutik. In den Jahren 1972/73 folgten ein Essay über Michel Foucaults strukturale Theorie der Geschichte sowie eine Studie mit dem Titel Die Ökonomie der Sprachspiele. Zur Kritik der linguistischen Gegenstandskonstitution. Im Jahre 1976 wurde Peter Sloterdijk von Professor Klaus Briegleb zum Thema Literatur und Organisation von Lebenserfahrung. Gattungstheorie und Gattungsgeschichte der Autobiographie der Weimarer Republik 1918-1933 promoviert. Zwischen 1978 und 1980 hielt sich Sloterdijk im Ashram von Bhagwan Shree Rajneesh (später Osho) im indischen Pune auf. Seit den 1980er Jahren arbeitet Sloterdijk als freier Schriftsteller. Das 1983 im Suhrkamp Verlag publ

izierte Buch Kritik der zynischen Vernunft zählt zu den meistverkauften philosophischen Büchern des 20. Jahrhunderts. 1987 legte er seinen ersten Roman Der Zauberbaum vor. Sloterdijk ist emeritierter Professor für Philosophie und Ästhetik der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und war in Nachfolge von Heinrich Klotz von 2001 bis 2015 deren Rektor.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension

Walter van Rossum kanns nicht fassen: 500 Seiten und nicht ein überraschender Gedanke oder Widerspruch! Dass Peter Sloterdijk in seinen Tagebüchern großdenkerisch zu Werk gehen würde, hatte der Rezensent ja geahnt, dass der Autor darunter nunmehr nur Kalendersprüche für den Bildungsbürger versteht, macht ihn fast trübsinnig. Statt auf intelligente politische Argumentation (etwa betreffend die Ermodrdung Osama Bin Ladens) trifft er hier nur auf "Weltanschauungsgemurmel" und langatmige "Gesinnungsexerzitien". Von den angekündigten Höhenkämmen a la Valery keine Spur, bedauert der Rezensent. Nur wer den Autor auf Ehrenrunden und zu Lorbeerveranstaltungen durchs Land begleiten mag, ist hier richtig, meint er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2018

Gegenreden
Peter Sloterdijk versammelt seine Notizen aus den
Jahren 2011–2013. Sie gleichen nicht abgeschickten Leserbriefen
VON WOLFGANG ULLRICH
Als Peter Sloterdijk 2012 erstmals einen Band mit Tagebüchern publizierte, charakterisierte er seine Notizen – aus den Jahren 2008 bis 2011 – mit Bezug auf Paul Valéry als „intellektuelle Komödie“. Am Beginn des neuen, zweiten Bandes, der die Jahre 2011 bis 2013 umfasst, wiederholt er diese Selbsteinschätzung – vielleicht weil sie ihm bisher noch nicht genügend gewürdigt erscheint. Valéry pries 1919 Leonardo als einen Meister der „Comédie Intellectuelle“, deren genaue Beschreibung noch auf einen Dichter warte – und die kostbarer sei als die „Comédie Humaine“ (Balzac), ja selbst als die „Divina Comedia“ (Dante). Der große Erfolg seines ersten Tagebuchs, dem selbst hartnäckige Sloterdijk-Skeptiker Beifall zollten, mag ein Indiz dafür sein, dass es dem Philosophen tatsächlich gelungen ist, seine Denkbewegungen und Einfälle anschaulich-virtuos zur Geltung zu bringen und auf diese Weise ein Bild davon zu zeichnen, welch unberechenbaren und fantastischen Kräften der Intellekt ausgesetzt ist. Als Komödie betrachtet, sind geistige Entwicklungen von äußeren Zufällen bestimmt, mischen sich diverse Interessen und Gefühle in Gedankengänge ein, können aber selbst krasse Übertreibungen und Zuspitzungen jäh zu abgrundtiefen Einsichten führen. Beliebige Schwenks sind jederzeit möglich.
Anders als beim ersten Band, in dem der Denker gleichermaßen als Leser, Beobachter und Zeitgenosse in Erscheinung trat, nimmt man Sloterdijk den intellektuellen Komödianten diesmal aber nicht ab. So fehlen all die kleineren und größeren Indiskretionen und Urteile über Personen aus seinem Umkreis, und selbst Erlebnisse des jeweiligen Tages bilden viel seltener den Ausgangspunkt für Notizen. Man kann in diesem zweiten Band nicht mehr staunen (oder gar ein wenig enttäuscht sein?), wie korrekt, ganz ohne Hang zum Fabulieren Sloterdijk Ereignisse in Worte fasst, die man zusammen mit ihm erlebt hat. Dafür ist viel häufiger von dem die Rede, was in den Medien zum Thema wurde, nicht selten sind es sogar einzelne Zeitungsartikel, die der Philosoph kommentiert. Die Tagebücher gleichen so einem Kompendium nie abgeschickter Leserbriefe – mit ebenso mutigen wie auch trotzigen Gegenreden zu vorherrschenden Meinungen. So ist der „neue Nationalismus“ für Sloterdijk nicht „auf dem Vormarsch“, suggeriere diese Formulierung doch eine „expansionistische, megalomanische“ Gesinnung, während er selbst darin nur etwas von „unmissverständlich defensiver, ängstlicher, stubenhockerischer Natur“ erkennen kann. Die Homo-Ehe verdächtigt er, das Projekt von „Scheinprogressiven“ zu sein, während er Kinderlosen sogar einen „Putsch gegen den Rest der Gesellschaft“ unterstellt.
Seinem langjährigen Opponenten Jürgen Habermas lässt er immerhin ein Lob zukommen – dafür dass er in einem Spiegel-Essay über Elitenversagen geschrieben hat: „Deutschland tanzt nicht, es döst auf dem Vulkan“. Und der Maler Georg Baselitz erhält die volle Solidarität des Philosophen, als die Steuerfahndung zu ihm kommt, zumal Sloterdijk auch sonst immer wieder gerne beklagt, dass „der moderne Steuerzahler aus dem antiken Sklaven“ hervorgegangen sei.
Wenn das Gefühl ausbleibt, einer intellektuellen Komödie beizuwohnen, liegt das aber nicht nur daran, dass das philosophische Journal diesmal über weite Strecken philosophische Journalistik ist. Vielmehr hat das auch damit zu tun, dass der zweite Band die direkte Fortsetzung des ersten darstellt. Dabei schreibt Sloterdijk seit mehr als vierzig Jahren Tagebuch, er hätte also auch rückwärts gehen oder sogar einen Band mit Aufzeichnungen aus den Siebziger- oder Achtzigerjahren – etwa aus seiner Zeit im Bhagwan-Ashram oder als er die „Kritik der zynischen Vernunft“ (1983) schrieb – zusammenstellen können. Das hätte der Tagebuchprosa einen autonomeren Charakter verliehen, sie wäre stärker in ihren artistischen Qualitäten, der Autor mit seiner einzigartigen Bildungsbiografie zur Geltung gekommen. So hingegen schlüpft Sloterdijk in die biederere Rolle eines Chronisten und unterwirft sich mit seiner Veröffentlichungslogik ohne Grund der Linearität der Zeit. Unwillkürlich misst man die Notizen daher daran, ob und wie schnell ihr Autor auf Ereignisse reagiert und wann er prognostische Fähigkeiten an den Tag legt. Immerhin: Sowohl der Piraten-Partei als auch François Hollande prophezeite er schon früh ein Scheitern.
Zugleich empfinden zumindest Leser, die mit der Lektüre von Blogs und Online-Tagebüchern – von Wolfgang Herrndorf bis Stefanie Sargnagel – Erfahrung haben, die mehrjährige Zeitverzögerung, mit der Sloterdijk seine Notizen nun veröffentlicht, als Manko. Das Gefühl, live dabei zu sein, wenn der Zeitgeist gestellt wird, bleibt aus; vielmehr lässt sich argwöhnen, der Autor habe im Nachhinein und im Wissen um spätere Entwicklungen noch viel redigiert, um als besserer Diagnostiker dazustehen. Allerdings schwindet dieser Argwohn im Verlauf der Lektüre, und man wundert sich im Gegenteil darüber, dass Sloterdijk so vieles stehen gelassen und veröffentlicht hat, was 2011 oder 2012 in Ordnung gewesen sein mag, mittlerweile jedoch als überholt, gar als problematisch erscheint, auf jeden Fall aber erklärungsbedürftig ist. Das ist auch der stärkste Grund dafür, warum diese Tagebücher nicht als „Comédie Intellectuelle“ durchgehen. Dabei überrascht nicht nur, wie wenig robust zahlreiche Tagebucheinträge gegenüber den Veränderungen sind, die in den letzten Jahren hinsichtlich Themen und Tonfall öffentlicher Debatten stattgefunden haben. Noch mehr befremdet, dass Sloterdijk auf den gesellschaftlichen Stimmungswandel in seiner Vorbemerkung gar nicht eingeht. Vielmehr lässt er die Leser allein mit seinen Notizen. Doch was sollen die etwa davon halten, dass der Philosoph die Exekution von Osama Bin Laden zu einem epochalen Verbrechen erklärt? Dass er Barack Obama deshalb „unvergesslicher Kläglichkeit“ bezichtigt und Joe Biden als „notorischen Vize mit dem leeren Gesicht“ verspottet, der „besser durch eine Gewichtsangabe als durch die Aufzählung seiner Überzeugungen zu charakterisieren“ sei? Für das Trump-gestählte Publikum von heute liest sich eine derartige Wutrede – in diesem Fall reicht sie über mehrere Seiten – leider wie ein Luxusproblem. Macht man sich diesen Eindruck bewusst, kann man darüber erschrecken, wie stark sich offenbar die Maßstäbe für die Beurteilung von Politik seit 2011 verschoben haben, aber dennoch wird man seine Anwandlung von Unmut gegenüber dem Tagebuchautor nicht los.
Ein großes Thema war 2011 auch der Skandal um Dominique Strauss-Kahn. Sloterdijk misstraut der pauschalen öffentlichen Erregung gegen den Präsidenten des Internationalen Währungsfonds, der wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung eines Zimmermädchens eines New Yorker Hotels verhaftet worden war, und er sucht nach Erklärungen dafür, wieso gerade „Männer mit Machtambitionen“ zu derartigen Verfehlungen (für Sloterdijk allerdings nur „dubiose Manieren“ und eine „lächerliche Affaire“) disponiert seien. Er diagnostiziert „Parallelen zwischen Virilität und Dummheit“, mutmaßt aber auch, dass sich bei Mächtigen die Standards verändern, so dass sie schließlich „jede beliebige weibliche Erscheinung“ als „Einladung“ empfänden. Eine solche Übung in Empathie für den Täter könnte aufschlussreich sein, doch ist es zumindest ärgerlich, wenn umgekehrt keinerlei Bemühen zu erkennen ist, sich auch in die Situation der Opfer hineinzudenken.
Noch heftiger wird es im Frühjahr 2013, wenn Sloterdijk für Frauen aus Hollywood „das post-emanzipatorische Schema der doppelten Karriere“ entdeckt; die erste Karriere gelinge „öfter als vermutet nicht zuletzt dank sexueller Konzessionen an protektionsmächtige Männer“, während die zweite „Schwung“ gewinne „durch die Instrumentalisierung von Medien und Gerichten für Missbrauchsklagen gegen dieselben Männer seitens der arrivierten Damen, die ein zweites Mal auf der Seite der Gewinner sein möchten“.
Gewiss, das wurde viereinhalb Jahre vor #MeToo geschrieben, aber es wird ein Jahr danach veröffentlicht, wohlgemerkt vom Autor selbst. Der steht nun weniger wegen seiner Überzeugungen als wegen der Art und Weise ihrer Formulierung, vor allem aber wegen ihrer arglos-unkommentierten Veröffentlichung etwas unglücklich exponiert da. Denn einiges – übrigens genauso bei anderen Themen – wirkt auf einmal viel zu unsensibel; zu deutlich zeichnen sich blinde Flecken ab.
Wenige Jahre genügten somit, um die intellektuelle Komödie in eine Prosa mit tristem Beigeschmack zu verwandeln, deren Autor man wohlwollend Leichtsinn, weniger wohlwollend Ignoranz unterstellen kann. So aber trifft auf ihn selbst zu, was Sloterdijk in seinem Tagebuch am Beispiel des marxistischen Philosophen Wolfgang Fritz Haug als „Ethik der Altersprosa“ aufspießt: „Wo Kritik war, ist Rezeptionsverweigerung geworden.“
Wolfgang Ullrich war von 2006 bis 2015 Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. 2017 erschien sein Buch „Wahre Meisterwerte. Stilkritik einer neuen Bekenntniskultur“.
Der Philosoph schlüpft
in die biedere Rolle
eines Chronisten
Peter Sloterdijk:
Neue Zeilen und Tage.
Notizen 2011 – 2013.
Suhrkamp Verlag,
Berlin 2018.
540 Seiten, 28 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»[Sloterdijk] ist ein Artist, der in allen seinen Äußerungen mit mehr als einer Kugel jongliert. Er denkt nicht nur in politischen, sondern auch in ästhetischen, kulturphilosophischen, anthropologischen und theologischen Kategorien. Vor allem aber ist er ein Meister im flinken Changieren zwischen seinen Bezugssystemen.« Hermann Schlösser Wiener Zeitung 20190119