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Ordnung muss sein. Beim Baden bitteschön streng nach Geschlechtern getrennt, doch in der Wissenschaft zählt nur, was auf der Tafel steht. Jedenfalls für den Mathematiker David Hilbert, der seine brillante Kollegin Emmy Noether in Göttingen als Professorin durchsetzen wollte. Doch nicht nur damit war er seiner Zeit voraus (der Antrag wurde natürlich abgelehnt) - Hilbert hatte für die moderne Naturwissenschaft etwas denselben Stellenwert wie Pablo Picasso für die moderne Kunst. In Göttingen gaben sich bei diesem merkwürdigen Genie die bedeutendsten Köpfe die Klinke in die Hand: Einstein, Bohr,…mehr

Produktbeschreibung
Ordnung muss sein. Beim Baden bitteschön streng nach Geschlechtern getrennt, doch in der Wissenschaft zählt nur, was auf der Tafel steht. Jedenfalls für den Mathematiker David Hilbert, der seine brillante Kollegin Emmy Noether in Göttingen als Professorin durchsetzen wollte. Doch nicht nur damit war er seiner Zeit voraus (der Antrag wurde natürlich abgelehnt) - Hilbert hatte für die moderne Naturwissenschaft etwas denselben Stellenwert wie Pablo Picasso für die moderne Kunst. In Göttingen gaben sich bei diesem merkwürdigen Genie die bedeutendsten Köpfe die Klinke in die Hand: Einstein, Bohr, Heisenberg, Gödels Sätze über die Unvollständigkeit der Mathematik und Alan Turings Weg zur universellen Rechenmaschine - alles lässt sich hierher zurückverfolgen. Dank Georg von Wallwitz auf so verständliche wie vergnügliche Weise (mit Fußnoten für Fortgeschrittene).
Autorenporträt
Georg von Wallwitz, geboren 1968 in München, studierte Mathematik und Philosophie in England und Deutschland. Als selbständiger Fondsmanager und Mitinhaber einer Vermögensverwaltung lebt er in München. Bei Berenberg erschienen "Odysseus und die Wiesel. Eine fröhliche Einführung in die Finanzmärkte" (2011) und "Mr. Smith und das Paradies. Die Erfindung des Wohlstands (2013).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2017

Wenn nur nicht dieser Gödel gewesen wäre!

David Hilbert war der wahrscheinlich strukturierteste Geist des zwanzigsten Jahrhunderts: Georg von Wallwitz porträtiert den Mathematiker in einem Essay, den auch ein nicht vorgebildetes Publikum mit Gewinn liest.

Von Ulf von Rauchhaupt

Albert Einstein beherrscht die Regale. Über den Jahrhundertphysiker sind derzeit mindestens fünf vollständige Biographien lieferbar, zudem etliche Darstellungen einzelner Lebens- und Schaffensperioden sowie zahllose historische Analysen seines Werkes. Bei David Hilbert (1862 bis 1943) ist das anders. Er war der wohl einflussreichste Mathematiker des zwanzigsten Jahrhunderts, und doch gibt es über ihn genau eine Biographie - vorgelegt 1970 von der Amerikanerin Constance Reid - und ein Buch über eine Phase der Zusammenarbeit mit, natürlich, Einstein. Das ist alles - und daran ändert auch das Buch nur wenig, das der Finanzexperte und ausgebildete Mathematiker Georg von Wallwitz jetzt vorgelegt hat.

Denn es handelt sich nicht um eine Biographie. Weder wertet der Autor neue Quellen aus, noch versucht er, Hilberts Wirken als Mathematiker und Organisator mathematischer Forschung aus den Bedingungen seiner Zeit zu erklären, etwa im Sinne einer historischen Epistemologie. Aber er kann sich auch nicht als Erzähler eines bewegten Lebens betätigen. In Hilberts Laufbahn gab es genau zwei Stationen: seine Geburtsstadt Königsberg und Göttingen. Es gab so gut wie keine Politik und weder Verstrickung noch Verfolgung - Hilbert war weder Sozialist noch Jude noch sonst wie religiös. Und es gab, soweit bekannt, auch nur eine Frau, und mit der war er bis zu seinem Tod verheiratet.

Was Georg von Wallwitz stattdessen unternimmt, ist, Hilberts zentrale Position in der Mathematik und der mathematischen Physik der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts dazu zu nutzen, die über ihn verknüpften Inhalte und Entwicklungen dieser Disziplinen in groben Zügen einem mathematisch nicht vorgebildeten Publikum vorzustellen. Das gelingt ihm über weite Strecken recht gut, Dank eines lakonischen, manchmal witzig-aphoristischen Stils. Nur einige Stellen - die wirken wie vom Lektorat übersehen - sind leicht parfümiert geraten, etwa wenn dem Physiker Max Born eine "schöne Seele" bescheinigt wird. Und obgleich der Autor seiner Zielgruppe kein "Formelgestrüpp" zumuten möchte, ist das Erklärniveau so hoch, wie es der knappe Platz erlaubt. Als Mathematiker ist es ihm auch in einem allgemeinverständlichem Buch unmöglich, Cantors Diagonalen-Argument nicht vorzustellen oder zu verschweigen, was es mit den wichtigsten Symbolen der formalen Logik auf sich hat.

In den einzelnen Kapiteln steht dann oft nicht Hilbert selbst im Mittelpunkt, sondern die Prominenz, die mit ihm zu tun hatte: Einstein natürlich, John von Neumann oder Emmy Noether, jene Frau, der die moderne Physik ihre bis heute tiefste Einsicht verdankt, den Zusammenhang zwischen Erhaltungssätzen und Symmetrien. Im Zusammenhang mit Hilberts Bemühungen, Noether gegen den Widerstand seiner Fakultätskollegen eine Professur zu verschaffen, fiel auch das Zitat, das dem Buch als Titel dient.

Mit solchen Episoden und Anekdoten aus dem Leben und Leiden anderer lässt sich dann das ersetzen, was Hilberts Biographie an saftigen Erzählhäppchen fehlt. Dagegen ist insofern nichts einzuwenden, als das Wichtigste zu Hilbert alles vorkommt: die Freundschaft mit dem genialen Hermann Minkowski etwa, die 23 mathematischen "Jahrhundert-Probleme", das Hilbert-Programm eines abgeschlossenen axiomatischen Fundaments der Mathematik und dessen Scheitern an Kurt Gödel - und vor allem die Rolle des Göttinger Instituts als eines "permanenten internationalen Mathematikerkongresses" und als Werkstatt, in der die "Knabenphysiker" von Heisenberg bis Dirac damit begannen, die Quantenmechanik zusammenzuschrauben - oft mit Werkzeugen, die Hilbert selbst Jahrzehnte zuvor aus rein mathematischem Interesse entwickelt hatte, allen voran die zentrale Struktur des Theoriegebäudes, den "Hilbertraum".

Und doch hinterlässt das Buch ein Gefühl mangelhaft befriedigter Neugierde. Auch wenn das Leben David Hilberts, des Menschen, so wenig Handfestes zu bieten hat, hätte man über ihn am Ende doch gerne mehr gewusst: über seine Kindheit, die eben nicht die eines mathematischen Mozarts war, sondern eines Mannes, der später erklärte: "Dass ich es in der Mathematik zu etwas gebracht habe, ist dem Umstand geschuldet, dass ich sie immer so schwierig fand." Weiter gab es da eine Art Midlife-Crisis, die der Autor nur andeutet. Und wie entwickelte sich sein Denken über anderes als Mathematik, etwa religiöse und philosophische Fragen?

Und was ging wirklich in ihm vor, als er von Gödel erfuhr. "Selbstredend war Hilbert verärgert über Gödels Satz, fand ihn auf menschlicher Ebene ganz unnötig" - das ist alles, was hier dazu steht. Kann der wahrscheinlich strukturierteste Geist des zwanzigsten Jahrhunderts philosophisch wirklich so unmusikalisch gewesen sein? Gerade wenn er es war, wäre David Hilbert eine interessantere Figur, als die Dürftigkeit der Literatur über ihn vermuten lässt.

Georg von Wallwitz: "Meine Herren, dies ist keine Badeanstalt". Wie ein Mathematiker das 20. Jahrhundert veränderte.

Berenberg Verlag, Berlin 2017.

256 S., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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