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Der Krieg im früheren Jugoslawien, die Unruhen in der Türkei, in Nordgriechenland und im Kosovo haben Wurzeln, die weit in die Vergangenheit reichen. Peter Scholl-Latour hat diese Länder viele Male besucht und mit Vertretern politischer und besonders religiöser Gruppen Gespräche geführt. Fast immer waren religiöse Motive der Auslöser für die politischen Krisen. Der Autor zeigt auf, daß der Balkan seit Jahrhunderten im Visier dreier Mächte stand: der katholischen habsburgischen Doppelmonarchie, des orthodoxen Rußlands und der islamischen Türkei. Die nie restlos gelösten Interessenkonflikte sind…mehr

Produktbeschreibung
Der Krieg im früheren Jugoslawien, die Unruhen in der Türkei, in Nordgriechenland und im Kosovo haben Wurzeln, die weit in die Vergangenheit reichen. Peter Scholl-Latour hat diese Länder viele Male besucht und mit Vertretern politischer und besonders religiöser Gruppen Gespräche geführt. Fast immer waren religiöse Motive der Auslöser für die politischen Krisen. Der Autor zeigt auf, daß der Balkan seit Jahrhunderten im Visier dreier Mächte stand: der katholischen habsburgischen Doppelmonarchie, des orthodoxen Rußlands und der islamischen Türkei. Die nie restlos gelösten Interessenkonflikte sind Ursache für die gegenwärtigen Auseinandersetzungen, die sich auf weitere Länder auszudehnen drohen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.1995

Gelbschimmernde Wolfsaugen
Peter Scholl-Latour bereist mit seiner Frau den Balkan

Peter Scholl-Latour: Im Fadenkreuz der Mächte. Gespenster am Balkan. C. Bertelsmann Verlag, München 1994. 352 Seiten, 44,- Mark.

Peter Scholl-Latour hat im Frühjahr und Sommer des vergangenen Jahres einige Wochen den Balkan bereist. Stationen waren Istanbul und Ankara, Serbien und das Amselfeld (Kosovo), Kroatien und Bosnien, Albanien und Mazedonien, Rumänien und Moldova. Die Früchte dieser Reise, ein halbes Dutzend Fernsehsendungen über den angeblichen "Vormarsch des Islam auf dem Balkan", wurden im Herbst und Winter letzten Jahres ausgestrahlt. Natürlich hat Scholl-Latour seine Reisen, auf denen er, wie wir erfahren, zum Teil von der Frau Gattin begleitet wurde, auch für ein Buch zweitverwertet.

Es beginnt mit einer "Einstimmung". Darin erfährt der Leser, was dem Autor angesichts des zerstörten Ostteils der Hercegovina-Hauptstadt Mostar alles so einfällt. Das ist zwar willkürlich und nichtssagend, reicht von Lektüreerinnerungen (logisch: Ernst Jüngers "Stahlgewitter") bis zu abschätzigen Bemerkungen über Berufskollegen ("jene Journalisten als Touristenersatz"), wird aber buchhalterisch mitgeteilt. Dann stellt der Autor seine These vor: Ihm ist der "bluttriefende Sezessionskrieg" auf dem Balkan einer von "verfeindeten Konfessionen". Scholl-Latour hegt seit langem die Obsession, daß die meisten Konflikte und Kriege unserer Tage irgendwie mit religiösen Dingen zusammenhängen und vor allem mit einem erstarkenden islamischen Fundamentalismus. Wie in jeder Obsession steckt auch in dieser ein Stück Wahrheit. Doch wie in jeder Obsession geht es an der grotesken Überhöhung und blinden Ausschließlichkeit zuschanden. Jedenfalls hat der Balkan-Reisende Scholl-Latour die Überzeugung im Tornister, daß "der Krieg in Bosnien gar nicht anders als aus religiöser Perspektive gedeutet und erklärt werden" kann. Und diese Überzeugung wird auf der Reise sorgfältig abgedichtet gegen jede lebendige Erfahrung und jeden rationalen Erklärungsansatz. Etwa den, daß der aggressive serbische Nationalismus das auslösende Moment beim Zerfall Jugoslawiens war, religiöse und konfessionelle Motive diesem nur sekundierten.

Um den restlichen Erklärungsbedarf zu decken, hat Scholl-Latour für jedes Volk der Region ein rassenpsychologisches Stereotyp parat. Der serbischen "Balkan-Rasse" bescheinigt er einen "zutiefst kriegerischen Instinkt". Bei den Albanern entdeckt Scholl-Latour eine "schlummernde gewalttätige Veranlagung"; überdies gemahnen ihn manche, im Profil betrachtet, an "Widderköpfe", in der Frontalsicht aber spiegeln die Gesichter "eine argwöhnische Tücke, wie man sie bei mißhandelten Tieren im Käfig beobachten kann". Die Mazedonier sind ihm eine "recht plump und bäuerlich gebliebene" Masse. "Zutiefst bäuerlich" und "plump" im Auftreten ist zudem das "gemischte Volk aus der Provinz und wohl auch aus Siebenbürgen", mit dem der Autor den Wartesaal eines Budapester Bahnhofes teilen muß. Bei den Rumänen fällt deren "ererbte Neigung zum Zynismus" auf, bei den hercegovinischen Kroaten aber hat sich der "Überlebensreflex von Unterdrückten" ausgeprägt.

Wohin der Autor schaut, er entdeckt vom Instinkt getriebene Halbwilde (nur Scholl-Latours Gesprächspartner sind einigermaßen kultiviert). Allenthalben prallen "uralte, atavistische Gegensätze" aufeinander. Logisch, daß es da mit "tragischer", ja "historisch-religiöser Zwangsläufigkeit" zum "bluttriefenden Konflikt der Bekenntnisse" kommen muß, der irgendwie zugleich ein "unerbittlicher Bürgerkrieg" ist. Und wehe, es kommen noch die balkanischen Frauen ins Spiel, die "aufgrund der brütenden Hitze spärlich bekleidet sind". Ach, die "wiegenden Hüften, von denen eine starke erotische Wirkung ausgeht". Ach, das "strohblond gefärbte Haar und die gelblich schimmernden Wolfsaugen". Ach, all die "stattlichen Erscheinungen" mit ihren "großzügig dargebotenen femininen Reizen" - worauf "zielen" sie denn, und zwar "eindeutig"? Darauf, "männliche Begierde zu wecken", und sonst gar nichts.

Welche Folgen das in Kriegszeiten hat, erlebt Scholl-Latour in der von den Serben belagerten nordbosnischen Stadt Tuzla. Dort sieht er, was auch der Rezensent dort öfters gesehen (und sich zugegebenermaßen nichts dabei gedacht) hat: Jugendliche, die sich unterhalten, womöglich verliebt sind, sich gar küssen, wie es Jugendliche - und nicht nur sie - überall auf der Welt zu tun pflegen. Aber halt, es ist doch Krieg, und da gilt es bei solchem Anblick mit Scholl-Latour und einem seiner Begleiter Betrachtungen anzustellen über die "enge, oft besungene Verwandtschaft von Liebe und Tod", "von Blut und Sperma", wie es Scholl-Latour auszudrücken pflegt.

Man mag über Stil und Geschmack unterschiedlicher Auffassung sein. Man mag es für eine grobe Verirrung halten, den monströsen Bukarester "Volkspalast" des Diktators Ceausescu als Leistungen eines "rumänischen Baron Haussmann" zu bezeichnen. Man mag bezweifeln, ob man sich Offiziere wie den General Lebed ("ein Mann nach meinem Geschmack"), der mit der 14. russischen Armee in Transnistrien ein Stück Sowjetunion konserviert hat, wirklich in der Bundeswehr wünschen soll. Man mag schließlich darüber streiten, ob der Leser von jedem Gespräch, das der Autor geführt, von jedem Hotel, in dem er genächtigt, von jedem Mahl, das er eingenommen hat (in Skopje ein Wiener Schnitzel), unbedingt erfahren muß. Keine Frage aber ist, daß Unsinn Unsinn ist. Das kroatische Wort "izbjeglica", Flüchtling, hat etymologisch mit dem Namen des bosnischen Präsidenten Izetbegovic auch dann nichts zu tun, wenn die Flüchtlinge aus Bosnien kommen. Der von Scholl-Latour gönnerhaft gelobte "begabte Journalist Eugen Roth" war der große Schriftsteller Joseph Roth, der nun wirklich zu einer anderen Qualitätsklasse gehört als der Korrespondent Scholl-Latour.

Solche Schlamperei kann man nur so erklären, daß sich der Autor um seinen Ruf nicht sorgt, weil er keinen zu verlieren hat. Bei Büchern dieser Art geht es nämlich nur ums Geschäft mit dem Fernsehgesicht, nicht um den Inhalt. Ein Autorenfoto auf dem Schutzumschlag - und schon findet das Buch Käufer. Was zwischen den Buchdeckeln steht, ist egal. Solche Bücher zielen nicht auf Leser, sondern auf Einschaltquoten. Natürlich hat Scholl-Latour mit seiner balkanischen Seifenoper den erwarteten Erfolg auf den Bestseller-Listen gehabt. Sein Rezept lautet: Man nehme eine Handvoll gut abgehangener Vorurteile, vermenge sie mit historischer und religionsgeschichtlicher Halbbildung, gebe eine kräftige Prise Altherren-Voyeurismus hinzu, lasse es mit einer Fernsehsendung zum Thema aufkochen und garniere es schließlich mit einem großen Autorenfoto. Brühwarm servieren! MATTHIAS RÜB

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