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Donnerstagabend sind wir da - in New York... Dann sind wir in "der neuen Welt". In dem Land, in das ich von allen am wenigsten will. Na, wir wollen uns ja nur vierzehn Tage dort aufhalten und in dieser Zeit die Niagarafälle und die Luxushotels Kaliforniens sehen. Die Zeit wird wohl schon vergehen."Dies schreibt Herman Bang im Januar 1912 an seine Freundin Betty Nansen auf der Schiffsreise nach Amerika. Es ist sein letzter Brief, und es wird seine letzte Reise sein. Noch in New York liest er vor der dänischen Exilgemeinde, schickt ein verzweifeltes Telegramm an seinen deutschen Verleger Samuel…mehr

Produktbeschreibung
Donnerstagabend sind wir da - in New York... Dann sind wir in "der neuen Welt". In dem Land, in das ich von allen am wenigsten will. Na, wir wollen uns ja nur vierzehn Tage dort aufhalten und in dieser Zeit die Niagarafälle und die Luxushotels Kaliforniens sehen. Die Zeit wird wohl schon vergehen."Dies schreibt Herman Bang im Januar 1912 an seine Freundin Betty Nansen auf der Schiffsreise nach Amerika. Es ist sein letzter Brief, und es wird seine letzte Reise sein. Noch in New York liest er vor der dänischen Exilgemeinde, schickt ein verzweifeltes Telegramm an seinen deutschen Verleger Samuel Fischer, mit der dringenden Bitte um Geld, und sitzt alsbald im Pacific Express nach San Francisco. Dort wird er nie ankommen. Im Zug erleidet Herman Bang einen Schlaganfall und stirbt - ohne sein Bewusstsein wiedererlangt zu haben - im Krankenhaus von Ogden, mitten in Utah. Der große Kahn ist die letzte Erzählung des großen dänischen Romanciers, sie erzählt von einer stürmischen Schiffspassage von Europa nach Amerika. Sowohl Klaus Mann als auch Friedrich Sieburg waren große Bewunderer von Herman Bang und haben zwei wundervolle Erzählungen über die letzten Stunden des Dichters geschrieben. Als besonderer Fund kann ein Brief von Herman Bang gelten - 18 Tage vor seinem Tod geschrieben -, der erst 1973 von einem dänischen Verleger zufällig in einem Trödelladen entdeckt und hier erstmalig ins Deutsche übertragen wurde. Zusammen mit dem biographischen Vorwort des Herausgebers Joachim Kersten ist so ein grandioses Buch über einen außergewöhnlichen Menschen und Schriftsteller entstanden, das zugleich ein lebendiges Bild seiner Epoche vermittelt.
Autorenporträt
Herman Bang, (1857-1912), einer der größten dänischen Romanciers seiner Zeit. Geboren als Sohn eines Pfarrherrn auf der Insel Als. Im Alter von vierzehn Jahren verliert er Mutter und Bruder, sein Vater verfällt dem Wahnsinn. Bang zieht nach Kopenhagen und wächst bei seinem Großvater auf. Er bricht sein Studium ab und beginnt zu schreiben, zunächst Literatur- und Theaterkritiken, 1880 erscheint seine erste Novellensammlung. 1890 werden seine Romane auch in Deutschland bei Samuel Fischer publiziert. Als Schriftsteller von Kollegen hoch geachtet, wird er als Homosexueller verfemt und angefeindet. Zu den wichtigsten Werken Herman Bangs gehören die Erzählung Eine Geschichte vom Glück und die Romane Ludwigshöhe, Das weiße Haus, Das graue Haus, Die Vaterlandslosen. Joachim Kersten, geboren 1946, ist Rechtsanwalt, Herausgeber, Autor. Zuletzt sind von ihm erschienen: In einem zerbrochenen Spiegel. Dieter Forte zum 70. Geburtstag und Ein Liebhaber und Handwerker des Geistes. Annäherung an

Klaus Harpprecht in der Neuen Rundschau.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.04.2009

Tod eines Vaterlandslosen
Drei Erzählungen von der letzten Reise Herman Bangs
Ein alternder Schriftsteller stirbt auf einer Reise im Zug durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Seine letzten Blicke gelten einem besorgten schwarzen Steward, an die Bahn hatte ihn in New York ein hübscher junger Mann gebracht. Als die Leiche im Krankenhaus der Provinzstadt Ogden (Utah) untersucht wird, stellen die amerikanischen Ärzte überrascht fest, dass der fremde Tote zart, aber unübersehbar geschminkt ist; gerötete Wangen, Lidstriche. Auch das ein Todessymbol: In Amerika wurden selbst männliche Leichen auf diese Weise für die Zurschaustellung vor der Beerdigung hergerichtet.
Was sich wie eine Variation auf Thomas Manns „Der Tod in Venedig” anhört, hat sich wirklich abgespielt, und zwar im Erscheinungsjahr der Mann’schen Novelle. Der einsam Gestorbene war der dänische Schriftsteller Herman Bang (1857-1912), einer der Großen seiner Epoche, den der Tod auf einer Lesereise quer durch Nordamerika ereilte, die ihn über San Francisco bis nach Indien führen sollte. Vermutlich war Bangs von Drogen, Alkohol und einem gehetzten Leben verbrauchter Organismus den gewaltigen Höhenunterschieden der amerikanischen Ost-West-Reise nicht gewachsen und erlag einem Kreislaufversagen.
Dieses Lebensende hat zwei erzählerische Texte von unverächtlichem Rang angeregt. Der erste ist eine melancholische Burleske Klaus Manns, die Bangs Ankunft in New York, das Widerstreben der dortigen dänischen Gemeinschaft gegen den verdächtigen Décadent und den Triumph des zarten Künstlers über diese Vorbehalte inszeniert. Klaus Mann beschrieb darin 1940 ein Europäerschicksal in Amerika und das Drama eines homosexuellen Außenseiters, der seine Liebe nicht mit Namen nennen darf – zwei ihn existenziell berührende Themen.
Der andere Text ist eine undatierte, erstmals 1951 erschienene Erzählung des Literaturkritikers Friedrich Sieburg, die Bangs letzte Stunden in der Form erlebter Rede nachvollzieht. Schroffe Natur vor den Abteilfenstern, ein misstrauischer Mitreisender mit deutsch-jüdischen Wurzeln, der schwarze Zugbegleiter geistern durch die Todesstunden des Dichters, die im grellen Licht einer Krankenhausanatomie ernüchternd enden. Eine Krankenschwester, die bei ihren Nachtwachen viel liest, hätte so gern einmal einen echten Dichter kennengelernt; dass dieser hier vor allem „über Einsamkeit” schrieb, mag sie zunächst nicht glauben – wie will man mit Einsamkeit ganze Bücher füllen, die doch einer Handlung bedürfen?
Es war eine schöne Idee Joachim Kerstens, die Texte Klaus Manns und Sieburgs mit den letzten Lebenszeugnissen Bangs zu einer nur halb fiktiven Chronik seines Sterbens zu vereinen. Briefe mit Geldsorgen und Beobachtungen auf dem Schiff, das ihn von Europa nach Amerika brachte, gehören dazu, vor allem aber eine auf dem Kreuzer Moltke geschriebene Erzählung mit dem Titel „Der große Kahn”. Sie handelt vom Aufkommen eines Sturms auf dem Ozean und den Reaktionen der vornehmen Gesellschaft auf das Elementarereignis. Bangs literarische Technik, das Ungeheure in Wahrnehmungsatome aufzulösen, wird auf kleinstem Raum sichtbar. Ein Brieftagebuch berichtet vom Wunsch des menschengierigen Dichters, seine Luxusklasse zu verlassen und zu den armen Mitreisenden in den unteren Decks vorzudringen.
Kerstens Einleitung stellt diese Endspiele in den Zusammenhang einer Außenseiterbiographie, die nicht zuletzt den jungen Thomas Mann beeindruckte. Bang war einer der Großen seiner Epoche, dessen Bedeutung, auch dank der verlegerischen Pflege durch Samuel Fischer, vor dem Ersten Weltkrieg weithin anerkannt war. Was einmal „Nervenkunst” hieß, die impressionistische Amalgamierung von Psychologie mit Naturschilderungen und Gesellschaftsdiagnose, hat Bang so raffiniert vorgeführt wie kein Zweiter. Dabei war er ein von Geldsorgen und juristischen Bedrängnissen – der offen Homosexuelle wurde immer wieder mit Strafverfolgung und Erpressungen bedroht – geschundener Mensch, der ohne Suchtmittel nicht zu existieren vermochte.
Eine beeindruckendere Einladung, sich den wundervollen, in etlichen Neuausgaben vorliegenden Romanen und Erzählungen Bangs zuzuwenden, ist nicht vorstellbar. Kersten empfiehlt „Eine Geschichte vom Glück”, wir würden die „Sommerfreuden” anfügen, Thomas Mann schätzte besonders den „Michael”; der Titel eines weiteren Hauptwerks, „Die Vaterlandslosen”, schlägt das politisch-moralische Lebensthema Thema dieses Weltenwanderers an. GUSTAV SEIBT
JOACHIM KERSTEN (Hrsg.): Eines Dichters letzte Reise. Drei Erzählungen von Herman Bang, Klaus Mann und Friedrich Sieburg. Arche Verlag, Hamburg und Zürich 2009, 160 S., 18 Euro.
Ein Meister der Nervenkunst: Herman Bang (1857-1912) Foto: Bilderberg
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hochbeglückt berichtet Rezensent Gustav Seibt über die kleine literarische Kostbarkeit, die der Herausgeber Joachim Kersten hier vorlegt. Der Tod des dänischen Fin-de-Siecle-Autors Herman Bang auf einer Zugreise durch die USA hat Klaus Mann und Friedrich Sieburg zu Erzählungen inspiriert. Sie werden hier kombiniert mit der letzten Erzählung und anderen späten Dokumenten Herman Bangs, den Seibt eindrücklich als einen der "Großen seiner Epoche" empfiehlt. Als impressionistisch-verfeinerte "Nervenkunst" schildert er seine Technik, und man ist nach Lektüre bereit, Bang an eine Seite mit den beiden anderen großen schwulen Autoren der Zeit, Proust und Thomas Mann zu stellen. Seibt nutzt die Gelegenheit, um auch die Hauptwerke Bangs zu empfehlen.

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