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Wie soll der Mensch mit dem Tier umgehen? Soll er überhaupt auf Tiere Rücksicht nehmen oder Tiere schützen? Der Autor behandelt diese Fragen im Rückgriff auf die philosophischen Grundlagen jeder Tierethik. Er zeigt, daß sich weder auf eine religiöse noch auf eine metaphysische Normenordnung Forderungen nach einem Tierschutz stützen lassen. Als einzige rationale Basis des Tierschutzes kommt eine altruistische Einstellung des Menschen zum Wohl des Tieres in Betracht. Auf dieser Basis läßt sich, wie der Autor im Detail argumentiert, zwar kein generelles Tötungsverbot von Tieren begründen, wohl…mehr

Produktbeschreibung
Wie soll der Mensch mit dem Tier umgehen? Soll er überhaupt auf Tiere Rücksicht nehmen oder Tiere schützen? Der Autor behandelt diese Fragen im Rückgriff auf die philosophischen Grundlagen jeder Tierethik. Er zeigt, daß sich weder auf eine religiöse noch auf eine metaphysische Normenordnung Forderungen nach einem Tierschutz stützen lassen. Als einzige rationale Basis des Tierschutzes kommt eine altruistische Einstellung des Menschen zum Wohl des Tieres in Betracht. Auf dieser Basis läßt sich, wie der Autor im Detail argumentiert, zwar kein generelles Tötungsverbot von Tieren begründen, wohl aber die Verpflichtung zu einer weitgehenden Rücksichtnahme auf die Leidensfähigkeit von Tieren.
Autorenporträt
Norbert Hoerster, geb. 1937, lehrte von 1974 bis 1998 Rechts- und Sozialphilosophie an der Universität Mainz. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Ethik und Rechtsphilosophie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2004

Bessere Erkenntnis und bleibender Seelenschaden
Norbert Hoerster fragt nach der Würde der Tiere und erweitert zu deren Schutz erst einmal den Begriff des Interesses

Für Descartes war das Tier kein ernstzunehmender philosophischer Gegenstand. "Ich gebe zu, es kennt sich aus in der Natur, das Tier. Und bleibt doch eine taube Nuß", so läßt Durs Grünbein den Vater des neuzeitlichen Rationalismus das Thema erledigen. Der auf der Höhe der heutigen Zeit befindliche Akademiker zieht die Augenbrauen hoch. Tierethik hat seit Jahren Konjunktur. Die Schweizer haben das Bekenntnis zur "Würde des Tieres" sogar in ihre Bundesverfassung aufgenommen. Was ist von derlei Höhenflügen zu halten? Nichts, antwortet der Rechts- und Sozialphilosoph Norbert Hoerster.

Die Wohlfühlformeln vom Tier als "Mitgeschöpf", von der "Ehrfurcht vor dem Leben" und von der "Würde des Tieres", sie schmelzen unter Hoersters Blick wie Butter in der Sonne. Wie Hoerster zeigt, verfangen sie sich in den Netzen des rhetorischen Überschwangs. Nimmt man sie ernst, so laufen sie auf einen sektiererischen Rigorismus hinaus. Die von Hoerster angeführten Zitate sprechen für sich. Indem ich ein Antibiotikum einnehme, werde ich nach einer Äußerung Albert Schweitzers zum "Massenmörder der Bakterien, die mein Leben bedrohen". Ein anderer bekannter Tierrechtler versteigt sich zu der Behauptung, die Parallelen zwischen der Behandlung der Juden durch die Nationalsozialisten und unserer heutigen Behandlung der Tiere seien "buchstäblich lückenlos". Meistens ist man freilich weit davon entfernt, die genannten Formeln beim Wort zu nehmen. Als Instrumente im politischen Meinungskampf geschätzt, werden sie rechtzeitig auf ein praxistaugliches Maß zurechtgestutzt. Damit verlieren sie ihre Konturen, werden beliebig. Wie Hoerster zu Recht feststellt, degeneriert das große Wort "Würde" auf diesem Weg zu einer "Worthülse oder Leerformel, in deren Bedeutung man einfach jene Forderungen hineinliest, die man als objektiv begründet ausweisen möchte".

Der entscheidende Mangel der Würdekonzeption aber liegt nach Hoerster in ihrem Anspruch auf objektive Begründbarkeit. Ein solcher Anspruch sei im Bereich der praktischen Philosophie deplaziert. Die Annahme einer dem Menschen objektiv vorgegebenen Werte- und Normenordnung beruhe auf einer Illusion. "Kein Lebewesen, ob Mensch oder Tier, besitzt einen mit der bloßen Vernunft erkennbaren ,Eigenwert', auf Grund dessen dieses Lebewesen per se unsere Wertschätzung verdient." Leser Hoersters kennen diese These sei vielen Jahren. Auch Hoersters eigener interessenfundierter Ansatz einer Moralbegründung - jüngst dargelegt in dem Werk "Ethik und Interesse" - ist dem philosophischen Publikum vertraut. Eine moralische Norm oder Forderung kann danach "immer nur vom subjektiven Interessenstandpunkt eines bestimmten Individuums aus begründet sein". In meinem Interesse liegt es beispielsweise, mit anderen Personen zu kooperieren. Diese werden sich mit mir nur unter der Bedingung einlassen, daß ich ihnen die gleichen Grundrechte einräume, die ich für mich selber beanspruche. Kluger Egoismus ist demnach der wichtigste Kitt menschlicher Gesellschaften.

Eine Tierethik läßt sich auf dieser Basis nicht begründen. Tiere können weder streiken noch revoltieren. Welches Interesse könnte ich daran haben, sie anständig zu behandeln? Die Antwort findet Hoerster in einer Erweiterung des Interessenbegriffs. Der Mensch sei von Natur aus dazu in der Lage, außer egoistischen auch altruistische Interessen zu entwickeln. Weil der menschliche Altruismus sich zudem auf das Wohl eines jeden empfindungsfähigen Wesens richten könne, vermöge er einer Tierethik als Grundlage zu dienen. Dem Anti-Naturrechtler Hoerster liegt es fern, die Menschen zur Ausbildung einer altruistischen Disposition zu verpflichten. Jeder Mensch ist so, wie er ist. Die "Kernfrage" der Tierethik lautet in Hoersters Worten daher, zu welchen Formen und zu welchem Ausmaß des Tierschutzes wir aufgrund unseres Tieraltruismus bereit seien. Eine bescheidene Aufgabe. Sie schließt aus, den Descartes dieser Welt unmoralisches Handeln vorzuwerfen. Sie sind nicht unmoralisch, sondern nur anders als wir. Die Tierethik Hoersters trägt kein universalistisches, aber ein kommunitaristisches Gepräge. Sie dient dem besseren Selbstverständnis der Menschen, die sich bereits als Altruisten verstehen.

Diesen seinen Brüdern im Geiste verordnet Hoerster eine gehörige Dosis Realitätssinn. Der Altruist dürfe nicht blind in der Landschaft herumtappen, sondern müsse seinen moralischen Urteilen den Kenntnisstand der empirischen Wissenschaften zugrunde legen. Diese lehrten beispielsweise, daß viele Tierarten Schmerzen in ähnlicher Weise empfänden wie der Mensch. Deshalb muß nach Hoerster der Altruist das Quälen von Tieren ablehnen, "wenn das Tierinteresse an Schmerzfreiheit offenbar von größerem Gewicht als das durch die Verletzung geförderte Menscheninteresse ist". Dagegen fehle den Tieren das für den Menschen charakteristische Ich-Bewußtsein. Deshalb seien sie nicht dazu in der Lage, zukunftsbezogene Wünsche zu hegen. "Und da sie keine derartigen Wünsche haben, haben sie im Unterschied zum Menschen eben auch kein Überlebensinteresse, das durch ihre Tötung verletzt werden könnte." Die Tötung von Nutztieren ist deshalb von Hoerster ein unter moralischen Gesichtspunkten prinzipiell neutraler Akt.

Die Argumentation Hoersters ist voraussetzungsreicher, als sie sich gibt. Das wird deutlich, sobald man im letztgenannten Beispiel "Tier" durch "Fötus" ersetzt. Auch im Hinblick auf die Ungeborenen vertritt Hoerster ja die Ansicht, daß ihre Tötung kein Unrecht sei, solange sie kein Überlebensinteresse aufwiesen. Die Begründungsstruktur hier wie dort die gleiche. Moralisch oder rechtlich schutzwürdig sind danach nur Interessen, und diese werden als reale psychische Phänomene verstanden. Wem diese Verknüpfung beim Umgang mit ungeborenem menschlichem Leben nicht einleuchtet, der muß sie auch im tierethischen Kontext mit einem Fragezeichen versehen.

Die Berechtigung einer Tierethik läßt sich auch anders als interessentheoretisch begründen, nämlich als Ausdruck der Achtung des Menschen vor sich selbst. Wer sich brutalisiert, der zieht seinen eigenen Charakter in den Schmutz; er beschädigt, aristotelisch gesprochen, seine eigene Seele. Hoerster tut diesen Begründungsansatz als zirkulär ab. Er lebe davon, daß die gewünschten moralischen Forderungen im Umgang mit Tieren von vornherein in den Begriff der Selbstachtung hineingelegt würden. Damit wird Hoerster dieser Auffassung aber schwerlich gerecht. Sie erhebt nicht den Anspruch, aus dem Begriff der Selbstachtung geradewegs die Einzelnormen eines Tierschutzgesetzes deduzieren zu können. Wie jeder Tugendlehre geht es auch ihr zunächst um die Einübung einer achtungsvollen Haltung. Für die Einzelfragen verläßt sie sich auf die wohlberatene Urteilskraft. Dort haben Abwägungen ihren Raum, die denjenigen ähneln können, welche Hoerster in seinem Buch anstellt. Dieses Verfahren ist nicht mehr und nicht weniger zirkulär als Hoersters Anreicherung des Interessenbegriffs durch die Komponente des Altruismus. Der Unterschied zwischen beiden Positionen liegt nur darin, daß Hoerster den Altruismus als naturhaftes Faktum einführt, während der tugendethische Ansatz die Pflicht zur Ausbildung eines guten Charakters statuiert. Aber weiß Hoerster, dieser große und unerbittliche Moralist, nicht am allerbesten, was einen guten Charakter ausmacht?

MICHAEL PAWLIK.

Norbert Hoerster: "Haben Tiere eine Würde?" Grundfragen der Tierethik. C.H. Beck Verlag, München 2004. 108 S., br., 9,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Norbert Hoerster schlägt vor, den menschlichen Altruismus zur Grundlage einer Tierethik zu machen. Eine absolute Grundlage sei nicht denkbar, so argumentiert Hoerster, denn: "Kein Lebewesen, ob Mensch oder Tier, besitzt einen mit der bloßen Vernunft erkennbaren 'Eigenwert', auf Grund dessen dieses Lebewesen per se unsere Wertschätzung verdient." Freilich müsse der Altruismus sich bei seiner Urteilsfindung stets in Übereinstimmung mit dem "Kenntnisstand der empirischen Wissenschaften" befinden. Sonst laufe er Gefahr, blind umherzutappen. Eine leichte Modifikation des Hoersterschen Ansatzes schlägt der Rezensent Michael Pawlik vor. Er möchte ins Zentrum tierethischer Erwägungen die "Achtung des Menschen vor sich selbst" stellen: "Wer sich brutalisiert", der "beschädigt, aristotelisch gesprochen, seine eigene Seele." Dieser "tugendethische Ansatz" wahrt skeptische Distanz zu dem von Hoerster postulierten Altruismus des Menschen, an den der Rezensent offensichtlich nicht so recht glauben möchte.

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