Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 10,00 €
  • Broschiertes Buch

Produktdetails
  • Verlag: Edition Isele
  • Seitenzahl: 80
  • Deutsch
  • Abmessung: 230mm x 260mm
  • Gewicht: 362g
  • ISBN-13: 9783861421207
  • Artikelnr.: 25555358
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.08.1998

Säge, Liebster, säge!
Große Freiheitsdichterliebende: Aufklärungen über Emma Herwegh

Dieses wunderbare Zeitalter der großen Lieben und immer diese klugen, schreibenden und dann auch noch schönen Frauen im Spiel, mit den schönen jungen Dichtern oder wenigstens doch Pianisten, es muß eine Lust gewesen sein, wenn man damals eine kluge, schöne Frau war oder ein Dichter oder zumindest Klavier spielen konnte, wie Thalberg und Liszt, das dann schon - also: Madame de Staël zog bewundert von der so gern so etwas bewundernden Welt mit Chateaubriand von Schloß zu Schloß (es waren die eignen). Chateaubriand, reich, gute Familie, europamüde geht er unter die amerikanischen Wilden, ein Werther unter ihnen. George Sand, bemerkenswert schön (die Staël war eigentlich nicht so richtiggehend schön), mit diesem männlichen Touch, reist mit dem romantischen Musset durch die Welt und läßt dieses schöne Weichei dann in Italien sitzen, und er kehrt zurück und steht ganz allein am Genfer See - ach, diese Winzigkeit, um die die Photographie da zu spät ist!

Dann Liszt, am Klavier, und wie er dann mit der Gräfin d'Agoult durch Europa zieht, wie er die Sand besucht, die gleich brühwarm alles Balzac weitererzählt, und dann, wo anders als am Comer See, kriegt sie dieses Baby von ihm, Cosima - es ist dieses Öffentliche an der Liebe, das damals ihre Größe ausmachte; und man liebt ja vielleicht auch anders unter soviel Sonnen. Allenfalls die Callas in unseren Zeiten hätte da Chancen gehabt, aber Jeanne Moreau und Peter Handke, das war schon ein paar Nummern zu klein.

Aber wieder zurück, zu Liszt jetzt und zur d'Agoult, beide bringen uns zu einem der uns unbekannteren, damals aber durchaus berühmten Paare, zu Emma Siegmund und Georg Herwegh: Emma geriet 1841 in gewaltige Wallungen, und zwar politisch-patriotischer Art, als sie in Berlin Liszt hörte, in alle fünf Konzerte ging sie, zu ihren Talismanen gehörte zeitlebens ein Medaillon mit einem kleinen Porträt Liszts. Drei Jahre später, in Paris, verliebt sich Herwegh, eben mit Emma verheiratet, entsetzlich in die von Liszt schon verabschiedete, immer noch sehr schöne d'Agoult - irgendwie bleiben sie unter sich, diese großen Liebenden. Und als später Herwegh sich so sehr in die Frau seines Freundes Alexander Herzen verliebt, daß am Ende keiner weiß, von wem sie nun schwanger ist, und als dann Emma sich in den italienischen Freiheitskämpfer Orsini verliebt und ihm erst in Mantelknöpfe eingenähtes Opium schickt, damit er die Kerkerwachen betäubt, und dann, als das nicht funktioniert, Eisensägeblätter in ein Buch eingebunden, womit ihm dann, nach grausamer Sägerei, die Flucht glückt: da sind auch das natürlich keine Mesalliancen.

Und eben auch die zwischen Emma und Georg war ganz das Gegenteil davon, das große romantische Gegenteil gewesen: hier die anspruchsvolle, gebildete, wilde und von immer wieder abgewiesenen Freiern umschwärmte Emma, Tochter eines reichen Tuchkaufmanns, eines assimilierten Juden mit Stadtpalais und prächtigem Landhaus; und da der gefeiertste Dichter Deutschlands, Deutschlands mindestens, mit seinen "Gedichten eines Lebendigen", die er auf einer wahren Triumphreise überall vorträgt - und eben auch in Berlin; und sie ist schön, und er ist sehr schön, sie finden, daß sie beide füreinander gemacht sind, und offenbar sind sie es.

Und Berlin und Deutschland, Deutschland mindestens, klatscht Beifall, als sie sich wollen, und dies unter diesen doch sehr dagegensprechenden Umständen: Herweghs Sachen werden verboten, er wird aus Preußen und dann überall ausgewiesen, keiner will einem Staatsfeind wie ihm die Papiere geben, die auch die freundlichen Schweizer Kantone nun doch brauchen zur Bleibe für eine Heirat - und doch schaffen sie es und heiraten.

Und das ist denn natürlich, die Zeiten sind andre geworden, aus viel härterem Stoff gemacht, als was sich davor Liebe nennen mochte. Emma, Freiheitsdichterliebende ganz und gar und mit Haut und Haar, leidet natürlich, wenn sie ihn anderswo die Zeit sich vertreiben sieht, die er der Welt schuldet: Aber sie kennt seine Mission und schuldet selber wiederum der Welt die Unerschüttertheit einer Liebe, mehr also als das bloße Bild einer solchen Unerschüttertheit, der Liebe eines großen Paares, das sich mit dem Glanz des schlagenden fliegenden Wortes und der liebenden Schönheit denen gewidmet hat, die das alles nicht haben und doch brauchen wie wir. Es ist ein gewaltiger Anspruch, den sie beide erheben, auch an sich selbst, daß das Dichten für sich gar nichts ist und nur etwas, wenn es wirkt, weil es wirken will, und dann auch noch für die wahre Sache, und man kann finden, daß sie irren. Aber so dachten sie nun einmal, in ihrer wilden, rührenden Unbedingtheit.

Und Georg, auch wenn er sich erst die karge Zeit bei der parfümierten d'Agoult vertreibt und dann noch, und das hätte jeden andern bei all diesen andern großen Liebenden alles gekostet und selbst ihn nahezu alles, wären sie beide nicht doch so beinahe riesenmäßig groß gewesen, in allem, und dann also noch diese kaum noch irgendwie schöne Geschichte mit den Herzen, sogar eine Ehe zu viert muß Emma mitmachen, und die Welt lacht über sie - Georg also, immer wenn er dann wieder ganz er selber ist, bleibt in politischen Dingen unbeugsam und bleibt's damit eben auch in wirtschaftlichen Belangen. Wie die andern, die Freiligrath etwa, hätte er natürlich zu Geld kommen können, Staat und Gesellschaft waren heilfroh, wenn sie die alten Rebellen wenigstens dem Scheine nach als Gezähmte vorzeigen konnten (Rehfues, preußischer Universitätskanzler in Bonn, Herrscher in der Berliner Zensurbehörde, habe ihm, erzählt Gutzkow, der jahrelang verbotene Jungdeutsche, wenn er's nicht weitersage, einmal in diesem Sinne eine Professur angeboten).

Aber Georg Herwegh (wie Gutzkow, aber der verdiente inzwischen sehr schön) blieb standhaft und verdiente nichts (Emma hatte bei den Ihren längst ihr Erbe verwirkt, zumal der Papa auch nicht mehr so reich war) und hielt es an diesem Punkt ganz mit Heines Grenadier, der da von den Seinen zu Hause sagt, als er fast tot noch immer zu Napoleon hält: "Laß sie betteln geh'n, wenn sie hungrig sind!" - und genau das tat Emma: sie ging betteln, sie schrieb Bettelbriefe, sie fand gut, daß ihr Mann stark und standhaft blieb, oder wie man das nennen will.

Ein großes Paar. Und namentlich nun dieser Emma Herwegh haben jetzt die Schillergesellschaft und das Deutsche Literaturarchiv in Marbach eines ihrer immer wieder bemerkenswerten "Marbacher Magazine" gewidmet, das dreiundachtzigste - man ist, wie immer, entzückt von der quirlig-schönen Art, in der das Haus in Marbach, unter der Redaktion von Friedrich Pfäfflin, solche Bücher macht; so etwas geht also, sagt man sich. Geschrieben hat das untergründig sehr witzige und doch ganz glänzend ernsthafte Büchlein Michail Krausnick, und er hat da einen wirklich großen Griff getan in dieses unendlich gestaltenreiche geistig-politische Deutschland und Europa des letzten Jahrhunderts. Wir wissen da im Grund so gut wie nichts, und das wenige, das wir zu wissen glauben, ist wirr und falsch. Die Aufklärungen, die da aus Marbach kommen, haben, wenn sie so gut gemacht sind wie jetzt von Krausnick, etwas wirklich Bezauberndes: sie beschämen uns nicht, denn wir sind ja auch unschuldig darin, daß wir nichts wissen, und sie machen uns klüger, und zwar während sie uns unterhalten. Und es ist besonders hübsch, daß die Schillergesellschaft an diesem Punkte so lehrreich Buße tut für die Sünden einer damaligen Schillerstiftung: die sollte notleidende Dichter unterstützen, fand aber, daß Herwegh keiner Hilfe würdig wäre. Emma mußte schließlich Herweghs Bibliothek verschleudern.

Am Schluß bringt Krausnick, zum allerersten Male gedruckt, einen kleinen Nachruf, den Emma damals, auf Verlangen der "Gartenlaube", auf ihren Georg geschrieben hatte; sie glaubte nicht, daß die "Gartenlaube" ihn drucken würde, und die "Gartenlaube", kein übles Blatt im Grunde, und gebeten hatten die Herausgeber Emma ja immerhin, tat es auch nicht. Natürlich hätte Emma leicht so schreiben können, daß die "Gartenlaube" es gedruckt hätte - aber da lag es eben. Das war noch einmal diese Größe, die selbst im Tode den Geliebten eher vergessen als begnadigt haben will.

Schön auch Krausnicks Zitate aus Frank Wedekinds Notizen; Wedekind, als junger Mensch Ende des Jahrhunderts, hat in Paris beinahe so etwas wie ein Verhältnis mit Emma Herwegh gehabt: Er hat ihr erzählt, wen er so liebte, und sie ihm, wen und wieweit seinerzeit ihr Georg geliebt hatte. Aus diesen Notizen Wedekinds zitiert auch sehr gern, abgesprochen übrigens mit Krausnick, sagt er, Horst Brandstätter in einem außerordentlich relaxed und klug phantasierenden Essay, den er seinem Abdruck eines der interessantesten Texte zum Leben der Herweghs beigibt.

Im März 1848 hatte eine "Deutsche Demokratische Gesellschaft" in Paris Herwegh zu ihrem Präsidenten gewählt, es war eine "Deutsche demokratische Legion" gebildet worden, 650 Männer, die der Demokratie in Deutschland aufhelfen sollten. Emma machte mehrmals, durch die Linien hindurch, die Verbindung zwischen der bei Straßburg wartenden Legion und den Freunden im Badischen und agierte dann, zur Bewunderung aller, wie ein Mann unter diesen Männern, als es im Schwarzwald hart auf hart ging. Die Legion wurde aufgerieben, zweifellos hätte man die Herweghs, und besonders sie, wie immer die Intellektuellen, wenn sie auch noch tätig werden, übel behandelt, aber sie konnten beide, abenteuerlich genug, entkommen.

Nach ihrem unzensierten Handexemplar hat Brandstätter nun Emmas Darstellung der Geschichte dieser Legion gedruckt, eine faszinierende und witzige Darstellung, die Emma, mit groben Strichen der Zensur, 1849 anonym hatte erscheinen lassen - man muß eine solche Darstellung einmal mit den Revolutionswitzeleien eines wohlgelittenen Mannes wie Hackländer vergleichen, um wenigstens doch das moralische Recht der Herweghschen Position zu spüren. "Im Interesse der Wahrheit" hat Emma Herwegh ihr Büchlein genannt, "von einer Hochverräterin" sei es verfaßt. ROLF VOLLMANN

"Nicht Magd mit den Knechten. Emma Herwegh". Eine biographische Skizze, bearbeitet von Michail Krausnick. Marbacher Magazin, Sonderheft 83/1998. 128 S. mit 63 z. T. farbigen Abb., br., 15,- DM.

Emma Herwegh: "Im Interesse der Wahrheit. Zur Geschichte der Deutschen demokratischen Legion aus Paris, von einer Hochverräterin". Nach dem unzensierten Handexemplar der Autorin, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Horst Brandstätter. Libelle Verlag, Konstanz 1998. 126 S., br., 25,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr