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Bis in die Gegenwart reichende, illustrierte Geschichte des modernen Indiens
Michael Manns Buch ist eine umfassende und informative Einführung in die Geschichte des modernen Indiens. Das Werk beginnt mit einem chronologischen Überblick, der den Lesern erste Orientie-rung über die Hauptphasen der neueren indischen Geschichte gibt. Es schließen sich Kapitel an, die Kontinuitäten und Umbrüche auf politischem, sozialem und kulturellem Gebiet betrachten, Langzeitentwicklungen erkennbar machen und Periodisierungen vornehmen. Verstärkt wird die Perspektive einer "Geschichte von unten"…mehr

Produktbeschreibung
Bis in die Gegenwart reichende, illustrierte Geschichte des modernen Indiens

Michael Manns Buch ist eine umfassende und informative Einführung in die Geschichte des modernen Indiens. Das Werk beginnt mit einem chronologischen Überblick, der den Lesern erste Orientie-rung über die Hauptphasen der neueren indischen Geschichte gibt. Es schließen sich Kapitel an, die Kontinuitäten und Umbrüche auf politischem, sozialem und kulturellem Gebiet betrachten, Langzeitentwicklungen erkennbar machen und Periodisierungen vornehmen. Verstärkt wird die Perspektive einer "Geschichte von unten" berücksichtigt, insbesondere bezogen auf die Erfahrungen in der Epoche kolonialer Herrschaft. Zahlreiche Bilder, Karten und Literaturhinweise vervollständigen den Band.

Inhaltsverzeichnis:
Vorwort
1. INDIEN - SÜDASIEN: EINE LANDESKUNDLICHE, UMWELTGESCHICHTLICHE
UND HISTORIOGRAFISCHE EINFÜHRUNG
1.1 Indien, indischer Subkontinent, Südasien
1.2 Geschichtswissenschaften und Geschichtsschreibung
1.3 Periodisierung
1.4 Zu Machart und Aufbau dieses Buches
2. REICHSBILDUNG UND STAATSFORMIERUNG
2.1 Formen und Modelle
2.2 Staatsbildungsprozesse im 18. und 19. Jahrhundert
2.2.1 Maratha swrajya (1674-1818)
2.2.2 Bengalen (1713-1793)
2.2.3 Britisch-Indien (1757-1857)
2.2.4 Maisur (1758-1799)
2.2.5 Kota (1707-1838)
2.2.6 Awadh (1722-1856)
2.3 Der British Raj in Indien (1858-1947)
2.3.1 Verfassungsrechtliche Entwicklung Britisch-Indiens
2.3.2 Die indischen Staaten
2.4 Patriotismus und Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert
2.4.1 Der Große Aufstand (1857-1859)
2.4.2 Die indische Nationalbewegung (1870-1947)
2.5 Indien, Pakistan, Bangladesh
2.5.1. Indische Union
2.5.2 Islamische Republik Pakistan
2.5.3 Bangladesh
3. LANDWIRTSCHAFT UNDWALDBEWIRTSCHAFTUNG
3.1 Formen der Landnutzung
3.2 Die indische Landwirtschaft im 18. Jahrhundert
3.3 Kontinuitäten, Wandel und Brüche unter der Kolonialherrschaft
3.3.1 Bengalen
3.3.2 Nordindien
3.3.3 Panjab
3.3.4 Südindien
3.3.5 Westliches Indien
3.3.6 Sri Lanka/Ceylon
3.3.7 Koloniale Agrarkrisen
3.3.8 Post-koloniale Landwirtschaft
3.4 Waldnutzung und Forstwirtschaft
3.4.1 Koloniale Waldbewirtschaftung
3.4.2 Postkoloniale Fortswirtschaft
4. MIGRATION UND DIASPORA
4.1 Zum Phänomen von Migration und Diaspora
4.2 Frühe indische Migration und Diasporabildung
4.3 Globalisierung und beschleunigte Migration
4.3.1 Anwerbungsgebiete und Rekrutierungsmethoden
4.3.2 Wanderung und Ansiedlung
4.4 Die indische Disapora
4.4.1 Niederlassung und frühe Diaspora
4.4.2 Mauritius
4.4.3 Französische Maskarenen und Antillen
4.4.4 Südafrika
4.4.5 Ostafrika
4.4.6 Singapur
4.4.7 Malaya
4.4.8 Sri Lanka
4.4.9 Birma
4.4.10 Golfstaaten
4.5 Globale Diaspora
5. INDUSTRIALISIERUNG UND URBANISIERUNG
5.1 Allgemeine Stadtentwicklung und indische Stadtgeschichte
5.2 Handwerk, Gewerbe und Industrialisierung
5.3 Das Problem des Arbeitsmarktes
5.4 Urbanisierung
5.5 Stadtverwaltung und Stadtplanung
5.6 Probleme der Urbanisierung nach 1947
6. WISSENSCHAFTEN UND TECHNIK
6.1 Zur Geschichte der Wissenschaften in Indien
6.2 Historiografie
6.3 'Naturgeschichte': Botanik, Geografie und Geologie
6.4 Medizin
6.5 Bewässerungskonstruktionen
6.6 Schiffbau- und Dampfschifffahrt
6.7 Eisenbahnbau
6.8 Telegrafie, Telefon und Fernsehen
6.9 Bildung und Ausbildung
Glossar
Abbildungsnachweis
Register

Rezension:
Mann, Michael: Geschichte Indiens. Vom 18. bis zum 21. Jahrhundert.
Paderborn: UTB 2005. ISBN 3-8252-2694-8; 431 S.; EUR 19,90.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Melitta Waligora, Institut für Asien- und Afrikawissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin
E-Mail: 'melitta.waligora@rz.hu-berlin.de'

Die "Geschichte Indiens" von Michael Mann rechtfertigt sich durch zwei Leistungen. Erstens bricht der Autor mit gängigen Mustern, Geschichte darzustellen, sowohl allgemein Geschichte wie auch speziell indische Geschichte. Zweitens liefert er zu den verschiedenen Themenbereichen der Geschichte Indiens, für deren Darstellung er sich entschieden hat, einen umfassenden Einblick in den jeweiligen aktuellen Forschungsstand. Der interessierte Leser kann sich mit dieser Hilfe alsbald selbständig in die Themen einarbeiten und weiterforschen.

Michael Mann enttäuscht bewusst konventionelle Erwartungen, die an eine Geschichte Indiens vom 18. bis zum 21. Jahrhundert gerichtet sind. Er will keinen Beitrag zur Nationalgeschichtsschreibung Indiens leisten (S.
13) und reagiert mit seinem Ansatz kreativ auf die aktuellen Debatten um die indische Nation, den Nationalstaat und die Nationalgeschichtsschreibung. Ihm geht es um "transregionale und translokale Aspekte der Geschichte", weswegen er vorzugsweise von Südasien spricht (S. 13). Der Begriff Indien hingegen verbindet sich eher mit der Vorstellung von einem Nationalstaat, dessen Entstehung und Entwicklung in einer Chronologie nachzuzeichnen wäre. Dem verweigert sich der Ansatz, eine Region in den Blick zu nehmen, in der es sowohl wechselseitige Dependenzen als auch große Disparitäten gab und gibt, die sich nur schwer in eine Chronologie pressen lassen. Der Leser steht also ohne Zahlengerüst da, was nicht bedeutet, es kämen keine Jahreszahlen vor. Sie binden sich nur an die jeweiligen Themenblöcke, anhand derer Michael Mann eine "Gesellschaftsgeschichte Südasiens" entwerfen möchte.
Folgende Themen hat er für sein Anliegen ausgewählt: Reichsbildung und Staatsformierung; Landwirtschaft und Waldbewirtschaftung; Migration und Diaspora; Industrialisierung und Urbanisierung sowie Wissenschaft und Technik. Auffällig ist bei der Themenwahl der Mut zur Lücke und ein Querdenken zum gängigen Indienbild bei deutschsprachigen Lesern. Die Region Südasien wird mittels Themen dargestellt, die für die Herausbildung moderner Gesellschaften überall auf dem Globus von Belang sind und die nicht nur auf den ersten Blick nichts Exotisierendes an sich haben, wenn sich auch im Verlauf der Darstellung südasiatische Spezifika zeigen. Bisherige deutschsprachige Darstellungen glaubten darüber hinaus dem Anspruch genüge tun zu müssen, einen Überblick über den gesamten bekannten Geschichtsverlauf des Subkontinents zu liefern.
Der Althistoriker Hermann Kulke lässt in seinem ebenfalls 2005 erschienenen Werk konsequenterweise indische Geschichte in dem Jahrhundert enden, in dem Michael Mann seine Geschichte beginnt. Man(n) kann also, wie für andere Regionen längst üblich, eine Geschichte des modernen Südasiens schreiben, ohne mit der Industalkultur, der arischen Einwanderung und den Veden beginnen zu müssen. Damit könnte vielleicht auch im deutschsprachigen Raum der kolonialgeschichtliche Ansatz überwunden werden, der den südasiatischen Raum primär aus seiner Vergangenheit erklärt und die Gegenwart nur als Fehlentwicklung oder schlechte Kopie der europäischen Moderne versteht. Zweifellos haben viele der heutigen Entwicklungen und Probleme Südasiens - die sich stets weitende Schere zwischen arm und reich, Stadt und Land, technischen Höchstleistungen und vormoderne Praktiken; die zum Teil erschreckend brutalen Verteilungskämpfe um Ressourcen, die an den Markierungen von Religionszugehörigkeit, Kaste und Gender ausgetragen werden - oft weniger mit der alten Geschichte und Kultur zu tun als mit den spezifischen Ausprägungen, die die Realitäten in Südasien mit dem Beginn der kolonialen Eroberung im 18.Jahrhundert erfahren haben. Insofern setzt Michael Mann die richtige Zäsur und vermag einen Beitrag zum Verständnis der südasiatischen Moderne zu leisten.

Wenn man denn eine Linie der historischen Entwicklung in Südasien vom 18. zum 21.Jh. ziehen wollte, so könnte man sie "Entzauberung Indiens" nennen, wie es Mann in Anlehnung an Osterhammel tut (S. 352). Diese Linie lässt sich grob in drei Phasen unterteilen, die durch Beginn und Ende der Kolonialzeit markiert werden und sofort muss auf die Schwierigkeit hingewiesen werden, den Beginn exakt und für ganz Südasien gleichzeitig zu datieren (im Unterschied zu ihrem Ende 1947). Ohne einer Romantisierung das Wort zu reden, wurde Indien gesucht und gefunden ob seiner in europäischen Augen unermesslichen Reichtümer. Liest man die einzelnen thematischen Kapitel quer, so kann man sich zum Beispiel ein überraschendes Bild vom Indien des 18.Jh. machen. Hier hat die Forschung der letzten Jahrzehnte die einseitige Darstellung überwunden, nach der es sich ausschließlich um eine Zeit des Niedergangs und Chaos handelte, in die die Kolonialmacht ordnend und zivilisierend eingriff. Michael Mann beschreibt in den jeweiligen Kapiteln diesen komplexen Prozesse der Staatsformierung in verschiedenen Regionen Südasiens, die damit verbundene Intensivierung der Landwirtschaft, um finanzielle Ressourcen für diese Regionalreiche zu erschließen, die hohe Mobilität und Flexibilität in den Bereichen von Handwerk und Handel, um den Warenbedarf mittels Netzwerke in- und außerhalb der Region Südasiens zu decken, eine Urbanisierungsrate, die dem Vergleich mit dem damaligen Europa standhält. Allerdings, und dies macht der Autor deutlich, lassen sich generalisierende Aussagen über ganz Südasien zu kaum einem der ausgewählten Themenblöcke treffen und erst der nach Prinzipien der homogenisierenden Rationalität errichtete Kolonialstaat zeigte Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Subkontinents.

Die Phase der Kolonialgeschichte ist in dem betrachteten Zeitraum die längste und prägende gewesen. Der Autor enthält sich jeglicher moralischen Bewertung und operiert stattdessen mit einer Fülle von Fakten und theoretischen Ansätzen, diese Zeit zu interpretieren. Die vielen Manöver des Kolonialstaates, sich zu etablieren und die zu ihm gehörenden Territorien im Sinne des britischen Empire sinnvoll zu verwalten, werden angesichts der komplexen Vorgänge und einer umfangreichen Forschungsliteratur dazu nur kurz zusammengefasst.
Wesentlich breiter werden Kontinuitäten, Wandel und Brüche in der Landwirtschaft beschrieben, deren regionale Besonderheiten sich zwingend einem generalisierenden Zugriff entziehen. Interessante Einblicke in die Zwiespältigkeit der Kolonialpolitik bietet z.B. der Abschnitt über die Waldnutzung und Forstwirtschaft. Die Nutzung des Waldes war bereits in vorkolonialer Zeit konfliktreich und Bestrebungen zur optimalen Verwertung mit Aufforstungsmaßnahmen verbunden. Die koloniale Forstpolitik holte Spezialisten aus Europa, auch deutsche Wissenschaftler, zur Einführung einer einheitlichen Forstgesetzgebung und -bewirtschaftung, was zur Folge hatte, dass Prinzipien einer alpinen Forstkultur auf die Wälder Südasiens übertragen wurden und mit ihnen die Vision des "Normalbaumes"(S. 194). Doch ebenso fand bereits 1805 die Idee der Nachhaltigkeit bei der Bewirtschaftung der Wälder erstmals außerhalb Europas Beachtung. Für die bisherigen Nutznießer bedeutete die staatliche Forstpolitik eine zum Teil gewaltsame Verdrängung aus ihrem
Lebens- und Wirtschaftsraum, was dann - sicherlich nicht die ursprüngliche Absicht - dem großen Bedarf nach billigen Arbeitskräften in dem arbeitsintensiv betriebenen Ausbau neuer Transport- und Kommunikationswege entgegenkam. Die indische Regierung nach 1947 knüpfte an die koloniale Forstpolitik (entschädigungslose Vertreibung, Monokultur der Wälder) zunächst nahtlos - nun im nationalen Interesse - an und provozierte zahlreiche gewaltsame Konflikte und Widerstandsbewegungen. Dies sind - neben einer ideellen Entzauberung, die ab dem 19. Jh. in der Wahrnehmung Indiens primär als Land der Dekadenz, Geschichtslosigkeit, orientalischen Despotie etc. bestand - Prozesse der materiellen Entzauberung, die abgesehen von der Waldwirtschaft vor allem in den Themenblöcken zur Industrialisierung und Urbanisierung sowie Wissenschaft und Technik verfolgt werden. Das wird in den zahlreichen Beispielen von kolonialstaatlichem Protektionismus deutlich, womit die britischen Interessen in der Industrie, technischem know how, Wissenschaften, Handel oder einfach Kontroll- und Machtbefugnisse in der Verwaltung und insbesondere der Finanzen gewahrt wurden. Gerichtet war diese Politik gegen das stetige Bemühen einheimischer Unternehmer, Banker, Handwerker, Händler, Wissenschaftler um Teilhabe, Mitgestaltung und Nutznieß an den enormen Veränderungen, die, wenn auch nur punktuell und gebremst, in Richtung Industrialisierung, Modernisierung, Urbanisierung abliefen. Hier wurden die Weichen für entscheidende Entwicklungen der südasiatischen Moderne gestellt. Dazu gehört allerdings auch, dass etwa eine der wenigen indischen Erfolgsgeschichten privaten Unternehmertums, der Stahlfabrikant Jamshed N. Tata, von zweierlei Seiten profitierte: das notwendige Startkapital brachte er, nachdem der britische Kreditmarkt sich verweigerte, 1911 durch indische Kapitalgeber auf, die es als ihre patriotische Pflicht ansahen, in ein nationales Unternehmen zu investieren (S. 299); die nötigen Arbeitskräfte, darunter auch Fachpersonal, gewann das Unternehmen reibungslos Dank kolonialstaatlicher Vorleistungen wie der oben bereits erwähnten Vertreibung lokaler Bevölkerungsgruppen aus den Wäldern und einer rigide Arbeitsgesetzgebung (S. 301). Solche Zusammenhänge erschließen sich dem aufmerksamen Leser leicht und lassen ihn den Weg der materiellen Entzauberung Südasiens durch Fesselung von Reichtümern, Potentialen, Initiativen und Fähigkeiten erkennen, der diese Region in die Kategorie der sogenannten Dritten Welt geführt hat. Die Entwicklungen nach Erlangung der Unabhängigkeit 1947, die zumindest im 21. Jahrhundert als Resultat verbuchen können, in einem Atemzug mit China als aufstrebende Wirtschaftsmacht genannt zu werden, werden vergleichsweise kurz umrissen.

Einige kleine Einschränkungen trüben den insgesamt positiven Eindruck.
Bei der Fülle der Themen, die Michael Mann in seiner Geschichte Indiens behandelt, haben sich leider auch einige Ungenauigkeiten und widersprüchliche Aussagen eingeschlichen. Bei zukünftigen Projekten dieser Art - es stehen ja noch einige Themenfelder offen wie z. B. die Sozialstrukturen oder Genderthematik - sollte der Beistand der inzwischen nicht so kleinen und gut ausgebildeten deutschen Historikergemeinschaft zu Südasien gezielt gesucht werden. Der Verlag hat sich mit seinem Kleinod bedauerlicherweise wenig Mühe gegeben, die zahlreichen Karten und Fotos sind zum Teil durch schlechten Druck kaum brauchbar und ein sorgfältigeres Gegenlesen hätte manch Druckfehler vermieden.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Vanessa Ogle 'ogle@fas.harvard.edu'

URL zur Zitation dieses Beitrages
'http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-3-223'
Autorenporträt
Michael Mann, geb. 1959, studierte die Geschichte Südasiens, Germanistik und Indologie an der Universität Heidelberg. Seit 2010 ist er als Professor für Kultur und Gesellschaft Südasiens an der Humboldt- Universität zu Berlin tätig.