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Adele Schopenhauer - Schriftstellerin, Künstlerin, die Schwester des Philosophen Arthur Schopenhauer - und die »Rheingräfin« Sibylle Mertens-Schaaffhausen verband eine leidenschaftliche Liebesbeziehung mit den dazugehörigen Höhen und Tiefen. Seit 1828 waren sie ein Paar: »am besten vergleichst Du uns ein paar Leuten, die sich spät finden und dann einander heiraten. Stürbe sie - so spräng ich jetzt in den Rhein, denn ich könnte nicht ohne sie bestehen«, schrieb Adele ihrer Freundin Ottilie von Goethe.Sibylle Mertens war eine der gebildetsten Frauen ihrer Zeit, Musikerin, Komponistin,…mehr

Produktbeschreibung
Adele Schopenhauer - Schriftstellerin, Künstlerin, die Schwester des Philosophen Arthur Schopenhauer - und die »Rheingräfin« Sibylle Mertens-Schaaffhausen verband eine leidenschaftliche Liebesbeziehung mit den dazugehörigen Höhen und Tiefen. Seit 1828 waren sie ein Paar: »am besten vergleichst Du uns ein paar Leuten, die sich spät finden und dann einander heiraten. Stürbe sie - so spräng ich jetzt in den Rhein, denn ich könnte nicht ohne sie bestehen«, schrieb Adele ihrer Freundin Ottilie von Goethe.Sibylle Mertens war eine der gebildetsten Frauen ihrer Zeit, Musikerin, Komponistin, Archäologin, Antikensammlerin und Mäzenin. Ihre Salons in Bonn und Rom waren berühmt. Vom Vater an einen ungeliebten Mann verheiratet, pflegte sie Zeit ihres Lebens intensive Beziehungen zu Frauen. Adeles Leben mit Sibylle Mertens wurde so nicht nur von deren Ehemann und ihren sechs Kindern beeinträchtigt, die ihre Beziehung als »Unrecht, Wahnwitz, Tollheit« torpedierten. Auch Sibylles Hang zu neuen Eroberungen ebenso wie ihre enge Freundschaft zu Annette von Droste-Hülshoff lasteten schwer auf Adele. Aber selbst nach einer mehrjährigen Trennung fanden sie wieder zusammen.Anhand vieler bisher unveröffentlichter Quellen erzählt Angela Steidele die Geschichte zweier ungewöhnlicher Frauen: Pionierinnen, die in Wissenschaft und Kultur, Wirtschaft, Politik und nicht zuletzt in ihrem Privatleben Grenzen einrissen - zu einer Zeit, als es Liebe zwischen Frauen offiziell gar nicht geben durfte.
Autorenporträt
Wissenschaftlich recherchieren - literarisch schreiben ist Angela Steideles Markenzeichen in Werken wie Geschichte einer Liebe: Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens (2010), Anne Lister. Eine erotische Biographie (2017), Zeitreisen (2018) sowie Poetik der Biographie (2019). Für ihren Roman Rosenstengel (2015) erhielt sie den Bayerischen Buchpreis. Die Autorin, geb. 1968, lebt in Köln. Wie das passieren konnte, weiß sie allerdings nicht.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.05.2010

Unter der Eisrinde
Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens – eine Lebensliebe
Sie hatten beide die dreißig überschritten, als sie sich fanden. Im Januar 1828 besuchte Adele Schopenhauer zum ersten Mal den Salon der sechsfachen Mutter und unglücklich verheirateten Sibylle Mertens. Sie fiel auf unter all den Gattinnen aus vermögenden oder akademisch gebildeten Familien. Die sehr reiche Hausherrin warb um sie mit all der Energie und Heftigkeit, die ihr eigen waren und e Zeitgenossen immer wieder verstörten. Nicht so Adele. Sie berichtete Ende April der Jugendfreundin Ottilie von Goethe: „Was sie alles gethan hat um mich zu gewinnen u aus welcher reinen Absicht, wie sie mitten drin die Absicht verloren, u nur Gefühl geworden, das meine Ottilie, ist zu groß u wunderlich um es einem Wisch Papier anzuvertrauen, den du doch herum liegen läßt.“
Es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, auch wenn Adele etwas zögerte, hatte sie ein Mann doch vor kurzem erst ins Bett gezerrt, dann hingehalten und dann sitzen gelassen. Aber Sibylle schaffte es, die „menschlich weiche Neigung“ im „vom Kummer versteinten Herzen“ zu wecken. Sie bewunderte die kluge Freundin, die sich für alles, was groß und schön schien, interessierte, „Kunst, Alterthum, Gemälde, Poesie“, und sie folgte der neuen Gefährtin auf den Auerhof, wohin diese im Frühjahr mit den Kindern zog. Den Mann, Louis Mertens, einen so langweiligen wie übellaunigen und groben Kerl, hielten gottseidank die Bankgeschäfte in Köln fest. So konnte er den Flitterfrühling nicht stören.
Wie eine Erlöserin erschien Sibylle nun in Briefen Adeles: „Sie verschönt mein verkümmertes Daseyn, sie erleichtert die Kette die mich drückt darum liebe ich sie dankbar, denn sie ist meine Wohlthäterin –: sie hat die Eisrinde meines Herzens gelöst.“ So wie diese Sibylle Mertens, teilt sie der einst angehimmelten und vergeblich umworbenen Ottilie mit, so wie diese Frau werde sie „wohl nie wieder jemanden lieben“. Das blieb trotz Trennung, Krisen, Enttäuschungen und Eifersucht wahr bis zum Tode Adele Schopenhauers im August 1849. Die Geschichte dieser beiden ist eine der großen Liebesgeschichten, wie sie in diesem Format – mal melodramatisch, mal opernhaft, mal von singspielartiger Komik, voll von bösen Kindern oder Brüdern, missgünstigen Erben und großzügigen Revolutionären, mit Schauplätzen in Weimar, Rom und Köln, mit Umsturz, Bankrott und italienischen Höhepunkten – wohl nur das 19. Jahrhundert hervorbrachte. Dass man sie dennoch kaum kennt, über diesen hinreißenden deutschen Liebesroman wenig weiß, liegt daran, dass zwei Frauen ihn erlebten und er obendrein zum populären Zerrbild vom Biedermeier nicht passen will.
Nun hat die Literaturwissenschaftlerin Angela Steidele die Lebensgeschichten und Gefühlsschicksale der beiden Frauen nachgezeichnet. Auf Vorarbeiten konnte sie nur dort zurückgreifen, wo geistesgeschichtliche Prominenz den Weg Adeles und Sibylles gekreuzt hatte: neben dem Bruder Arthur Schopenhauer die Familie Goethe und die zeitweilige Nebenbuhlerin, dann aber gemeinsame Freundin Annette von Droste-Hülshoff. Viel zu oft aber waren Quellen nur in Auszügen berücksichtigt oder gar entstellt worden. Tausende Seiten sichtete Steidele in den Archiven von Weimar und Köln, bevor das letztere im März 2009 in einem U-Bahn-Schacht versank.
In vier Kapiteln erzählt Steidele die „Geschichte einer Liebe“. Wie sie es schafft, ihre Heldinnen ausführlich zu Wort kommen zu lassen, ohne sich in der Fülle der Zitate zu verlieren, kann man nur bewundern. Zunächst stellt sie zwei gutbürgerliche, wohlhabende Familien vor: die Schaaffhausens im französisch besetzten Köln und die Schopenhauers im fernen, 1797 zu Preußen gehörenden Danzig. Sibylle Schaaffhausens Mutter starb eine Woche nach der Geburt ihrer Tochter am Kindbettfieber.
Der Vater, der die vermögenslose Magd aus Liebe geheiratet hatte, ließ die eben geborene Tochter monatelang allein, nahm sich dann eine zweite Frau. Wenigstens ging er mit der kleinen Sibylle immer wieder zu Ferdinand Franz Wallraf, in dessen Haus man buchstäblich über Kunst stolperte. Überall lagen oder standen Bücher, Gemälde, Kupferstiche, Antiquitäten und Kuriositäten. Wallraf unterwies Sibylle etwa in römischer Münzkunde. Aus ihr wurde später auch eine Sammlerin und Altertumskundige von Rang.
Die Schopenhauers waren nicht ganz so vermögend wie die Schaaffhausens, aber doch gut gestellt, bis der Vater 1805 den Freitod wählte. Die Mutter zog mit der Tochter nach Weimar, führte dort einen aufwändigen, ihre Möglichkeiten bald übersteigenden Salon und legte in den Weimarer Jahren den Grundstock für ihre Karriere als Schriftstellerin. Die Tochter Adele verguckte sich in Ottilie von Pogwisch, die sich folgenlos anschwärmen ließ, 1817 aber August von Goethe heiratete. Adele dagegen gefiel den Männern nicht recht. Man könnte eine kleine Anthologie mit bösartigen Beschreibungen ihres Äußeren zusammenstellen. Am unangenehmsten dürfte gewesen sein, dass sie sich kaum bemühte, den Männern zu gefallen, lieber viel und mit volltönender Stimme über die Dinge sprach, die sie interessierten und von denen sie, eine Tochter des klassischen Weimar, mehr verstand als etwa ihr misogynser Bruder Arthur zugestehen mochte.
Auch Sibylle Schaaffhausen – dünn, schmales Gesicht, lange, spitze Nase – zeichnet sich nicht durch das aus, was man „weibliche Reize“ nannte. Begehrt war sie als Tochter eines reichen Bankiers. Aber mit Louis Mertens wurde sie nicht glücklich. Ihr Glück begann mit Adele, von der sie trotz anderer Affären und Leidenschaften nie mehr ganz loskam. Der Zauber der Freiheit scheint diese Liebe ungeheuer beflügelt zu haben. Wie viel Freiheit sich die Frauen nahmen, wie groß ihre Bereitschaft war, gegen Konventionen zu verstoßen, hat bis heute etwas Atemberaubendes. Es gibt in unserem Zeitalter des kultivierten Tabubruchs und der Querdenkerpreise nichts Vergleichbares.
Schon nach den ersten Wochen plant Sibylle ein gemeinsames Leben. Da die Geliebte an die Mutter gebunden ist, wird der Aufenthalt für Mutter wie Tochter organisiert. Den Sommer 1829 verbringen sie gemeinsam. Adele resümierend an Ottilie: „Ich glaube am besten vergleichst Du uns ein Paar Leuten die sich spät finden u dann einander heirathen. Stürbe sie – so spräng ich jetzt in den Rhein, denn ich könnte nicht ohne sie bestehen.“ Wahrscheinlich haben sie nicht nur Küsse, sondern auch Ringe getauscht.
Abstürze in den erkältenden Alltag und Vertrauenskrisen blieben nicht aus. Die irische Autorin Anna Jameson wirbelt durchs Leben der Frauen liebenden Frauen, Adele kokettiert mit einem Juristen, Louis Mertens verweist die Geliebte seiner wohl zu ihm nun spröden Gattin des Hauses. 1835 reist Sibylle nach Genua, wo sie sich in die neun Jahre jüngere Laurina Spinola verliebt. Sie führt ein Tagebuch, auch um Klarheit zu gewinnen über die merkwürdige Liebe, die noch nicht als „conträre Sexualempfindung“ rubriziert war, auch noch keine Form des Lesben-Lebens gefunden hatte. „Ich kann“, heißt es im Laurina-Tagebuch, „über all meine Empfindungen in dieser Beziehung gegen Niemanden sprechen; denn wer würde mich begreifen? Ist es mir selbst doch mitunter wie ein Räthsel, zu dem meinem Verstande jeder Schlüssel fehlet, und dessen Lösung nur mein Herz denkt.“
Angela Steidele, die seit ihrer Promotion über die Liebe zwischen Frauen schreibt, enthüllt vor dem staunenden Leser eine Welt, von deren Vielgestaltigkeit er nichts geahnt hat. Hier lernt man das klassische, das biedermeierliche Deutschland neu kennen und man erkennt auch die Gewalten, die es unterminierten.
1838 starb Johanna Schopenhauer, 1842 Louis Mertens. Adele und Sibylle versuchten noch einmal ein Zusammenleben, gestört von Krankheit und den Versuchen der Mertens-Kinder ihre Mutter kleinzukriegen, ihr das Vermögen zu entreißen und die Freiheit zu nehmen. Aber sie bleiben zusammen. Als Adele 1849 stirbt, beerdigt die Freundin sie auf dem Alten Friedhof in Bonn. Den Grabstein schmückt eine italienische Inschrift, die beider Namen vereint.
JENS BISKY
ANGELA STEIDELE: Geschichte einer Liebe: Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens. Insel Verlag, Berlin 2010. 336 Seiten, 24,80 Euro.
„Stürbe sie – so spräng ich jetzt
in den Rhein, denn ich könnte
nicht ohne sie bestehen.“
„Ich kann über all meine
Empfindungen in dieser Beziehung
gegen Niemanden sprechen.“
Sibylle Mertens (links), Zeichnung von Ludwig Krevel (1833). Adele Schopenhauer, 1841 gezeichnet von Alexander Ungern von Sternberg. Abb.: SZ-Photo
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jens Bisky hat sich mit Begeisterung in die Liebesgeschichte von Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens vertieft, der sich Angela Steidele in ihrem Buch widmet. Dabei fasziniert es den Rezensenten nicht nur enorm, wie unkonventionell und auf die eigene Freiheit bedacht die beiden Frauen ihr Leben einrichteten, es wirft für Bisky auch ein völlig neues Licht auf das 19. Jahrhundert, das doch für seinen Biedermeier bekannt ist. Atemberaubend sei deshalb diese Leidenschaft unter Frauen, findet der Rezensent, der voller Bewunderung die Fähigkeit der Autorin festhält, ihre Protagonistinnen ausführlich zu Wort kommen zu lassen, ohne ihre Geschichte in Zitaten ertrinken zu lassen. Hier kann man ein Stück unbekanntes Deutschland des 19. Jahrhunderts entdecken und auch die "Gewalten" erkennen, die es zu unterdrücken suchten, lobt Bisky sehr eingenommen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Wie im Vorbeigehen entwirft Steidele die historischen Rahmenbedingungen bürgerlichen Frauenlebens im 19. Jahrhundert und bietet einen anregenden Lesegenuss, der das biedere Bild einer Epoche nachhaltig zu korrigieren vermag. Angereichert ist das Buch mit zahlreichen Abbildungen, die Steideles roten Erzählfaden untermauern.«