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Wie verlief die Vermittlung von Geschichtswissen vom Experten an den Laien in der Goethezeit? Der Autor geht dieser Frage nach, indem er Wissenschafts-, Ideen- und Verlagsgeschichte miteinander verknüpft. Seine zentrale These lautet, dass der Verleger innerhalb des Wissenstransfers eine Schlüsselposition einnahm. Da er selbst zur Gruppe der historisch-interessierten Laien gehörte, konnte er einerseits deren Orientierungsbedürfnisse in konkrete Anforderungen an die fachgebundenen His- toriker übersetzen, andererseits seine profunde Marktkenntnis zur optimalen Verbreitung der Inhalte nutzen. Als…mehr

Produktbeschreibung
Wie verlief die Vermittlung von Geschichtswissen vom Experten an den Laien in der Goethezeit? Der Autor geht dieser Frage nach, indem er Wissenschafts-, Ideen- und Verlagsgeschichte miteinander verknüpft. Seine zentrale These lautet, dass der Verleger innerhalb des Wissenstransfers eine Schlüsselposition einnahm. Da er selbst zur Gruppe der historisch-interessierten Laien gehörte, konnte er einerseits deren Orientierungsbedürfnisse in konkrete Anforderungen an die fachgebundenen His- toriker übersetzen, andererseits seine profunde Marktkenntnis zur optimalen Verbreitung der Inhalte nutzen. Als Beispiel bot sich Friedrich Christoph Perthes an, einer der bedeutendsten Verlagsbuchhändler seiner Zeit. Er verlegte bevorzugt geisteswissenschaftliche Werke aus dem historischen und theologischen Bereich - darunter die "Historisch-politische Zeitschrift", die von Leopold von Ranke herausgegeben wurde -, beschäftigte sich intensiv mit dem Zusammenspiel von Buchhandel und Wissenschaft und hinterließ eine Vielzahl von reflektierenden Selbstzeugnissen. Die breite Quellenbasis mit vielen bislang unbekannten Dokumenten gewährt neue Einblicke in das Leben und Wirken dieser Leitfigur des deutschen Buchhandels.
Autorenporträt
Moldenhauer, Dirk
Dirk Moldenhauer, geb. 1971, Dr. phil., studierte Geschichtswissenschaft und Politik an der Universität Hamburg mit dem Schwerpunkt Geschichte der Geschichtsschreibung. 2005 Promotion über die Interaktionen zwischen Buchmarkt und Geschichtsschreibung in der Goethezeit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.2009

Zwei Seelen braucht es in des Verlegers Brust
Dirk Moldenhauer würdigt Friedrich Christoph Perthes' Beitrag zur modernen Geschichtsschreibung

Verleger sind Zentralfiguren für die Entwicklung nationaler Buchmärkte. Und wo die Nation als "Kulturnation" lange Zeit im politischen Ruhestand ausdauern muss, dort kann ein Verleger zu einem schon nicht mehr heimlichen Impresario werden, der die Stichworte für die ersehnte politische Renaissance gibt.

Als ein solcher Verbindungsmann zwischen Publikum und Wissenschaft wirkte zwischen dem Ende des Alten Reiches und der Märzrevolution der aus Thüringen stammende Friedrich Christoph Perthes (1772 bis 1843). Angesichts der enormen Verlagstätigkeit und daraus resultierenden kommunikativen Wirksamkeit ist es erstaunlich, dass dieser Mann bislang noch nicht ins Visier der Verlags- und Wissenschaftshistoriker gerückt ist. Der außerordentliche Umfang des Perthes-Nachlasses vermag diese Zurückhaltung vielleicht zu erklären. Dirk Moldenhauer, ein langjähriger Rowohlt-Mitarbeiter, hat seiner nun erschienenen stattlichen Monographie nach eigenem Eingeständnis immerhin acht Lebensjahre geopfert.

Die Mühe hat sich aber durchaus gelohnt. Moldenhauer hat sich klugerweise nicht auf eine klassische Biographie eingelassen, wozu genug Material vorhanden gewesen wäre, sondern stellt den Verlag mit seiner kommerziellen Geschichte und gleichberechtigt damit Kernprojekte der Publikationsleistung in den Mittelpunkt. Der "Mensch Perthes" kommt in vielen Facetten in diesen Tätigkeiten zum Vorschein, erhält freilich vorwiegend in den Fußnoten das Wort. Die "biographische Methode" dieser Untersuchung besteht also darin, dass Perthes sich selbst und seinen Autor unablässig kommentiert. Das ist fast immer informativ, manchmal pedantisch, ab und zu auch kurzweilig, denn Perthes, besonders der alte, der unten in den Fußnoten brummt, kommt manchmal zu weiterreichenden Schlüssen über sich als der Autor selbst.

Der äußere Ablauf des Lebens und der "Perthesschen Handlung" ist rasch erzählt. Schon der Onkel Justus Perthes war ein bedeutender Verleger. Bei ihm lernte Friedrich Christoph und gründete dann bereits 1796 in Hamburg eine der ersten deutschen Sortimentsbuchhandlungen. Von dort aus trat Perthes in Kontakt zu norddeutschen literarischen Zirkeln und knüpfte ein erstes gesamtdeutsches Netz mit historisch interessierten Gelehrten. 1822 verließ Perthes Hamburg und gründete in Gotha einen neuen Verlag, der sich in hohem Maße auf die dem neuen Massenpublikum noch fehlende Geschichtsschreibung konzentrierte. Damit hatte er so nachhaltig Erfolg, dass er bei seinem Tod 1843 zu Recht als der Verleger gelten konnte, der dem wissenschaftlich schreibenden Historiker überhaupt erst ein großes Publikum verschafft hatte.

Um zu diesem Erfolg zu gelangen, musste der Verleger zuallererst Kaufmann sein. Moldenhauer zeigt, wie das ging, wo das Kapital herkam, wie Perthes kalkulierte, wie er Drucker, Buchhändler, ja Konkurrenten einband, um in mehr als nur unsicheren Zeiten auf seine Rechnung zu kommen. Schon bald muss Perthes bewusst geworden sein, dass er als Verleger nur dann langfristigen Erfolg haben konnte, wenn er auch die gesamte Produktionskette von Projekt, Ausführung, Druck, Vertrieb, Werbung bis hin zur Rezension selbst in der Hand hatte. Die Folge war eine ungeheure Ausweitung seiner Korrespondenz.

Der Versuchung, Perthes als den großen Unabhängigen bei der Herstellung eines gemeinsamen Buchmarktes zu preisen, sollte man dennoch widerstehen. Moldenhauer selbst liefert die kritischen Hinweise: Der Verleger lehnte sich doch mehr an bestehende Strukturen an, signalisierte also vorab Konformität, als er nach außen durchdringen ließ. So gelang der finanzielle Wiederaufstieg nach den Napoleonischen Kriegen nicht zuletzt durch Darlehen zu marktunüblichen Konditionen aus einem teilweise erlauchten Freundeskreis. Dieser konnte es sich leisten, einen Verleger zu fördern, dessen Patriotismus ebenso erprobt schien wie seine konservativ christliche Grundeinstellung. Das große Projekt einer vielbändigen "Geschichte der europäischen Staaten" baute Perthes zunächst einmal auf der Klientel des Göttinger Altmeisters Arnold Heeren auf, nicht ohne dafür ein recht hohes Lehrgeld zu zahlen. Und für den Vertrieb dieser "Staatengeschichte" war sich Perthes nicht zu schade, engste Verbindung mit dem preußischen Ministerium zu suchen und dessen Geschäftswege auszubeuten.

Dennoch bleibt noch eine große Anzahl von unkonventionellen Publikationsvorhaben, die einen ausgesprochen eigensinnigen, ja widerborstigen Verleger anzeigen. Wer hintereinander die katholisierende "Geschichte der Religion Jesu Christi" des Grafen Friedrich Leopold zu Stolberg (1806 bis 1818) und die so erbaulich protestantisch wie zeitgemäß wissenschaftliche "Geschichte der christlichen Religion und Kirche" des August Johann Neander (1825 bis 1841) herausbringt, hat mehr als eine Seele in seiner Brust. Als der alte Johann Heinrich Voß ihm 1822 seinen Opportunismus als Obskurantismus und Jesuitismus auslegte, traf dies den Verleger noch tief. Er ließ sich auf eine öffentliche Verteidigung ein, die er bald bitter bereuen sollte. Der alte Perthes wurde dann milder, nämlich gegen sich selbst, und genoss ungeniert die öffentliche Erregung, als er, der staatsfromme Protestant, die extrem ultramontane "Geschichte Papst Innocenz des Dritten" (1834 bis 1842) des reformierten Schweizer Pfarrers Friedrich Emanuel Hurter verlegte.

Zu den großen Verdiensten des Buchs gehört es, die vielfältigen Überlegungen Perthes' zur "historischen Darstellung" im Kontext darzustellen. Was richtiges historisches Schreiben als einzig gangbarer Weg zum Bildung suchenden deutschen Publikum sei, darüber machte sich der Verleger beständig Gedanken. Durchgedrungen ist er mit seiner "einfachen Schreibweise" nur zeitweilig, die spätere borussische Schule gab sich in einer zum Teil elitären Weise, die ihm sicher nicht behagt hätte. Mit Ranke unternahm Perthes nur den missglückten Versuch einer "Historisch-politischen Zeitschrift", dann nichts mehr.

Am Schluss bleibt die Frage, ob Perthes diese Darstellung seines Wirkens auch selbst verlegt hätte. Die Antwort muss lauten: Nein! Zu umfangreich, zu detailverliebt, zu außengeleitet bei der Vorstellung der Persönlichkeit selbst. Doch hier ist ein Anfang gemacht, den fortzusetzen sich mit Blick auf andere große Verlegerpersönlichkeiten des neunzehnten Jahrhunderts wie Cotta, Brockhaus oder Campe lohnt.

MARKUS VÖLKEL

Dirk Moldenhauer: "Geschichte als Ware". Der Verleger Friedrich Christoph Perthes (1772 bis 1843) als Wegbereiter der modernen Geschichtsschreibung. Böhlau Verlag, Köln 2008. 694 S., geb., 79,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein bisschen merkwürdig findet Markus Völkel es schon, dass Friedrich Christoph Perthes bisher noch nicht ins Visier der Verlags- und Wissenschaftshistoriker geraten war. Um so mehr freut er sich über die unkonventionelle Biografie von Dirk Moldenhauer, der Lebensgeschichte als Verlagsgeschichte erzählt und sich dafür durch den mächtigen Perthes-Nachlass gegraben hat. Wenn Moldenhauer den Verleger Perthes die Ausführungen über die Publikationsleistung des Verlags in Fußnoten kommentieren lässt, fühlt sich der Rezensent gut informiert und sogar unterhalten. Und Perthes' Überlegungen zum historischen Schreiben bietet der Autor dem Rezensenten "im Kontext" an. Alles in allem ist der Band für Völkel ein gutes Vorbild für künftige Verlegermonografien.

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