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Deutschland von außen und von innen, das ist das eigentliche Thema dieser Essays, die ihrerseits den Atem des Autobiographischen haben: des Menschen, dem die Heimat genommen, dem die Heimat wiedergegeben wurde, und der weiß, wie widerrufbar das scheinbar Selbstverständliche ist. Also im wesentlichen Arbeiten über die Grenzsituation des Menschen und des schreibenden Menschen in diesem Jahrhundert: Zum Beispiel über die Möglichkeit der Freiwilligkeit innerhalb der Unfreiwilligkeit. Das uns aufgegebene Lebensparadox wird auf viele Weisen vorgeführt, in Reden, Arbeiten über Schicksalsgenossen,…mehr

Produktbeschreibung
Deutschland von außen und von innen, das ist das eigentliche Thema dieser Essays, die ihrerseits den Atem des Autobiographischen haben: des Menschen, dem die Heimat genommen, dem die Heimat wiedergegeben wurde, und der weiß, wie widerrufbar das scheinbar Selbstverständliche ist. Also im wesentlichen Arbeiten über die Grenzsituation des Menschen und des schreibenden Menschen in diesem Jahrhundert: Zum Beispiel über die Möglichkeit der Freiwilligkeit innerhalb der Unfreiwilligkeit. Das uns aufgegebene Lebensparadox wird auf viele Weisen vorgeführt, in Reden, Arbeiten über Schicksalsgenossen, Stellungnahmen, Nachrufen auf Freunde, Interpretationen und Selbstinterpretationen. Dazu natürlich Prinzipielles über das Schreiben.
"Ganz wie die deutsche Nachkriegslyrik besser mit der Vergangenheit fertig geworden ist als die Politiker und für sich die normalen Kontakte zur Welt wiederhergestellt hat, so sind die Dichter mit ihren leisen Stimmen unterwegs zueinander: über die Verschiedenheitihrer Gesellschaftssysteme hinweg", heißt es am Ende eines Beitrags von 1968.
Der Band geht über die in 'Von der Natur nicht vorgesehen' (1974) und in 'Aber die Hoffnung' (1982) abgedruckten Essays weit hinaus und bietet gut zwei Drittel Neues, Verstreutes wie bisher Unveröffentlichtes.
Autorenporträt
Hilde Domin, 1909 in Köln geboren, studierte Jura, Philosophie und Nationalökonomie. Ihre Studien beendete sie in Florenz. Mit Hitlers Machtergreifung brach die Zeit des Exils an, die Hilde Domin gemeinsam mit ihrem Mann zunächst in England, dann in der Karibik, in Santo Domingo, verbrachte. Nach 22jährigem Exil kehrten sie nach Deutschland zurück. Hilde Domin lebte bis zu ihrem Tod im Februar 2006 in Heidelberg. Als eine der bedeutendsten Lyrikerinnen der Nachkriegszeit erhielt sie zahlreiche Literaturpreise und Auszeichnungen, u.a. 1999 den Jakob Wassermann-Preis der Stadt Fürth und 2005 die höchste Auszeichnung der Dominikanischen Republik für ihr Lebenswerk. Literaturpreise: Hilde Domin erhielt u.a. den Meersburger Drostepreis, 1971, die Heine-Medaille der Heinrich-Heine Gesellschaft, Düsseldorf, 1972, den Roswitha-Preis der Stadt Gandersheim, 1974, den Rilkepreis, 1976, die Richard-Benz-Medaille der Stadt Heidelberg, 1982, den Nelly-Sachs- Preis, Kulturpreis der Stadt Dortmund, 1983, die Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland- Pfalz, 1992, den Friedrich Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg v.d.H., 1992, den Preis für Literatur im Exil der Stadt Heidelberg, 1992, den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1995, den Jakob-Wassermann-Preis der Stadt Fürth, 1999, den Staatspreis des Landes NRW, 1999, Verleihung des Ehrenbürgerrechts der Stadt Heidelberg, 2004 und Verleihung des Ordens del Mérito de Duarte, Sánchez y Mella, en el grado de Comméndador der Dominikanischen Republik, 2005. Die Gedichte von Hilde Domin wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Hilde Domin starb am 22. Februar 2006. S. FISCHER VERLAG
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.03.2000

Handlich gedacht
Essay-Bände, auch für unterwegs
Ganze Tage in den Büchern – entfährt es dem Autor, als er in seiner Einführung darauf zu sprechen kommt, warum in zahllosen Bibliotheken, Buchläden und Privathaushalten so viele Werke stehen, „die etwas beschreiben, was nicht existiert” und warum solche Beschreibungen so viele Menschen interessieren. Die alte Debatte also, über Literatur und ihre Wahrheit, ihre Wirklichkeit – da will man weiterlesen und sich mit dem Autor, dem Germanisten Burghard Damerau, auseinandersetzen, weshalb es dennoch diese Bücher sind, die uns die Wirklichkeit erschließen und warum wir „ohne Bücher nicht sein wollen”.
Damerau setzt in seinem Buch „Literatur und andere Wahrheiten” beim Leser Vergnügen voraus am argumentativen Pro und Contra. Und die Reihe des Aufbau-Verlags, in der es erschien, kommt all jenen entgegen, deren Lust am Sinnieren durch Zeitmangel nicht immer zum Zuge kommt. Man kann die handlichen Bändchen bequem in die Tasche stecken, man liest sie an und findet schnell den roten Faden der Argumentation. Kein Digest-Fastfood also, sondern eine Aufforderung zum nachdenklichen Gründlichsein.
Solche Nachdenklust wird auch in den Ausführungen der Literaturwissenschaftlerin Gertrud Lehnert über die Inszenierung des Privaten im öffentlichen Raum gefördert. Sie beschreibt den Umgang der Medien mit uns, die wir uns zur Schau stellen im öffentlichen Raum, sie beschreibt die Gründe dieser Verfügbarkeit und Vermarktung und ihre Geschichte, vom 18. Jahrhundert bis zur globalen Gesellschaft heute.
Das Thema Heimat greift Thomas E. Schmidt auf, der sich mit Leichtigkeit und Last des Herkommens auseinandersetzt. Blut und Boden, Landsmannschaften, Heimatbegriff in der DDR sind einige Stichworte. Und in einer kurzen, aufschlussreichen Gegenüberstellung geht der Autor anfangs auf zwei Kontrastpersonen ein und ihre ganz unterschiedlichen Heimatgefühle, die typisch sind für uns Heutige.
Beklommen und neugierig macht Michael S. Cullens Frage: Wo liegt Hitler? Cullen, aus New York stammender Historiker und Journalist, hat sich intensiv mit der Berliner Stadt- und Kulturgeschichte befasst. Er geht dem komplexen Thema des öffentlichen Erinnerns und des kollektiven Vergessens nach, beispielorientiert und prägnant.
Zehn Titel sind erschienen, zwei neue kommen in diesen Wochen hinzu (der eine: Die Leserin. Das erotische Verhältnis der Frauen zur Literatur!). Das sind gute Aussichten – auf schöne Tage mit kleinen Büchern.
BIRGIT WEIDINGER
Die besprochenen Bände der Reihe „Essays” sind erschienen im Aufbau Verlag, Berlin 1999. Jeder Band hat ungefähr 120 Seiten, Preis pro Band 24 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.1996

Verschärfung der Tonarten
Nicht tief, aber gerne heftig: Robert Müller in seinen Schriften

Robert Müller war ein Altersgenosse der Expressionisten. Seine erste Schrift, "Roter Hahn in New York", eine 1912 erschienene Reportage über amerikanische Feuerwehren, zeigt den Sinn für die Epoche, der auch Jacob van Hoddis, Georg Heym und Alfred Lichtenstein das Ende der bürgerlichen Welt vorausahnen ließ. Müller erkannte sein Zeitalter als das des Großbrandes: "Paniken wirbeln Menschentromben durch die Gassen und entfesseln Kollektivhysterien einer in allem und jedem gehemmten Menschlichkeit . . . inzwischen fressen sich die glühenden Riesenraupen in die schlecht gebauten Behausungen ein, eine Vegetation brauner Rauchformen blüht hoch überm Kopf empor und verdichtet sich zur Wand, über die kalligraphische Feuerzeichen empörend schön dahinjagen." Einer Ästhetik der Katastrophe sind Müllers Essays in allen Wandlungen des Zeitgeistes treu geblieben. Möchte er einmal als Rassist den Germanen als "Paniker" charakterisieren, ein anderes Mal als Avantgardist das panische Theater verkünden - die zerstörende Dynamik blieb sein Gesetz.

Als österreichischer Dandy zwischen rechts und links erlebte er die Krise im Selbstverständnis der Intellektuellen: Vorbilder wurden ihm nicht die Anwälte des Universalen, der Menschenrechte und der Demokratie, nicht die Moralisten wie Karl Kraus (den er in einem Pamphlet angriff), sondern die großen englischen Reporter, die Mobilität und Kenntnis der imperialen Machtverhältnisse mitbrachten. Müllers Selbstcharakteristik trifft zu: Er war ein "intellektueller Anti-Intellektueller"; zugleich der konsequenteste Verfechter einer Ästhetisierung der Politik. An die Stelle von Gehalten trat in seinen Schriften die Berufung auf pure Schönheit. Typisch ist der Einwand gegen die Sozialdemokratie, sie habe das politische Leben "banalisiert" und keinen "Stil" hervorgebracht, wie das eigene Bekenntnis zur "Verschärfung in allen Tonarten".

Im Jahr 1920 wendet sich Müller gegen die nachrevolutionäre Erschlaffung Österreichs und setzt seine Hoffnungen auf eine Verschmelzung der reaktionären und der "bolschewoiden" Putsche. Die sonst nur im italienischen Futurismus wirksam gewordene Feier des Imperialismus mit den Begriffen der künstlerischen Moderne fand in Müller ihren vielleicht einzigen talentierten deutschen Sprecher. Wenn es vom Ersten Weltkrieg heißt, er verhalte sich "zu früheren Kriegen wie die Musik Schönbergs zu früherer Musik", wenn der deutsche Machtanspruch mit Hinweisen auf Wedekind, Heinrich Mann und Franz Kafka ("urdeutsch" nennt ihn Müller) begründet wird, dann wird deutlich, daß die provokative Reizmischung Müllers Stärke war. Seine Figur des Anti-Intellektuellen bezeichnet eine Zwischenetappe auf dem Weg vom freien Journalisten zum Angestellten eines Propagandaministeriums. So sympathisch sein Einspringen für den verfemten Karl May, seine Abhandlung über Münchhausen als deutschen Typus zunächst anmuten, so wenig kann man bei der Lektüre vergessen, daß die Aufwertung von Übertreibung, Lüge, Bluff und Phantastik im Zeitalter der Ideologien einen nicht nur ästhetischen Sinn hatte.

Der Anti-Intellektuelle, wie ihn Müller entwirft, hält beständig Ausschau nach Auftraggebern aus den Machtzentralen. Dem frühen Essay über Österreichs Thronfolger und den späten Feuilletons zum "bolschewistischen Kulturstaat" ist der Wunsch gemeinsam, Machthaber und "Geistige" möchten gleichsam aneinandergeschmiegt die Geschicke des Volkes lenken. Im Feld von Müllers begehrendem Blick leuchtet die Macht auf: "Der eine ist heller von Erscheinung und höher von Gestalt, und dieser Fingerzeig der Natur genügt dem andern." So wird der Adel ästhetisch abgeleitet, er hat "durch sein bloßes Dasein eine Aufgabe; immer wieder wird das Auge . . . des Volkes auf ihn hingewiesen". Ähnlich waren ihm schon die athletisch gebauten New Yorker Feuerwehrleute erschienen, als Inbegriff männlicher Attraktivität, "so daß jeder Passant einen schnellen Blick zu den schmucken ,boys' und der blanken Zurüstung schmuggeln kann". Vieles dreht sich um den männlichen Körperbau; bei den österreichischen Männern glaubt Müller ein "außerordentlich breites Becken und starke weibliche Fülle" diagnostizieren zu können. Sein Rassismus kam aus dem Wien des Christsozialen Karl Lueger, aber auch aus den Forschungen Freuds und Weiningers zur Bisexualität.

Im Jahr 1924, als in die Epoche der Panik die Pause der Neuen Sachlichkeit eingelegt wurde, beging Müller Selbstmord - ein lange vorausgesehener, gewiß auch lange erwogener Schritt. Schon 1914, beim Erscheinen seiner Polemik gegen Karl Kraus, hatte man im Kreis der Zeitschrift "Der Brenner" von einem "nicht übel geglückten Selbstmordversuch" noch im übertragenen Sinn gesprochen; einige Jahre später heißt es dann bei Müller, man habe "die Zeit nicht zum Selbstmord". Das war die Formel eines imperialistisch gedeuteten Lebens, in dem jeder Schritt für eine Eroberung stehen sollte. Ein gedanklich tieferer Fond, wie ihn sein Vorbild Chesterton besaß, stand Müller nicht zur Verfügung; Ruhe war im System nicht vorgesehen. Als er Anfang der zwanziger Jahre in seinen Schriften sämtliche Kombinationen des politisierenden Literaten, von ultrarechts bis ultralinks, einmal durchgespielt hatte, war Müllers Gesetz erfüllt. LORENZ JÄGER

Robert Müller: "Gesammelte Essays". Mit einem Nachwort von Hans Heinz Hahnl, herausgegeben von Michael Matthias Schardt. Igel Verlag Literatur, Paderborn 1995. 307 S., br., 88,- DM.

Robert Müller: "Kritische Schriften II". Herausgegeben von Ernst Fischer. Igel Verlag Literatur, Paderborn 1995. 586 S., br., 88,- DM.

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