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Der österreichische Ökonom und Sozialphilosoph Friedrich August von Hayek gilt den einen als geistiger Vater eines neoliberalen Marktfundamentalismus, den anderen als unbeirrbarer Verfechter der Freiheit. Iris Karabelas stellt die Rezeption des umstrittenen Wirtschaftstheoretikers in der Bundesrepublik erstmals umfassend dar. Dabei zeigt sie, dass Hayeks Ideen nicht selten instrumentalisiert wurden, eigneten sie sich doch hervorragend als Waffe im ideologischen Kampf gegen die Linke. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie wünschenswert gerade heute eine Versachlichung der ideologisch aufgeladenen Diskussion um den Neoliberalismus ist.…mehr

Produktbeschreibung
Der österreichische Ökonom und Sozialphilosoph Friedrich August von Hayek gilt den einen als geistiger Vater eines neoliberalen Marktfundamentalismus, den anderen als unbeirrbarer Verfechter der Freiheit. Iris Karabelas stellt die Rezeption des umstrittenen Wirtschaftstheoretikers in der Bundesrepublik erstmals umfassend dar. Dabei zeigt sie, dass Hayeks Ideen nicht selten instrumentalisiert wurden, eigneten sie sich doch hervorragend als Waffe im ideologischen Kampf gegen die Linke. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie wünschenswert gerade heute eine Versachlichung der ideologisch aufgeladenen Diskussion um den Neoliberalismus ist.
Autorenporträt
Iris Karabelas, Dr. phil., Historikerin, promovierte an der Universität Tübingen und ist Referentin für Forschungspolitik der Max- Planck-Gesellschaft in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.2010

Freiheit statt Sozialismus
Eine Wirkungsgeschichte Friedrich August von Hayeks

Die Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre bedeutete für den Liberalismus eine Zäsur. Im 19. Jahrhundert stand noch im Vordergrund, die staatliche Willkür einzudämmen. Jetzt reifte die Erkenntnis, dass Laisser-faire auch keine Lösung ist. Eine wohlüberlegte, vom Staat gesetzte und überwachte Rahmenordnung ist vonnöten. Dies wurde zum Credo der Neo- und Ordoliberalen; auf diesem Boden entstand das berühmte Konzept der Sozialen Marktwirtschaft.

Zwar zählt noch heute zumindest eine oberflächliche Vertrautheit mit deren Vordenkern wie Walter Eucken, Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow und Alfred Müller-Armack zur Allgemeinbildung. Auch wenn sich ihre Impulse in der Wissenschaft heute vor allem in der Institutionenökonomik spiegeln, gelten ihre Originalbeiträge indes mittlerweile als etwas verstaubt. Mit den Arbeiten des österreichischen Ökonomen und Sozialphilosophen Friedrich August von Hayek, des Gründers der Mont Pèlerin Society, ist die Zeit schonender umgegangen. Sein Werk wirft immer wieder neue fruchtbare Fragen auf.

Die Historikerin Iris Karabelas setzt sich mit Hayeks Werk und Wirkungsgeschichte gründlich auseinander. Mit ihrer Untersuchung verfolgt sie ein übergeordnetes Ziel. Sie vergleicht die Rezeption Hayeks in Deutschland und im angelsächsischen Raum, um auf dieser Basis die politikwissenschaftliche These vom Ende der "Westernisierung" zu widerlegen. Nach dieser These begann die seit Kriegsende aufgebaute transatlantische Wertebindung in den siebziger Jahren zu bröckeln, so dass die Partner "hinsichtlich ihrer politischen, ökonomischen und sozialen Wert- und Ordnungsvorstellungen langsam, aber spürbar getrennte Wege einschlugen". Die Inhalte dieser Wertebindung beschreibt Karabelas mit einer weiteren vagen politikwissenschaftlichen Vokabel als "Konsensliberalismus", geprägt angeblich von der Naturrechtstradition mit ihrer Betonung der Vernunft, der persönlichen Freiheit und des privaten Eigentums, vom Machbarkeitsglauben des New Deal, von Pragmatismus und liberaldemokratischem Internationalismus.

Der Ausgangspunkt der Untersuchungen ist die bekannte Tatsache, dass Hayek in den siebziger und achtziger Jahren der britischen Premierministerin Margaret Thatcher und dem amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan als Inspirationsquelle gedient hatte. Deren Politik jedoch, die eine Zurückdrängung des Staates als Ziel hatte, bedeutete nach Karabelas eine Aufkündigung des so genannten Konsensliberalismus. Die Dreisatz-Beweisführung der Autorin führt gleichsam von hinten durch die Brust ins Auge: Wenn Hayek in Deutschland ähnlich "marktradikal" interpretiert worden wäre wie angeblich von der "Neuen Rechten" unter Thatcher und Reagan, dann hätte in Deutschland ebenfalls ein Wertewandel weg vom Konsensliberalismus stattgefunden - und das wäre das Ende der "Westernisierung".

Im ersten Teil ihres Buches fasst Iris Karabelas Hayeks wichtigste Schriften knapp und korrekt zusammen, interpretiert sie und ordnet sie in den politischen wie wissenschaftlichen Kontext ein. Zu Recht betont sie die herausragende Rolle, welche die Signalfunktion der Preise, die Begrenztheit menschlichen Wissens sowie der Begriff der Regeln in Hayeks Denken spielen. Anschließend verfolgt sie Hayeks Strahlkraft durch die Jahrzehnte. In den fünfziger Jahren habe er noch als Mitstreiter der Ordoliberalen gewirkt, schreibt sie; geeint habe sie das "Interesse an einer theoretisch ausgerichteten Nationalökonomie" und die "Befürwortung der freiheitlich-marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung". Allerdings hätten sich die Ordoliberalen nachdrücklicher vom überkommenen Laisser-faire abgegrenzt. In den sechziger Jahren dann breitete sich der Keynesianismus aus. Hayek sei in Folge dessen immer mehr als Gegner des Keynesianismus wahrgenommen worden, die Ordoliberalen seien an den Rand des Wissenschaftsbetriebs gerückt. Berührend ist hier das Schlaglicht, das die Autorin auf das dennoch sehr freundschaftliche Verhältnis zwischen Hayek und Herbert Giersch wirft, dem Vordenker und Wortschöpfer der konzertierten Aktion.

In den siebziger Jahren gewann Hayek, der 1974 gemeinsam mit Gunnar Myrdal mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, vor allem in der Öffentlichkeit mehr Gehör. Die Autorin führt dies auf das politische Klima nach 1968 zurück. Ausgerechnet Hayek, der in seinem großen Werk "Die Verfassung der Freiheit" seinen Epilog der Begründung gewidmet hatte, warum er kein Konservativer sein könne, entdeckten die Konservativen als Verbündeten. Für sie war er ein antisozialistischer Sozialtheoretiker.

Die Verfasserin verneint deshalb die Vermutung, dass Hayeks Renaissance mit dem Scheitern des Keynesianismus vor dem Hintergrund von Ölkrise und Stagflation zu tun gehabt habe. Zugleich meint sie damit auch die merkwürdige These vom Ende der "Westernisierung" verwerfen zu können. Als Begründung genügt ihr, dass Hayek im angelsächsischen Raum nicht vor allem als Sozialphilosoph, sondern bloß als liberaler Wirtschaftstheoretiker wahrgenommen worden sei. Wie sie darauf nur kommt? Was die Briten betrifft, ist dies sicherlich unzutreffend. Die Wahrheit dürfte darin liegen, dass viele deutsche Konservative im Gegensatz zu ihren britischen Kollegen ordoliberale Wurzeln hatten, und dass sie deshalb dazu neigten, Hayek aufgrund seiner Positionierung in den fünfziger Jahren in der jetzigen Lage erst recht einzugemeinden.

Statt unterschwellig die Abkehr der Angelsachsen vom "Konsensliberalismus" zu beklagen, kann man angesichts der Tatsache, dass die soziale Marktwirtschaft in den siebziger Jahren schon weitgehend zum Wohlfahrtsstaat degeneriert war, auch bilanzieren: Die angelsächsische Welt erlebte einen liberalen Aufbruch, Deutschland blieb auf dem eingeschlagenen Pfad stecken.

In den achtziger Jahren schrumpfte Hayeks Resonanzraum wieder, auch wenn er zum Liebling der FDP und der Unternehmer wurde und ihnen als Kronzeuge der Marktwirtschaft diente. All dies ist präzise und packend nacherzählt. Doch leider unterlaufen der Autorin einige Fehler. Manche sind belanglose Unachtsamkeiten, zum Beispiel wenn sie von einer Arbeitslosenquote von 1,1 Millionen schreibt. Schwerer wiegt es, wenn sie in ihrem Rekurs auf Adam Smith, den Begründer der klassischen Ökonomie, der widersinnigen Legende aufsitzt, mit seinem Bild von der "unsichtbaren Hand" habe Smith "im Grunde Gottes Hand gemeint". Wenig später schreibt sie von jener Konferenz 1938 in Paris, die gleichsam zum Gründungstreffen der Neoliberalen wurde. Es ist belegt, dass die Einladung nicht von dem amerikanischen Publizisten Walter Lippmann ausging, wie sie behauptet, sondern von dem französischen Philosophen Louis Rougier.

KAREN HORN.

Die Verfasserin leitet die Berliner Niederlassung des Instituts der deutschen Wirtschaft.

Iris Karabelas: Freiheit statt Sozialismus.

Campus Verlag, Frankfurt 2010, 250 Seiten, 29,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Karen Horn schätzt diese Untersuchung der Wirkungsgeschichte des österreichischen Ökonomen und Sozialphilosophen Friedrich August von Hayek, die die Historikerin Iris Karabelas vorgelegt hat. Sie bescheinigt der Autorin, die zentralen Schriften Hayeks treffend zu beschreiben, zu interpretieren und in den politischen wie wissenschaftlichen Kontext zu stellen. Die folgende Darstellung der Rezeption Hayeks durch die Jahrzehnte lobt sie als ebenso gründlich wie spannend. Weniger einleuchtend scheint ihr indessen die Auseinandersetzung der Autorin mit der "merkwürdigen These" der "Westernisierung".

© Perlentaucher Medien GmbH