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Mit ihrem mehrfach ausgezeichneten Debütroman "Die dunkle Kammer" sorgte Rachel Seiffert international für Furore. Dass die junge Engländerin zu den begabtesten Erzählerinnen ihrer Generation gehört, beweist sie erneut mit ihren fein nuancierten Geschichten - gestochen scharfe Momentaufnahmen von Abschied und Sehnsucht, Trauer und Hoffnung, Einsamkeit und Liebe.
Die liebevollen Fingerspitzen einer Mutter, der hilflose Zorn eines Kindes, die stille Hoffnung einer verlassenen Frau - Rachel Seiffert erzählt unspektakulär, einfühlsam und unerbittlich genau. Die Orte ihrer Geschichten sind
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Produktbeschreibung
Mit ihrem mehrfach ausgezeichneten Debütroman "Die dunkle Kammer" sorgte Rachel Seiffert international für Furore. Dass die junge Engländerin zu den begabtesten Erzählerinnen ihrer Generation gehört, beweist sie erneut mit ihren fein nuancierten Geschichten - gestochen scharfe Momentaufnahmen von Abschied und Sehnsucht, Trauer und Hoffnung, Einsamkeit und Liebe.

Die liebevollen Fingerspitzen einer Mutter, der hilflose Zorn eines Kindes, die stille Hoffnung einer verlassenen Frau - Rachel Seiffert erzählt unspektakulär, einfühlsam und unerbittlich genau. Die Orte ihrer Geschichten sind Grenzbereiche - von Gefühlen, Beziehungen, Lebensabschnitten. Die sprachlose Fremdheit zwischen Alice und ihrer achtjährigen Tochter wird erst in der Grenzerfahrung der Krankheit erkennbar. Beide müssen einen neuen Weg zueinander finden. Ewa hat es nie verwunden, dass Pjotr sie und den kleinen Jacek ohne ersichtlichen Grund verlassen hat. Nach Jahren beschließt sie, die offenen Grenzen zwischen Polen und Deutschland zu nutzen, um endlich eine Antwort zu erhalten. Sie findet ihren Mann in Berlin und begegnet eigenem Scheitern und eigenen Möglichkeiten.

Es gelingt Rachel Seiffert, in jeder ihrer Geschichten ganz nah an das heran zu kommen, was Leben heißt. Sie verweigert sich stets dem Wunsch nach einem beruhigenden Happy-end. Aber sie entwirft auf knappstem Raum Wirklichkeit in allen Abstufungen. Ihre Geschichten sind beglückend, traurig, einsam und unendlich hoffnungsvoll.
Autorenporträt
Rachel Seiffert, geboren 1971 in Glasgow, lebte nach ihrem Studium einige Jahre in Berlin, bevor sie nach England zurückkehrte. Ihr Debütroman erschien bisher in 16 Ländern und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Rezensionen
"Ein überaus gelungenes Debüt." (Brigitte)
"Einfühlsam erzählt." (Kulturspiegel)
"Rachel Seiffert erzählt mit außergewöhnlicher Einsicht und Humanität." (The New Yorker)

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Tobias Döring vergleicht die Verfasser von Kurzgeschichten mit Touristen: Beide haben nicht viel Zeit (Platz) und suchen die Bedeutung im typischen Zeichen. Beide sind Meister des Schnappschusses, der das Eigentliche im Symbolträchtigen bannen soll. Das kann glückhaft gelingen, aber meistens geht es schief, und Rachel Seifferts Geschichten sind dem Rezensenten Beleg für das eine wie das andere. In einer Erzählung, "Blau", gelinge es der jungen Engländerin, gekonnt zu verknappen, den berühmten Eisberg Hemingways im richtigen Maß einzutauchen, Distanz zu bewahren, zugleich aber "ein ganzes Panorama an Gefühlen anzudeuten, die um so stärker wirken, als keines davon ausgesprochen wird". In den meisten anderen Texten dagegen: dick aufgetragene Symbole, "schicksalsschwere Schauplätze", die Gefühle in der Ausstattung mehr begraben als sichtbar gemacht. Vieles davon, so Döring, spielt im gegenwärtigen Berlin. "Dass darin das Typische der Stadt zum Vorschein käme, mögen allenfalls Touristen sehen. Und die haben es bekanntlich schwer." Zumindest in den Augen der Einheimischen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.06.2004

Dünne Frau mit dickem Bauch
Externalisierung des Gefühls: Erzählungen von Rachel Seiffert

Touristen haben es schwer. Überall treffen sie auf Vorurteile. Oberflächlich und in Eile seien sie, heißt es, allein zu ausschnitthafter Wahrnehmung fähig und an mehr als Schnappschüssen auch gar nicht interessiert, gleichwohl der Überzeugung, mit jedem Ausschnitt das Eigentliche schon erfaßt zu haben. Dabei könnte man das durchaus anders sehen, sind Touristen doch begnadete Semiotiker. Was immer sie erblicken, wird ihnen zum Zeichen einer Lebenswelt, die sogleich nach typischen Merkmalen sortiert wird. Dazu dienen Reiseführer, Postkarten und Souvenirs. Ein Holzschuh beispielsweise ist für Touristen keine Fußbekleidung, eine Gondel kein Transportmittel, und eine Kuckucksuhr dient nicht der Zeitanzeige: Sie signalisieren nur, was an Holland, Venedig oder am Schwarzwald als typisch gelten soll. Nicht der Gebrauchs-, sondern der Symbolwert zählt. Daran erkennt der Tourist das Eigentliche.

In der Literatur sind Kurzgeschichten das touristische Genre. Knapp bemessen, ausschnitthaft und schnell gelesen, selten mehr als einen Schnappschuß bietend, bleiben sie auf zeichenhafte Deutung angewiesen und sind zudem im strikten Sinne oberflächlich. Nach einer vielzitierten Äußerung des Kurzgeschichtenmeisters Ernest Hemingway verhält es sich mit ihnen wie mit Eisbergen: Sieben Achtel der Substanz liegen unterhalb der Oberfläche. Das wenige, was sichtbar ist, muß also auf seine eigentliche Reichweite geprüft werden. Wer Kurzgeschichten erzählt, arbeitet daher mit Symbolwerten. Dazu gibt uns jetzt die britische Autorin Rachel Seiffert, Jahrgang 1971, erneut Anschauung und Anregung.

Ihr Band mit insgesamt elf Texten, von denen der erste und der letzte sich zu einer längeren Geschichte zusammenfügen, enthält Arbeiten von recht unterschiedlicher Qualität. Die beste, "Blau", erreicht auf kaum mehr als zehn Seiten genau jene bezeichnende Verknappung der Darstellungsweise, die ohne große Worte vieles sagt und ihre Figuren dennoch nie unter der Last des Zeichenhaften kollabieren läßt. Wir treffen einen jungen Mann, wortkarg, arbeitslos, in einfachsten Verhältnissen lebend, der sich müht, eine heruntergekommene Wohnung aufzumöbeln. Er schrubbt den Boden, besorgt Farbe, wäscht die Vorhänge, geht jobben, um Geld für eine Matratze aufzutreiben. Schließlich erhält er Besuch, der mühsam die Treppe heraufsteigt: "Maria braucht eine Weile, bis sie oben ist. Vom zweiten Stock an kann Kenny sie über das Geländer hinweg beobachten. Seit über vier Wochen hat er sie nicht mehr gesehen, und jetzt merkt man es. Dünne Frau mit dickem Bauch." Jetzt erst merken auch wir "es" und erschließen, was nie richtig erzählt wird. Es ist die gängige Geschichte von einer jungen Liebe, die vergeht, als die Verantwortung für ein neues Leben sie auf die Alltagsprobe stellt, und die mit dem Nestbau noch einmal wiedergewonnen werden soll. Fast ohne Dialog, mit wenigen Gesten und gezielten Blicken gelingt es Seiffert hier, ein ganzes Panorama an Gefühlen anzudeuten, die um so stärker wirken, als keines davon ausgesprochen wird. Durchweg hält die Erzählerin ihre Figuren auf Distanz und beobachtet sie ihrerseits wie über ein Geländer hinweg; wir Leser können uns zwar darüber beugen, aber müssen letztlich selber merken, was in ihnen vorgeht.

Dies gelingt bei den anderen Texten kaum. Da sie sich aller Erklärungen enthalten, wird die Umgebung der Figuren mit allerhand bedeutungsschwangeren Details versehen, um innere Konflikte anzudeuten. Tote Robbe am Strand, Biegung in der Straße, Bienenstöcke, Straßenschilder - jedes Versatzstück der erzählten Welt muß wie ein Souvenir für den großen Zusammenhang einstehen, der nie recht in den Blick kommt. Alle innere Bewegung soll zudem in Anordnung und Handhabung von Gegenständen übersetzt werden, aber verliert sich zumeist doch im Atmosphärischen der Ausstattung. Ein Begleitumstand dieser Externalisierung des Gefühls zeigt sich auch darin, daß mit Vorliebe schicksalsschwere Schauplätze gewählt werden. Weltkrieg, Grenzverschiebung, deutsche Einheit: solchen historischen Szenarien wird besonders gerne ein Symbolwert abgerungen.

Vor drei Jahren ist der Autorin mit ihrem Debütroman "Die dunkle Kammer", der für den Booker-Preis nominiert wurde, ein großer Überraschungserfolg gelungen. Darin erzählt sie von den Lebenswegen dreier Deutscher in den dreißiger und vierziger Jahren - mithin von Kriegsschicksalen, wie man sie getrost zur Lieblingslektüre britischer Leser rechnen darf. Aus deutscher Sicht dagegen erschienen die ganzen Lores und Liesels und Muttis und Papis, die jene Romanwelt behausten, eher wie der Kuckuck in der nach ihm benannten Uhr. "Feldstudien" bietet weitere Schnappschüsse aus der jüngeren deutschen Geschichte, vor allem vom wiedervereinigten Berlin. Daß darin das Typische der Stadt zum Vorschein käme, mögen allenfalls Touristen sehen. Und die haben es bekanntlich schwer.

TOBIAS DÖRING

Rachel Seiffert: "Feldstudien". Aus dem Englischen übersetzt von Barbara Heller. Albrecht Knaus Verlag, München 2004. 221 S., geb., 17,90 [Euro].

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