Obwohl der Schriftsteller Ernst Kreuder(1903 - 1972) 1953 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet wurde, geriet er schnell in Vergessenheit. 1946 wurde er als "die erste große Hoffnung der jungen deutschen Literatur nach dem Kriege" gesehen, doch bald war er eine gescheiterte Randfigur des
bundesdeutschen Literaturbetriebs. In Literaturgeschichten wird er zwar immer noch angeführt, doch seit…mehrObwohl der Schriftsteller Ernst Kreuder(1903 - 1972) 1953 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet wurde, geriet er schnell in Vergessenheit. 1946 wurde er als "die erste große Hoffnung der jungen deutschen Literatur nach dem Kriege" gesehen, doch bald war er eine gescheiterte Randfigur des bundesdeutschen Literaturbetriebs. In Literaturgeschichten wird er zwar immer noch angeführt, doch seit dreißig Jahren wurden seine Werke kaum wieder aufgelegt.
Nun versucht der Göttinger Wallstein Verlag mit einem Sammelband von Erzählungen eine „Wiederentdeckung“. Dafür wurde überhaupt zum ersten Mal Kreuders Bestand an Short Storys, Skizzen, Grotesken, Impressionen und Erzählungen gesichtet. Ein schwieriges Unternehmen, denn der Autor hatte seine kürzere Prosa unter diversen Titeln in immer wieder neu bearbeiteten und kombinierten Fassungen in Zeitungen und Zeitschriften, die es heute z.T. nicht mehr gibt, veröffentlicht.
Aus dem riesigen Bestand von immerhin 600 Erzählungen wurden knapp fünfzig Beispiele ausgewählt, die das erzählerische Schaffen Kreuders über vierzig Jahre repräsentieren. Die Erzählungen sind chronologisch in vier Kapitel unterteilt. Die elf frühen Kurzgeschichten (1924-1933), die meist im „Simplicissimus“ erschienen waren, zeigen bereits ein breites Spektrum an Ausdrucksweisen und Motiven. Hier hat Kreuder zahlreiche Erzähltechniken erprobt. So ist die Auftaktgeschichte „Der Bettler“ ein Selbstgespräch eines Vagabunden, während „Der Vorhang“ ein konfuses Wirtshausbekenntnis von Mord und Selbstmord ist.
Bei den Geschichten aus der Zeit des Dritten Reiches verzichtete Kreuder weitgehend auf die satirischen Elemente seines Frühwerks. Wie andere Schriftsteller widmete er sich der unverfänglichen Trivialliteratur, Liebes- und Abenteuergeschichten, besonders Krimis und Detektivgeschichten, wo er allerdings versuchte, subversive Gedanken einzuschmuggeln. Kreuders Nachkriegsprosa (1945-1972) ist in der Auswahl mit 26 Beispielen vertreten, wobei auch sechs längere Erzählungen enthalten sind. Hier hat der Autor vielfach frühere Motive aufgegriffen. Darüber hinaus hat er sich mit der Katastrophe des Krieges und der Ideologie auseinandergesetzt.
Kreuder war einer der wenigen deutschsprachigen Vertreter der phantastischen Literatur, wobei die Grenzen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft häufig in seinen Geschichten zerfließen. Komplettiert wird die Auswahl durch ein Vor- und Nachwort des Hrsg. Wilfried F. Schoeller, in denen der eigenwillige Erzähler und sein Werk vorgestellt werden. Eine äußerst lobenswerte Wiederentdeckung eines verschollenen Schriftstellers.