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Jacques Delors, einer der populärsten französischen Politiker, legt in diesem Buch seine »Erinnerungen« vor, die nun zeitgleich mit dem französischen Original in deutscher Übersetzung erscheinen. Vielen Deutschen ist er vor allem bekannt als einer der großen Architekten der Europäischen Union. In seinem Heimatland schätzt man ihn als Ausnahmepolitiker. Delors, der mit nur 19 Jahren bei der Banque de France zu arbeiten begann, träumte zu dieser Zeit noch vom Filmemachen, von Haute Couture oder einer Karriere als Journalist. Aber er sollte lange bei der Bank bleiben. Er engagierte sich…mehr

Produktbeschreibung
Jacques Delors, einer der populärsten französischen Politiker, legt in diesem Buch seine »Erinnerungen« vor, die nun zeitgleich mit dem französischen Original in deutscher Übersetzung erscheinen. Vielen Deutschen ist er vor allem bekannt als einer der großen Architekten der Europäischen Union. In seinem Heimatland schätzt man ihn als Ausnahmepolitiker. Delors, der mit nur 19 Jahren bei der Banque de France zu arbeiten begann, träumte zu dieser Zeit noch vom Filmemachen, von Haute Couture oder einer Karriere als Journalist. Aber er sollte lange bei der Bank bleiben. Er engagierte sich gewerkschaftlich und wurde schließlich 1973 Mitglied des Generalrats der Bank von Frankreich. 1974 schließt er sich dem Parti Socialiste (PS) an.
Als Anhänger von Pierre Mendès-France begann Delors seine politische Karriere in der V. Republik unter Charles de Gaulle und dessen Premierminister Jacques Chaban Delmas, dem er in Verehrung bis heute verbunden bleibt. Der Leser dieser Memoiren erfährt einiges über den ehrgeizigen Versuch der Linksgaullisten, durch »Planification« den gesellschaftlichen Wandel einzufangen und in staatliches Handeln einfließen zu lassen. Insgesamt gibt das erste Drittel der »Erinnerungen« informative Einblicke in das politische Denken und Handeln unseres Nachbarn Frankreich. Jacques Delors warnte 1981 als erster Wirtschafts- und Finanzminister der Ära Mitterand vor dem übermäßigen Anwachsen von Staatsausgaben und Staatsschulden. Diese Warnung hat man ihm nicht verziehen, als er sich 1995 um die Nachfolge François Mitterands bewarb.
Zwei Drittel der »Erinnerungen« widmen sich der Präsidentschaft Jacques Delors in der EG/EU. Als Präsident der EG-Kommission (1985-1994) forderte er schon vor über zehn Jahren finanzielle Maßnahmen für Innovation und Infrastruktur, um die Europäische Union wettbewerbsfähig zu halten. Delors erzählt als einer der Hauptakteure vom großen Erfolg, aus der Europäischen Gemeinschaft die Europäische Union gebildet zu haben. Nicht nur die Durchsetzung des Maastrichter Vertrags verbindet sich mit dem Namen Jacques Delors´, ebenso maßgeblich war er an der Vollendung des Binnenmarktes, der Vorbereitung der Wirtschafts- und Währungsunion, am Umbau des EU-Haushaltes, aber auch an der Integration von Portugal und Spanien und schließlich der ehemaligen DDR beteiligt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.02.2005

Aus der Küche Europas
Die Memoiren des großen Europäers Jacques Delors
Der Mann lebt noch und ist bereits ein Mythos. Im Juli wird er 80. Seinen Chefposten in Brüssel hat er vor zehn Jahren verlassen. Aber immer noch sind er und seine Arbeit allgegenwärtig, wenn Kongresse über Europa tagen, Schriften über Europa erscheinen oder Diskutanten sich über die Zukunft Europas die Köpfe heiß reden. Der Name Jacques Delors gehört zu den Markenzeichen der Europäischen Union wie die Freizügigkeit, der Binnenmarkt oder der Euro. Für viele gilt der langjährige Präsident der EU-Kommission als Inkarnation Europas oder zumindest als der perfekte Präsident in Brüssel.
Delors war und ist ein nimmermüder Denk-Fabrikant. In seiner Ära von 1985 bis 1995 kam die wirtschaftliche Integration Europas voran, die Einführung des Euro wurde vorbereitet, gleichzeitig wurde das politische Profil der EU geschärft. Für Delors war immer klar, dass die Europäische Union mit wirtschaftlicher Dynamik allein nicht überleben könne, sondern dass sie als Kitt zwischen den Staaten den politischen Zusammenhalt und die Solidarität benötigt. Die eigene Tätigkeit beschreibt er so: „Die Kommission ist in Europa die Küche, wo die Mahlzeiten zubereitet werden.” Delors’ Gerichte werden heute noch aufgetragen und sie schmecken immer noch gut.
Dieser Europäer und gebürtige Franzose verkörpert in sich gleich drei interessante Profile: Er ist Katholik, Sozialist und Finanzfachmann. Außerdem ist Delors ein Arbeitstier, einer der bloße Worte und Floskeln nicht mag, sondern rastlos tätig ist, um „Schritt für Schritt die Dinge zu verbessern”. Nach seiner aktiven Zeit in der EU kümmerte er sich um Aufgaben bei der Unesco. Darum hatte er wohl auch keine Zeit, ein dickes Erinnerungsbuch zu formulieren. Stattdessen hat er mit dem Journalisten Jean-Louis Arnaud lange Gespräche geführt. Deren Abschriften sind die Basis dieser über 500 Seiten starken Lebensbeschreibung. Mancher Leser mag enttäuscht sein, dass sich darin verhältnismäßig wenig Klatsch über die politische Prominenz findet, mit der es ein Kommissionspräsident doch tagtäglich zu tun hat. Delors erlaubt sich nur einige launige Bemerkungen. So sei ihm bei Helmut Kohl aufgefallen, dass der stets gesagt habe „Ich bin hungrig”, wenn er unangenehme Sitzungen abbrechen wollte. Delors ist nicht der Mann, der andere, um der eigenen Profilierung willen, bloßstellt.
„Ich bin unfähig, mich als Hauptdarsteller zu begreifen”, so beschreibt Delors sich selbst. Er stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Sein Vater war Kassenbote bei einer Bank, die Mutter Sekretärin. Delors’ Aufstieg zum Wirtschafts-und Finanzminister in Frankreich und dann an die Spitze der EU-Kommission hat ihn nicht hochmütig gemacht. Er behält sein Gespür für die Normalität. Dabei ist er durchaus machtbewusst. Einen großen Teil seiner Energie verwendet er darauf, die „gedankliche Kontrolle” über die regelmäßigen Sitzungen der Staats-und Regierungschefs zu gewinnen. Delors hatte immer Sorge vor chaotischen Tagesordnungen, uferlosem Geschwätz und folgenlosen Beschlüssen. „Der Europäische Rat war mir ein echtes Grauen”, gesteht er freimütig. Er kontrolliert die eitlen Staatenlenker mit List. Er legt ihnen auf den Tisch, was sie mögen: Übersichtliche Vorschläge auf wenigen Seiten mit zwei, drei Alternativen.
Haifischbecken der Innenpolitik
Kein Kommissionspräsident nach Delors hatte so viel Einfluss wie er im politischen Betrieb der EU. Dabei hat er sich selbst nie als Europas Regierungschef empfunden, sondern als loyalen „Diener” der Staatengemeinschaft. Für Delors’ Erfolge waren aber auch günstige Umstände verantwortlich: Er musste damals nur eine EU aus zwölf Staaten koordinieren. Außerdem profitierte der Kommissionspräsident von der politischen Nähe zwischen Helmut Kohl und François Mitterrand und seiner eigenen guten Beziehung zu diesen beiden Politikern.
Die „Erinnerungen” kranken etwas an der Überfülle der Details. Doch es schwingt auch eine zentrale Botschaft mit, von der eine große Kraft ausgeht: Das ist Delors’ Art, Politik zu machen. Im „Haifischbecken” der französischen Innenpolitik kam er nicht zurecht, das räumt er freimütig ein. Über seine eigene Partei, die Sozialisten, sagt er: „Je weniger sie mich sahen, umso besser ging es ihnen.” Delors war kein politisches „Frontschwein”, er mochte die nationalen Lagerwahlkämpfe nicht. Stattdessen blühte er auf im multinationalen Netzwerk Europas. Er war ein Meister der „Gemeinschaftsmethode”, die auf Kollegialität und Kompromiss angelegt ist.
Diese andere Art, Politik zu machen, ist das wahre Vermächtnis von Jacques Delors.
CORNELIA BOLESCH
JACQUES DELORS: Erinnerungen eines Europäers. Parthas Verlag, Berlin, 2004. 557 Seiten, 38,00 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Mit spitzen Ohren und stumpfer Feder
Der ehemalige Kommissionspräsident Jacques Delors blickt zurück und sogar voraus auf Europa / Von Gregor Schöllgen

Die Deutschen verdanken Jacques Delors einiges. Von 1985 bis 1994 als Präsident der EG- beziehungsweise der EU-Kommission in Brüssel tätig, war der Franzose maßgeblich daran beteiligt, daß die Vereinigung Deutschlands im europäischen Rahmen reibungslos über die Bühne ging. Delors selbst erinnert sich gerne an "jene tiefbewegenden, hoffnungsfrohen Jahre . . ., die das Ende der Teilung Deutschlands brachten". Das jedenfalls schreibt er im Vorwort seiner "Erinnerungen", die im engeren Sinne keine sind. Tatsächlich handelt es sich um die redigierten Mitschriften eine Serie von Gesprächen, die der Publizist Jean-Louis Arnaud, der im französischen Original auch als Koautor firmiert, 2003 mit Delors geführt hat.

Manche Allerweltsweisheiten fördern nicht gerade das Lesevergnügen. Zudem verstärkt die Anlage des Bandes den für Erinnerungswerke nicht untypischen Hang zur Selbststilisierung. Offenbar hat Delors seinen Verzicht auf eine Kandidatur bei den französischen Präsidentenwahlen von 1995 nicht verwunden. Daß er dieses Ereignis, "das die Franzosen betroffen hat", zum Thema der Einleitung und damit des Buches macht, ist bezeichnend. Und es ist schade. Denn Delors, der 1925 in bescheidenen Verhältnissen geboren wurde, hat eine bemerkenswerte Karriere hinter sich - zunächst in der französischen Politik, dann in Europa. Anfänglich bei der Banque de France und in der Planungs- und Investitionsabteilung des französischen Wirtschafts- und Sozialrates tägig, leitete er während der sechziger Jahre die Sozialabteilung im Generalkommissariat für Wirtschaftsplanung. Der administrativen folgte mit dem Beitritt zu den Sozialisten 1974 eine vielseitige und wechselvolle politische Laufbahn, die ihn unter anderem 1979 ins Europaparlament und nach der Wahl Mitterrands zum Staatspräsidenten 1981 an die Spitze des Wirtschafts- und Finanzministeriums führte. Wer sich für die französische Politik jener Jahrzehnte interessiert, wird dem Bericht einiges abgewinnen können, schon weil Delors viel über die Personen und Persönlichkeiten spricht, die seinen Lebensweg gekreuzt haben. Das gibt der Darstellung eine sehr persönlich gehaltene, aber immerhin eine Färbung. Denn Delors begegnete in dieser Zeit nicht nur mehr oder weniger sämtlichen führenden Repräsentanten der französischen Politik, sondern er "spitzte" in der Regel auch "die Ohren und hörte alles, was so erzählt wurde".

Der überwiegende Teil seiner Erinnerungen beschäftigt sich allerdings mit Europa. Das ist gut so, denn in dem Jahrzehnt seiner Präsidentschaft war die Welt in Bewegung wie selten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und weil Bewegung immer auch mit Menschen zu tun hat, läßt Delors die verantwortlichen Hauptakteure in seinen Erinnerungen noch einmal aufmarschieren: Helmut Kohl, George Bush, Michail Gorbatschow und all die anderen, vorneweg natürlich seinen wichtigsten Förderer François Mitterrand und seine schärfste Widersacherin Margaret Thatcher. Heute dürfte wohl auch sie seine Leistungen als Kommissionspräsident kaum mehr in Frage stellen.

Denn Delors sah sich zwei großen Herausforderungen gegenüber. Einmal dem Dauerbrenner einer grundlegenden Reform der Europäischen Gemeinschaft, namentlich ihrer Transformation zu einer Europäischen Union; und dann den mittelbaren und unmittelbaren Folgen der "wundersamen Wandlung", die insbesondere der östliche Teil Europas und Deutschlands im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion und ihres Imperiums durchmachten. Daß es gelang, den jüngeren Prozeß aus dem Stand heraus an den älteren und zugleich längerfristigeren zu koppeln und Mitte Dezember 1991 im Vertrag von Maastricht zusammenzuführen, war sehr wesentlich auch das Verdienst des damaligen Kommissionspräsidenten. Ob dieser Rahmenvertrag über die Europäische Union, die bis dahin durchgreifendste Reform der Römischen Verträge von 1957, ohne die voraufgegangenen Reformmaßnahmen eine Chance gehabt hätte, ist fraglich.

Und auch sie verbinden sich mit dem Namen von Jacques Delors. Das gilt offenkundig für das sogenannte Delors-Paket I, mit dem die Kommission im Februar 1987 einen ganzen Maßnahmenkatalog zur Sanierung der Finanzen der EG, zur Begrenzung der Agrarausgaben und andere Vorschläge mehr auf den Tisch legte. Es gilt auch und vor allem für die EEA, die Einheitliche Europäische Akte vom Dezember 1985, die zum 1. Juli 1987 in Kraft getreten ist. Sie brachte deutliche Fortschritte bei der Vollendung des Binnenmarktes, bei der neuerlichen Erweiterung des Aufgabenbereichs der EG oder auch beim besonders sensiblen Thema der außenpolitischen Kooperation.

Delors hat die EEA stets als seinen "Lieblingsvertrag" bezeichnet, und jetzt sagt er auch, warum: Dem frühen Abkommen über die Montanunion vergleichbar, hat dieser Vertrag "kein bißchen Fett auf den Rippen". Er ist "ein kurzer Vertrag", der "eindeutig sagt, was er will, und wenig Anlaß zu Kontroversen über seine Reichweite oder seine Interpretation gibt". Von den meisten Dokumenten des inzwischen mehr als fünfzigjährigen Integrationsprozesses läßt sich solches nicht sagen - von den Römischen Verträgen nicht, von den Verträgen von Maastricht, Amsterdam und Nizza nicht und von der Europäischen Verfassung auch nicht.

Kein Wunder, daß Delors diesem Vorhaben mit einiger Skepsis gegenübersteht und bei der weiteren Integration der Union von verschiedenen Geschwindigkeiten ausgeht, auch wenn er diese umstrittene Wendung nicht benutzt. Seine Parole lautet "Differenziation", wie es in der nicht immer glücklichen Übersetzung heißt: "Mehrere Länder", so das Fazit, "können ein anderes nicht zwingen, weiter zu gehen, als es will, aber umgekehrt kann dieses Land den anderen auch nicht das Recht und die Möglichkeit nehmen, die europäische Integration voranzubringen." Delors weiß, wovon er spricht. Die Wirtschafts- und Währungsunion ist nach diesem "Prinzip" entstanden. Jetzt empfiehlt er seine Anwendung bei der Fortschreibung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Jacques Delors' Buch ist gewiß kein gewichtiger Beitrag zur zeitgeschichtlichen Memoirenliteratur. Wer aber Antworten auf die Frage sucht, wie es mit Europa weitergeht, welche Fehler vermieden, welche Lehren beachtet werden sollten, kann bei diesen Rückblicken in die Geschichte fündig werden.

Jacques Delors: "Erinnerungen eines Europäers". Aus dem Französischen von Karl-Udo Bigott und Annette Casasus. Parthas Verlag, Berlin 2004. 557 S., 38,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"So ganz richtig ist der Titel nicht, bemängelt Rezensent Gregor Schöllgen. Keineswegs hat hier Jaques Delors, der ehemalige Präsident der EG-, dann der EU-Kommission eigenhändig seine Memoiren verfasst. Vielmehr handele es sich um die Wiedergabe von Interviews, und erst in der deutschen Ausgabe sei der Interviewer Jean-Louis Arnaud als Koautor verschwunden. Trotz des kleinen Etikettenschwindels ist dies aber, so der Rezensent, ein recht interessantes Buch. Nicht umsonst hat Delors die entscheidenden weltgeschichtlichen Umschwünge der 80er und 90er Jahre unmittelbar erlebt. Die Porträts der handelnden Personen von Helmut Kohl über seinen Gönner Francois Mitterand bis zu seiner Hauptgegnerin Margaret Thatcher findet der Rezensent lesenswert, ebenso wie die Einschätzungen der Verträge, die die Entwicklung der EU vorangebracht haben. Zwar "kein gewichtiger Beitrag zur zeitgeschichtlichen Memoirenliteratur", aber doch der Lektüre wert, befindet Schöllgen.

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