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Selten hat ein Werk der Weltliteratur europäische Leser so fasziniert wie »Die Erzählungen aus den Tausendundein Nächten«. Viele Geschichten sind uns seit unseren Kindertagen zu Synonymen für fesselnde Fabulierkunst, zauberhafte Märchenphantasien und farbige Exotik geworden. Was es mit der Geschichte dieser Geschichten, der wechselvollen Entwicklung der Sammlung im Vorderen Orient und ihren zunächst adaptierenden, auch von den Neigungen bis Marotten der Übersetzer bestimmten Übertragungen in europäische Sprachen auf sich hat, darüber informiert Robert Irwin. Wir erhalten Hinblicke in die zahlreichen verwandten Geschichten vieler Völker und Kulturen. …mehr

Produktbeschreibung
Selten hat ein Werk der Weltliteratur europäische Leser so fasziniert wie »Die Erzählungen aus den Tausendundein Nächten«. Viele Geschichten sind uns seit unseren Kindertagen zu Synonymen für fesselnde Fabulierkunst, zauberhafte Märchenphantasien und farbige Exotik geworden. Was es mit der Geschichte dieser Geschichten, der wechselvollen Entwicklung der Sammlung im Vorderen Orient und ihren zunächst adaptierenden, auch von den Neigungen bis Marotten der Übersetzer bestimmten Übertragungen in europäische Sprachen auf sich hat, darüber informiert Robert Irwin. Wir erhalten Hinblicke in die zahlreichen verwandten Geschichten vieler Völker und Kulturen.
Autorenporträt
Robert Irwin was formerly a lecturer in the Medieval History Department of the University of St Andrews. He has travelled extensively in the Arab lands. He is Fellow of the Royal Socierty of Literature, a Fellow of the Society of Antiquaries and a Fellow of the Royal Asiastic Society.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.1997

Der Traum eines guten Dschinns
Robert Irwin, der Märchenführer / Von Annemarie Schimmel

Wir hatten dieses Buch in Händen, da wir Knaben waren, und da wir zwanzig waren und meinten, weit zu sein von der Kinderzeit, nahmen wir es wieder in die Hand, und wieder hielt es uns, wie sehr hielt es uns!"

So beginnt Hugo von Hofmannsthal seine Einführung zu der Littmannschen Übertragung der Geschichten der Tausendundeinen Nacht, und nie ist etwas Schöneres über diese Sammlung geschrieben worden als von dem österreichischen Dichter, der den Zusammenhang zwischen höchster und zartester Literatur und der Welt der Träume so gut kannte wie kaum ein anderer.

Es bedarf wohl eines Schriftstellers hohen Ranges, um sich in diese seltsam verschlungene Welt derart einzuleben - eine Welt, in der eine Geschichte aus der anderen wächst, ähnlich wie die Arabesken der islamischen Kunst oder wie die kaum faßbaren Bilder von Träumen. Uns fasziniert sie, aber nur wenige wissen, daß diese Märchen niemals von den Arabern selbst als Kunstwerk, ja überhaupt als lesenswerte Literatur angesehen worden sind - daher auch das Problem der fragmentarischen und unterschiedlichen Handschriften. Geschichten, Fabeln, von Straßenerzählern erzählt, denen es nach Ansicht der Gebildeten an jener Eleganz der Diktion mangelte, die ein literarisches Kunstwerk auszeichnet; Geschichten, aus den verschiedensten Quellen und verschiedenen Zeiten zusammengeflossen, nur lose gehalten durch die Rahmenerzählung der klugen Scheherezade, die den durch Enttäuschungen zum Frauenfeind gewordenen König jede Nacht durch ihre Geschichten in Schlummer senkte - man sollte nicht vergessen, daß in der islamischen Welt, vor allem im persischen Bereich (aus dem ja viele der Märchen kommen), Geschichte und Schlaf, Märchen und Traum immer wieder miteinander verbunden werden: Ein Traum war, was wir sahen, was wir gehört, ein Märchen, sagt Mir Dard, ein Dichter aus dem Lande, dem einige der bekanntesten Märchen entstammen, aus Indien.

Robert Irwin, Arabist, Historiker und Schriftsteller, ist den Wurzeln und Verzweigungen der Geschichten nachgegangen, die seit ihrer ersten Übersetzung ins Französische durch den 1715 verstorbenen Antoine Galland die Phantasie des Abendlandes angeregt haben, wenn auch manche orientalischen Fabeln bereits seit dem Mittelalter im Westen bekannt waren. Ungezählte Romane, Märchen, Kinderbücher, Opern, Gemälde, letzthin auch Filme, sind von dieser Märchensammlung angeregt worden. Irwins eigener erster großer Roman, "Der arabische Nachtmahr", ist ein bisher letztes glänzendes Beispiel für die immer neu befruchtende Wirkung der Geschichten, deren Rolle, vor allem in der englischen Literatur, der Verfasser mit interessanten Beispielen zeigt. Auch im Deutschen ist die Zahl der Übernahmen und Anregungen, die sich den Märchen verdanken, sehr groß - man denke, um die Liste Irwins etwas zu ergänzen, an einige von Hofmannsthals Erzählungen (so: Die Geschichte der 672. Nacht; Die Hochzeit der Sobeide und andere) oder an das wenig bekannte Interesse Rilkes an der Märchensammlung, die er durch Rodin in der französischen Übersetzung von Mardrus kennenlernte und die in ihm den Wunsch weckte, Arabisch zu lernen, um das Original zu genießen und die Littmannsche Übersetzung poetischer zu gestalten. Dies geht aus seinen Eintragungen in einem in Harvard aufbewahrten Exemplar des Insel-Almanachs auf das Jahr 1924 hervor, in dem ein erstes Beispiel von Littmanns Übersetzung abgedruckt war.

Nicht nur in England, Frankreich und Deutschland, in Italien und Rußland kannte und liebte man die arabischen Märchen - auch die tschechische Literatur war seit dem neunzehnten Jahrhundert von ihnen beeinflußt, und die umfangreiche tschechische Übersetzung durch den Prager Arabisten Felix Tauer gilt als eine der zuverlässigsten und glänzend dokumentierten; Tauers im Insel-Verlag Leipzig (1996, 1971) veröffentlichte Übertragungen, die auf einer bis dahin seltener übernommenen Handschrift beruhen, sind hier ebenfalls lobend zu erwähnen. Paradoxerweise sind die französischen beziehungsweise englischen Übertragungen im späten neunzehnten Jahrhundert auch ins Persische übersetzt worden, obgleich Parallelsammlungen seit langem in Iran bekannt sind, und eine Übertragung gibt es seit rund zwanzig Jahren in Tadschikistan.

Wer Tausendundeine Nacht liest, trifft auf eine unendliche Fülle seltsamer Charaktere. Da erscheinen gute und böse Dschinnen, die verschiedenen Techniken der Zukunftsschau, wie Magie aller Art, Astrologie und vor allem Traumdeutung, weisen den Helden ihren Weg, warnen sie vor Gefahren; ja, Träume "weissagen nicht nur die Zukunft, sondern lassen sie geschehen". Es ist in der Tat ein "Universum der Wunder", das sich vor dem Leser entfaltet, ein Zusammenfluß von literarischen Strömen aus den verschiedenen "Ozeanen der Geschichten", wie ein Kapitel überschrieben ist. Aber da Irwin Historiker ist, lernt der Leser auch sehr vieles über das Alltagsleben im mittelalterlichen arabischen Gebiet, über die Kunst des Geschichtenerzählers zum Beispiel (von dem Irwin in der Figur des Yoll in seinem Roman "Arabian Nightmare" ein hinreißendes Bild gezeichnet hat). Wir treffen Gaukler und Derwische und erfahren etwas über die Sexpraktiken, die Burton, wie wir von Irwin erfahren, deutlich überbetont hat, was seiner Neigung, die Leser zu schockieren, entsprach. Wir, die "wir das Buch in der Hand hatten, da wir Kinder waren", haben in den purgierten, keimfreien Auswahlen der Märchen davon natürlich nichts bemerkt.

Die "Nächte" wirklich stilvoll zu übersetzen ist ein fast unmögliches Unterfangen (wer einmal versucht hat, die Mahdische Ausgabe von 1984 in lesbares Deutsch zu übersetzen, weiß das sehr gut). Doch nicht nur die Übersetzung der Tausendundeinen Nacht aus dem arabischen Original ist nicht leicht. Auch Irwins Buch bedarf eines Spezialisten, der die deutsche Wirkungsgeschichte der Märchen ebenso gut kennt wie Irwin die englische.

Wiebke Walther war für eine solche Aufgabe die ideale Spezialistin. Sie hat viele Arbeiten über diese Geschichtensammlung und über Probleme der arabischen Erzählkunst und der modernen arabischen Literatur verfaßt und zahlreiche Geschichten aus dem Arabischen übersetzt. Durch Zusätze und Ergänzungen, vor allem aus dem deutschsprachigen Rezeptionsgebiet, hat sie Irwins Buch erweitert und dadurch dem deutschen Leser nahegebracht - eine schwierige und sehr verdienstvolle Arbeit. Die Übersetzung liest sich glatt, einige Fehler ausgenommen. Freilich fehlt ihr der Glanz des englischen Originals; denn Robert Irwins geschliffener Stil mit seinen zahlreichen, für den Ausländer nicht immer leicht zu entschlüsselnden Anspielungen bietet manches Problem. Ein Beispiel: Jeder, der den Titel des von der Wirkungsgeschichte der Märchen handelnden Kapitels liest - "Children of the Nights" (Kinder der Nächte) -, wird darin sogleich eine Anspielung auf die "Midnightchildren", die "Mitternachtskinder" von Salman Rushdie sehen, der selbst zu den Bewunderern der Arabischen Nächte gehört.

Kehren wir noch einmal zu Hugo von Hofmannsthal zurück, der zwar warnt: "Wer möchte versuchen, ein durchaus wundervolles Gewebe, wie dieses, aufzutrennen", der aber sicher beeindruckt gewesen wäre von der kunstvollen Art, wie Irwin dieses Gewebe aufdröselt und den Leser mit den verschiedenen Aspekten des Werkes vertraut macht, ihn durch den "Irrgarten der Lust" führt. Sein erfreulicherweise nun in zuverlässiger deutscher Bearbeitung erhältliches Buch wird, wie wir hoffen, viele Menschen, die einzelne Erzählungen wohl von früher kannten, anregen, nun das ganze Werk "mit immer erneuter Lust zu lesen".

Robert Irwin: "Die Welt von Tausendundeiner Nacht". Aus dem Englischen übersetzt und ergänzt von Wiebke Walther. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1997. 400 S., geb., 56,- DM.

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