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Die Sprache hat Kraft, scheint von Sonne, Licht, Wetter, Fernweh getränkt zu sein - wie die Menschen, von denen hier erzählt wird. Denn die Figuren in Hans-Peter Kunischs Debüt Die Verlängerung des Markts in den Abend hinein halten sich vor allem im Freien auf, um einen Marktplatz herum. Der Platz liegt genau im Zentrum der Stadt. Doch die Hauptwege führen an ihm vorbei. Er wirkt, mitten auf dem Markt, wie ein unbesetztes Gebiet. Ein Roman entwickelt sich. Ein Roman in Buden. Da ist Pjotr, ein Fotograf, der am liebsten Richtung Nordosten reist. Maria, die keine Aufenthaltsgenehmigung hat und…mehr

Produktbeschreibung
Die Sprache hat Kraft, scheint von Sonne, Licht, Wetter, Fernweh getränkt zu sein - wie die Menschen, von denen hier erzählt wird. Denn die Figuren in Hans-Peter Kunischs Debüt Die Verlängerung des Markts in den Abend hinein halten sich vor allem im Freien auf, um einen Marktplatz herum. Der Platz liegt genau im Zentrum der Stadt. Doch die Hauptwege führen an ihm vorbei. Er wirkt, mitten auf dem Markt, wie ein unbesetztes Gebiet. Ein Roman entwickelt sich. Ein Roman in Buden. Da ist Pjotr, ein Fotograf, der am liebsten Richtung Nordosten reist. Maria, die keine Aufenthaltsgenehmigung hat und an die Stadt gefesselt ist. Oder Waldau, der sich oft ins hügelige Umland zum Wandern zurückzieht. Joe, einer der Händler, muß vor seinen Gläubigern fliehen. Aline schickt Briefe von der Küste. Allesamt sind sie so etwas wie unabhängige Glückssucher. Und wohin es sie auch verschlägt, sie kehren immer wieder an den Platz zurück. Was anfangs beinahe paradiesisch wirkt, erfährt bald deutliche Wendungen ins Dunkle. Irgendwann ereignet sich ein Mord. Beobachtet wird das Geschehen von zwei Denkern, dem Traurigen und dem Lustigen, die in luftigen Höhen über dem Platz ihre Runden drehen. Aber sie sehen nicht alles, und philosophisch gesehen haben sie erstaunlich wenig zu bieten. Die heimliche Intellektuelle des Romans ist Rosa - eine Kuh, die gleich zu Beginn dieser ebenso unkonventionell wie glanzvoll geschriebenen Geschichte über Kunst sinniert.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Rezensentin Ilma Rakusa ist ausgesprochen beeindruckt von diesem Romandebüt. Allein schon dessen Ton lässt aus ihrer Sicht jeden "herkömmlichen Realismus" weit hinter sich. Wundersame Geschichte sieht sie im Verlauf ihrer Lektüre ineinander greifen und sich in Mikrogeschichten verzweigen. Sie spielen Rakusa zufolge in Mostar, Kairo oder im Wallis, handeln aber doch von so etwas wie der Unbestimmbarkeit des globalen Marktes, seiner Versprechen und der Menschen, die von und auf ihm leben. Jäh sieht sie in Hans-Peter Kunischs Beschreibungen Unschärfen mit Scharfeinstellungen wechseln. Insgesamt wächst sich die Schilderung von Menschen, Orten und Situationen für sie zu einem kleinen Welttheater aus, auf dem die Antihelden dieses Autors- "von keiner New Economy angekränkelt", immer auf der Suche nach "prallem Leben" und "unbefristeter Freiheit" sind.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.01.2007

Eine Choreographie von Handel und Wandel
„Die Verlängerung des Marktes in den Abend hinein”: Hans-Peter Kunisch hat einen „Roman in Buden” geschrieben
„Die Verlängerung des Marktes in den Abend hinein” ist nicht etwa die Epopöe von der Liberalisierung des Ladenschlusses, sondern eine ziemlich versponnene Erkundung dessen, was „der Markt”, als Schau- und, buchstäblich verstanden, Gemeinplatz, als Topos und Schreibprinzip so alles hergibt. Einen „Roman in Buden” nennt der Schweizer Autor und Literatur-Kritiker dieser Zeitung Hans-Peter Kunisch seinen Erstling im Untertitel und liefert die reflexive Selbstbeschreibung seines Erzählvorhabens gleich mit: „Vielleicht”, heißt es da, „ist die dem Markt entsprechende Struktur die von Wellen, die der Einzelne auslöst, wenn er den Platz betritt, die ineinander übergehen und Strudel bilden, Spiralen, die sich ins Meer senken, sich Stichproben der Existenz holen, aber irgendwann wieder horizontal weiten.” Als „Ordnung des Lebens” will der nur in Umrissen hervortretende Ich-Erzähler den Markt „gefeiert” sehen. Eine solche Ordnung namens Markt hat nicht nur eine Struktur, sie hat auch ein Leben. Der Markt ist eine handfeste Veranstaltung aus Gerüchen und Gerüchten, Geschichten und Geschäften. Was sich Tag für Tag und Stand für Stand auf dem Markt zuträgt, ist die immergleiche, von unsichtbarer Hand gelenkte Choreographie von Handel und Wandel. Auf beides, auf die abstrakte wie auf die sinnliche Seite des Markts, hält Kunischs Roman ein waches Auge.
Hans-Peter Kunischs Markt hat ein ganz konkretes Vorbild, nämlich den Münchener Viktualienmarkt, dessen „Bewohnern” und Standleuten der Autor am Ende dankt. Als „Aufenthaltsraum mitten in der Stadt” wird der Markt hier gepriesen, und ganz offensichtlich beschäftigen den Autor die kommunikativen und raumzeitlichen Gegebenheiten des Marktplatzes mehr als die zum Verkauf und Verzehr angebotenen Genüsse. Jedenfalls kann sich jeder, der den Viktualienmarkt kennt, Kunischs Markt mühelos vorstellen, die schrägen Kupferdächer, die grünen Holzverkleidungen, die Moststände, Obst- und Blumenläden. Hier also „spielt” der Roman, sofern er überhaupt spielt. Eine Handlung wird hier nicht geboten, sondern, der Marktform gemäß, ein Gang von einer Bude zur anderen, von einem Marktbewohner zum nächsten und, als wäre der merkantile Mikrokosmos allein noch nicht genug, die „Verlängerung” der Perspektiven nicht nur in den Abend, sondern in die Welt hinein.
„Neun Gassen”, wird einmal gesagt, führten vom Marktplatz hinaus in ferne und nahe Gegenden. Und da auf diesen Gassen noch zahlreiche andere Begebenheiten lauern, kann man als Leser durchaus den Überblick über das Geschehen verlieren, ohne freilich darunter ernstlich zu leiden. Denn der Roman ist insgesamt nicht nur als eine Poetik des Marktplatzes angelegt, sondern auch als eine Loseblattsammlung aus Impressionen, Aphorismen, Reflexionen und Prosaminiaturen, die sich keiner irgendwie gearteten Handlungsdringlichkeit unterwerfen. Viel eher hat man sich diesen Roman selbst als eine Art Aufenthaltsraum vorzustellen, in dem die Zeit wie angehalten erscheint, in dem die Bilder sich ruhig entfalten dürfen und kein Plot für Durchzug sorgt. Stehende Prosa wie diese neigt dazu, preziös zu werden, und nicht immer ist Kunischs Roman dagegen gefeit. Irgendwann ist es einem als Leser dann auch egal, ob dies ein Roman in Buden oder in Gassen ist; man möchte nicht länger mit surrealen und exotischen Aromen benebelt werden, sondern besser verstehen, was es mit diesem seltsam verzauberten Viktualienmarktmärchen denn nun auf sich hat, auf dem zum Ende hin sogar ein Mord geschieht, ohne dass wir verstanden hätten, warum.
Die Kuh mit Kunstverstand
Aber Kunischs Roman hat es auch gar nicht darauf abgesehen, unser Verständnis von Mordfällen auf dem Viktualienmarkt zu befördern. Viel eher zieht er uns in das Milieu einer literarischen Phantastik hinein, die einen von Ferne an den magischen Realismus Ernst Jüngers oder an manche Imaginationen im Prosawerk von Botho Strauß erinnert. Abgedreht wirkt das alles, trotz der taghellen Marktbeleuchtung, abgetönt und wie geträumt. Zum Skurrilitätsprogramm des Romans zählen nicht nur die sorgsam beschriebenen Romanfiguren (auch hier spielt die Zahl neun wieder eine gewisse Rolle), sondern namentlich eine Kuh namens Rosa, die ein Nahverhältnis zur Malerei unterhält und über sie aufs Trefflichste sinnieren kann. Das tut sie indes nicht auf dem Viktualienmarkt, sondern auf einer Walliser Bergwiese (wie überhaupt das Wallis, Heimat des Autors, in diesem Roman zum Gegenstand solch intensiver Beschreibungen wird, dass man darüber den Markt für eine Weile ganz vergisst). Hier oben im Gebirge finden so genannte Ringkuhkämpfe statt, und hier oben kämpft Rosa gegen Vicky einen Ringkuhkampf, der dem Roman seinen Rahmen gibt.
Was hat diese Rahmenhandlung aus ringkämpfenden und philosophierenden Kühen mit der Verlängerung des Marktes in den Abend hinein zu tun? Der Ich-Erzähler, Zeuge des Walliser Geschehens, muss jedenfalls am Anfang des Romans „zum ersten Mal seit Wochen” an die Stadt und an den Markt denken. „An den Mord und ob es wirklich einer gewesen war. An den kleinen Platz, der in der Mitte allen Geschehens die Ruhe bewahrte. An das Verschwinden einer ganzen Gruppe von Menschen, zu der ich selber gehört hatte. An die Fragen, ob man ihre Art zu leben als gescheitert betrachten musste, und ob man das von irgendeinem Leben behaupten konnte.” So rein und eindeutig begegnen einem die Fragen und Themen dieses Romans nie mehr wieder. Und das ist nicht schlimm. Wer lernt, in der Mitte allen Geschehens die Ruhe zu bewahren, nicht nach dem Woher und Wohin des Erzählten zu fragen, sondern sich durch die Gassen dieses Romans treiben zu lassen, wird für die Verlängerung des Marktes in den Abend hinein dankbar sein.CHRISTOPH BARTMANN
HANS-PETER KUNISCH: Die Verlängerung des Marktes in den Abend hinein. Roman. Blumenbar Verlag, München 2006. 264 S., 18 Euro.
Gerüche und Gerüchte, Geschichten und Geschäfte: Auch der Münchner Viktualienmarkt ist eine Ordnung des Lebens. Foto: Regina Schmeken
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.2006

Kuhauge, sei wachsam!
Wenn Rinderwahn droht: Hans-Peter Kunischs Romandebüt

Die Kuh hat unter Dichtern keinen guten Leumund. Schwerfällig, melancholisch und geistlos schleppt sie sich als duldsame Statistin durch die Literaturgeschichte und käut die immer gleichen Klischees bukolischer Belletristik wieder. Manch beleidigter Autor verglich gar seine Leserschaft mit dem unschuldigen Rind: "Das Publikum ist eine Kuh, das grast und grast nur immerzu", giftete einst der Nietzsche-Antipode David Friedrich Strauß, und ein verzweifelt um Inspiration ringender Frank Wedekind jammerte, seine Eingeweide seien so trocken, "daß meine Dünste keine Kuh mehr locken".

Doch wo wären Autoren ohne ihre Leser, und wo wären wir ohne die Kuh, auf deren Mist unsere Zivilisation gewachsen ist? Schlecht hat die Kunst es dem nützlichen Kulturtier gedankt! Wo ist der Andy Warhol, der die wunderbare Wiederkäuerin zum Popstar der deutschen Literatur macht? Die Antwort erreicht uns aus dem Münchner Blumenbar Verlag: ein Roman, der mit sämtlichen Kuh-Klischees der abendländischen Literatur aufräumt.

"Die heimliche Intellektuelle des Romans", so schreibt der Verlag über das Erstlingswerk des 1962 geborenen Journalisten Hans-Peter Kunisch, "ist Rosa - eine Kuh, die gleich zu Beginn dieser ebenso unkonventionell wie glanzvoll geschriebenen Geschichte über Kunst sinniert." Wir lesen also zu Beginn von Rosa und Vicky, zwei arglosen Rindern, die während des jährlich stattfindenden "Fests der Königinnen" im Schweizer Kanton Wallis ihrem friedlichen Gemüt zuwider von ehrsüchtigen Züchtern aufeinandergehetzt werden.

Doch eine Kuh ist kein Stier - Kuh und Kampf, das will nicht zusammenpassen. "Nur Menschenehre schien bei diesen Kämpfen auf dem Spiel zu stehen", denkt sich Rosa, wedelt mit dem Schwanz und sinniert lieber über die phantastischen Fresken der Dorfkirche, die ihr großen Eindruck gemacht haben. Während die gelangweilten Bauern die Tiere noch anzustacheln versuchen, hat das zahme Zuchtvieh eine Epiphanie: "Ich bin eine Malerin", denkt Rosa und verfällt sogleich der Melancholie.

Indem der Autor die kunstsinnige Kuh aus ihrem von profaner Utilität bestimmten Dasein erlöst, bereitet er den Boden für das eigentliche Thema seines Buchs: den Markt, der dem auch formal avancierten "Roman in Buden" (so der Untertitel) als Strukturmuster und zentrales Motiv dient. Hier begegnen sich Menschen aus aller Welt, Kunisch reiht zahlreiche kurze Stories und Vignetten aneinander, die mitunter weniger als eine Seite in Anspruch nehmen und so locker und scheinbar zufällig miteinander verknüpft sind wie die Buden der Markthändler.

Obwohl manch hübsche Beobachtung gelingt, leidet das Buch unter einer verkrampften, stolpernden und ständig sich selbst hinterfragenden Bedeutungshuberei, mit der eine Art Welttheater, ein "Modell für die ganze Welt", herbeigeschrieben werden soll. So spintisiert der Erzähler: "Vielleicht ist die dem Markt entsprechende Struktur die von Wellen, die der Einzelne auslöst, wenn er den Platz betritt, die ineinander übergehen und Strudel bilden, Spiralen, die sich ins Meer senken, sich Stichproben der Existenz holen, aber irgendwann wieder horizontal weiten."

Zu solch philosophischer Bedeutsamkeit gesellen sich stilistische Patzer, die dem Autor im Bemühen um ungewöhnliche Bilder unterlaufen: ein ledernes Gesicht, "in dem Zigaretten lachten", verschwurbelte Wörter wie "Gemächlichkeitsarschlöcher" und "gesichtsausbalanciert" - da hätte das Lektorat dem "Gedankengesprudel" den Hahn abdrehen sollen. Immerhin, es gibt fast ein Happy-End. Auf den letzten Seiten sehen wir Rosa, berauscht vom Anblick des Freskos, mit den tanzenden Teufeln. Sie fühlt Glückshormone ihren Rumpf hinaufschleichen, sie wiegt sich, gerät in Ekstase, tanzt - und trottet zuletzt doch im milden Abendlicht wieder zur Tränke zurück. Eine Kuh ist eben eine Kuh ist eine Kuh: "Sie will nicht wissen, was mit ihr geschieht", dichtete Brecht einst, "und nützt die Abendstimmung aus und scheißt."

MALTE HERWIG

Hans-Peter Kunisch: "Die Verlängerung des Markts in den Abend hinein. Ein Roman in Buden". Blumenbar Verlag, München 2005. 258 S., geb., 18,- [Euro].

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