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Im Westen kennt man nur die völlig verhüllten afghanischen Frauen, die ihr Schicksal ohne Gegenwehr hinnehmen. Doch es gibt eine starke Widerstandsbewegung, die in den Flüchtlingslagern und in Afghanistan selbst versucht, die Lebensbedingungen der Frauen zu verbessern und sie für den Widerstand gegen die fundamentalistischen Vorschriften zu gewinnen. Edit Schlaffer und Cheryl Beard schildern mit kritischem Blick die oft lebensgefährliche Arbeit der RAWA-Frauen, ohne diese zu verherrlichen.

Produktbeschreibung
Im Westen kennt man nur die völlig verhüllten afghanischen Frauen, die ihr Schicksal ohne Gegenwehr hinnehmen. Doch es gibt eine starke Widerstandsbewegung, die in den Flüchtlingslagern und in Afghanistan selbst versucht, die Lebensbedingungen der Frauen zu verbessern und sie für den Widerstand gegen die fundamentalistischen Vorschriften zu gewinnen. Edit Schlaffer und Cheryl Beard schildern mit kritischem Blick die oft lebensgefährliche Arbeit der RAWA-Frauen, ohne diese zu verherrlichen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2002

Hinter der Burka
Frauen in Afghanistan hoffen auf mehr als Mitleid
Manchmal tut sich im absoluten Elend so etwas auf wie ein kurzer Moment der Hoffnung. Für ein paar Wochen oder Monate scheint es dann so, als ob es tatsächlich eine bessere Zukunft gäbe. Momente wie diese sind kostbar, aber gerade weil sie so selten sind, kann es geschehen, dass sie überschätzt werden. So ein Moment ist, nach dem Blitzsieg der Amerikaner über die Taliban, für die Frauen Afghanistans entstanden. Auf einmal werden sie entdeckt und herumgereicht, nicht nur bei denen, die sich schon früher versucht hatten, die Welt daran zu erinnern, dass dort etwas im Argen lag.
Die Frauen Afghanistans sind derzeit ein dankbares Thema – für ein paar kurze Monate zumindest, weil sie ein offensichtliches Beispiel dafür sind, wie schrecklich die Taliban gehaust haben im eigenen Land, wie richtig und human es war, dass die internationale Gemeinschaft in den Krieg gezogen ist. Wie lange dieses Interesse anhalten wird, nachdem sich die Politiker und Militärs und der Pressetross beispielsweise in Richtung Irak aufgemacht haben, ist ungewiss.
So ist das Buch über die Frauen Afghanistans tatsächlich, und im traurigen Sinne, zeitgerecht, das die beiden Wiener Feministinnen und Wissenschaftlerinnen Cheryl Benard und Edit Schlaffer jüngst veröffentlich haben. Denn es ist, vor allem in seiner Prognose, weit mehr Ausdruck eines solchen Moments der Hoffnung als eine sachliche, und deshalb vielleicht auch pessimistische Analyse. Der Untertitel, „Afghanische Frauen kämpfen um ihre Zukunft”, ist etwas zu weit gegriffen für das, worum es in diesem Buch vor allem geht: um die „Revolutionary Association of the Women of Afghanistan”, kurz Rawa, eine bedeutende, aber eben nur eine von diversen NGOs, die sich seit vielen Jahren um eine Verbesserung des Loses der afghanischen Frauen kümmern.
Fraglos ist die Geschichte dieser Frauenorganisation in großen Teilen auch die Geschichte der weiblichen Bewohner Afghanistans. Ihre Gründerin Meena, die in den achtziger Jahren vermutlich von afghanischen Fundamentalisten ermordet wurde, wird bis heute von den Rawa-Unterstützern verehrt – eine Verehrung, wie man sie eher bei sozialistischen Staatskulten oder charismatischen Führern erwartet. Rawa, zunächst von den Sowjets, später von Mudschaheddin wie Taliban verfolgt, arbeitet nur im Geheimen, richtet beispielsweise Schulen ein, um den Mädchen und Frauen wenigstens rudimentäre Kenntnisse zu vermitteln.
Diese Arbeit im Geheimen leistete die Organisation bis vor kurzem nicht nur in Afghanistan selbst, sondern auch in jenen Gegenden Pakistans, wo afghanische Flüchtlinge unter primitiven Bedingungen oft seit Jahrzehnten hausen – und wo der spätere Taliban-Fundamentalismus seinen ideologischen Nährboden gefunden hat.
Vielleicht liegt es gerade an dieser klandestinen Organisationsstruktur, dass die einzelnen, von Schlaffer und Benard gesammelten Erzählungen von Frauen häufig eine Art Erleuchtungsmoment in sich tragen: etwa die Erinnerung an den Tag, als man Meena persönlich begegnete; oder an den Tag, als man in die geheime Schule für Frauen und Mädchen kam und auf die Lehrerin stieß, die man bald bewunderte; an jenen Augenblick, als man beschloss, selbst sein Leben und seine Freiheit zu riskieren, um für Rawa zu arbeiten.
Dies, wohlgemerkt, sind die wenigen positiven Stückchen der Erinnerungen der Frauen an eine Situation, die katastrophaler wohl kaum mehr vorstellbar ist. Die sieben persönlichen Erlebnisberichte des ersten Teils sind bedrückende, dabei repräsentative Erfahrungen, wie sie in einer ähnlichen Form beinahe jede Frau in Afghanistan durchgemacht haben dürfte. Der Vater, Bruder, Ehemann wird verhaftet, gefoltert, ermordet, oder verschwindet einfach. Oft bleibt die Frau allein mit ihren Kindern zurück, unter den Taliban darf sie nicht arbeiten, darf sich nicht in der Öffentlichkeit bewegen, muss sich unter der Burka verstecken, selbst die primitivste gesundheitliche Untersuchung wird ihr fast unmöglich, da sie nicht allein aus dem Haus darf. Vor allem wird ihr jeglicher Zugang zu Wissen, zu Bildung genommen – und genau dies bleibt nun mal der allererste Schritt in eine bessere Zukunft.
Zeitgerechte Fürsorge
Im Mittelteil stellen die Autorinnen diese persönlichen Schicksale in den weiteren Rahmen afghanischer Traditionen und Geschichte. Hier wird ersichtlich, wie sehr diese radikal männlich dominierte Gesellschaft die Frauen noch als Besitz betrachtet, als Hüterin und „Gefäß” der Familienehre. Das erklärt auch, warum die allermeisten Frauen bis heute fürchten, die Burka abzulegen – immerhin setzen sich die siegreichen Truppen der Nordallianz häufig aus denselben Mudschaheddin zusammen, die zwischen Sowjet- und Talibanherrschaft gewütet, Frauen vergewaltigt und verschleppt haben. Die internationalen Friedenstruppen in Kabul können gegen solche tief verwurzelten Ansichten zunächst wenig erreichen.
Diese Realität erkennen die beiden Autorinnen zwar, doch verführt sie die Begeisterung über Rawa schließlich zu Wunschdenken. Man kann es ihnen wohl nicht verdenken – die Arbeit von Rawa verdient höchste Bewunderung. Aber es scheint doch etwas weit hergeholt zu sein, in dieser Organisation so etwas wie ein positives Gegenmodell zur Terrororganisation Al Qaida zu sehen: eine postmoderne, dezentralisierte, dennoch straff geleitete Struktur, die sich modernster Kommunikationsmittel ebenso bedient wie traditioneller Formen, um ihre Ziele zu verwirklichen.
Cheryl Benard und Edit Schlaffer schildern eine Organisation, in der sich die Gruppe vor das Individuum stellt, was ihr Überleben in einer feindlichen Umwelt besser ermöglicht. Im Konflikt verhält sie sich „asymmetrisch” und schützt die Schwachen. Gar von einer „Entscheidungsschlacht der Frauen” zu sprechen, wie eines der Kapitel überschrieben ist, bewirkt jedoch vielleicht sogar das Gegenteil der guten Absichten. Denn damit werden Erwartungen geweckt, die so schnell wohl nicht erfüllt werden können. Was, wenn diese „Schlacht” verloren wird – oder wenn sie sich endlos hinzieht, was voraussichtlich der Fall sein wird? Dann könnte das Weltinteresse, dieser kleine Lichtblick im Leben der afghanischen Frauen, ganz schnell wieder verschwinden.
PETRA STEINBERGER
CHERYL BENARDundEDIT SCHLAFFER, in Kooperation mit ASIFA HOMAYOUN von RAWA: Die Politik ist ein wildes Tier. Afghanische Frauen kämpfen um ihre Zukunft. Droemer Verlag, München 2002. 272 Seiten, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Petra Steinberger findet, die beiden Hauptautorinnen schössen mit ihren Zukunftsvisionen bezüglich der Entwicklung der Lebenssituation von Frauen in Afghanistan etwas übers Ziel hinaus. In ihren Ausführungen ließen sie sich eher von Optimismus als von einer "sachlichen, und deshalb vielleicht auch pessimistische Analyse" leiten, moniert die Rezensentin. Dennoch findet sie besonders die persönlichen Berichte von afghanischen Frauen ebenso beeindruckend wie erschütternd und schreibt ihnen einen "repräsentativen" Charakter für die Situation der Frauen in Afghanistan zu. Steinberger bemängelt allerdings, dass sich die Autorinnen in ihrer Darstellung lediglich für "Rawa" interessierten, eine Bewegung, die sich für die Rechte der Frauen in Afghanistan einsetzt; "Rawa" sei eine zwar wichtige, aber durchaus nicht die einzige Organisation mit diesem Ziel. Außerdem befürchtet die Rezensentin, dass das Buch zu "Wunschdenken" verführt und vielleicht "Erwartungen weckt", die sich entweder gar nicht oder erst sehr spät erfüllen werden.

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