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Dies ist die Geschichte einer unerwiderten Leidenschaft. Einer großen kindlichen Zuneigung, entgegengebracht jenem blondgezopften Fräulein mit immer frisch gewaschener, rosiger Haut, die das kleine Mädchen auf unerklärliche Distanz hält. die die langen Samstagnachmittage mit beängstigenden, grusligen Geschichten von abgeschnittenen Daumen und lichterloh brennenden Mädchen füllt. Die aber der Leere, die die riesige, düstere Wohnung, der abwesende Vater, die in einer Maske aus Schminke erstarrte Mutter für das Kind bedeuten, keine Wärme und kein Leben einzuhauchen vermag. Trotzdem bricht eine…mehr

Produktbeschreibung
Dies ist die Geschichte einer unerwiderten Leidenschaft. Einer großen kindlichen Zuneigung, entgegengebracht jenem blondgezopften Fräulein mit immer frisch gewaschener, rosiger Haut, die das kleine Mädchen auf unerklärliche Distanz hält. die die langen Samstagnachmittage mit beängstigenden, grusligen Geschichten von abgeschnittenen Daumen und lichterloh brennenden Mädchen füllt. Die aber der Leere, die die riesige, düstere Wohnung, der abwesende Vater, die in einer Maske aus Schminke erstarrte Mutter für das Kind bedeuten, keine Wärme und kein Leben einzuhauchen vermag. Trotzdem bricht eine Welt für das Kind zusammen, als es eines Tages Anne Maries Leinenkoffer im Flur stehen sieht und von einem letzten flüchtigen Kuß gestreift wird.
Autorenporträt
Rosetta Loy, geboren 1931 in Rom, wo sie auch heute lebt, wurde berühmt durch ihren Roman "Straßen aus Staub". Zuletzt erschien von ihr "Schokolade bei Hanselmann" und Via Flaminia 21".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.2001

Kindermädchen in der Hauptrolle
Eine Jugend im faschistischen Italien: Rosetta Loy erinnert sich

Im Kinderzimmer der großbürgerlichen römischen Wohnung stehen blaue Stühlchen, sie tauchen vertraut aus der grauen Morgendämmerung auf, sobald Anne Marie, das geliebte deutsche Kindermädchen, die Jalousien hochzieht und dem kleinen Mädchen Milchkaffee in einem erbsengrünen Täßchen reicht. Auf dem Regal sitzt barfüßig das Jesuskind zwischen den Puppen mit ihren hängenden Köpfen und ihren Plattfüßen aus Zelluloid. Alle Gegenstände, alle morgendlichen Geräusche wie das Schlagen von Türen oder die flüsternden Stimmen im Flur haben eine Bedeutung, die sich über die Jahrzehnte tief in die Erinnerung eingegraben hat. Nur mit solchen genauen Bildern kann die Beschwörung einer Kindheit gelingen.

Rosetta Loy, 1931 geboren, hat bereits 1976 versucht, für den Zauber ihrer ersten Lebensjahre Worte zu finden. Jetzt hat sie sich nicht nur für eine endgültige Form entschieden, sondern auch für eine hochpoetische Sprache, die manchmal fast an Proust erinnert. Es ist die Geschichte einer sehnsüchtigen und absoluten Liebe zwischen dem Mädchen und der Kinderfrau, die in Verzweiflung endet, als Anne Marie heiratet und in ihre Tiroler Heimat zurückkehrt.

Was nimmt ein drei- oder vierjähriges Kind wahr? Wovor hat es Angst? Was begreift es schon, und wie fügt es sich in die unerbittliche Ordnung der Nonnen? Zu ihnen nämlich wird es jeden Morgen im chauffeurgesteuerten Astura gebracht. Die katholische Welt des Stifts ist geheimnisvoll und beängstigend. Die Gesetze, die dort herrschen, muten dem Kind ebenso grausam an wie der Feuertod des armen Paulinchens im Struwwelpeter, das für seinen Ungehorsam bestraft wird. "War Paulinchen Jüdin?" fragt das Kind einmal. Der blutüberströmte Christus, die Leidensstationen, die in der Passionszeit zur Wirklichkeit werden, wecken Fragen, auf die es keine verständlichen Antworten erhält. Daß Juden für den Tod Jesu ewiglich bestraft werden, soll es glauben. Da ist es beruhigend zu erfahren, daß die Familie als "römisch-katholische apostolische Arier" nichts zu befürchten hat.

Der Vater, der nur zu den Mahlzeiten auftaucht, ist kein Faschist, doch setzt er sich auch nicht ein für jüdische Freunde und Nachbarn. Das Kind darf nicht mit Regina, dem jüdischen Mädchen von gegenüber, spielen. Niemand spricht darüber, als die einst wohlhabenden Mitbewohner, die plötzlich einen gelben Stern tragen müssen, eines Tages verschwinden. Reginas französische Gouvernante, die das Kind und Anne Marie manchmal auf dem Pincio getroffen haben, ist längst weg.

Die Mutter tritt selten auf und wirkt stets unnahbar. Im Pelzmantel besucht sie die Amme, verteilt abgelegte Kleider und ekelt sich vor der schmuddligen Wohnküche. Mit der Armut und dem rotznasigen Milchbruder will auch das Kind nichts zu tun haben; die Klassenunterschiede sind ihm zutiefst bewußt. Der Köchin und dem Stubenmädchen geht es aus dem Weg. Nur Franzesco, der Chauffeur, spielt eine geachtete Nebenrolle.

Frühe Kindheit als magischer Schutzraum, der so vieles für immer prägt und manche Verletzungen in bleibende Narben verwandelt: Rosetta Loy hat diese prägende Zeit ein zweites Mal beschrieben, nun aber sachlich und mit zeitgeschichtlichen Dokumenten ergänzt. "Via Flaminia 21 - Meine Kindheit im faschistischen Italien" heißt der Erinnerungsband, der nun als Taschenbuch erschienen ist. Wie sich das politische Klima Italiens vergiftete, ähnlich wie Deutschland im Nationalsozialismus, beschreibt die mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichnete Autorin hier nicht nur aus der Erfahrung eines heranwachsenden Kindes. Sie zitiert Verordnungen, Gesetzesänderungen und gibt vor allem immer wieder ängstliche, verschleiernde Reaktionen der katholischen Kirche aus Dokumenten wider. Daß der Antisemitismus einen religiösen Ursprung hat, ahnt schon das Kind. Das Schweigen und Versagen des Papstes belegt Rosetta Loy mit historischen Zitaten. Eine Anklage, die nicht gemildert wird durch das stillschweigende Einverständnis der Bevölkerung: Niemand in Rom protestierte, als auch die letzten jüdischen Mitbürger zusammengetrieben und abtransportiert wurden.

MARIA FRISÉ

Rosetta Loy: "Die Pforte des Wassers". Roman. Aus dem Italienischen übersetzt von Maja Pflug. Piper Verlag, München, Zürich 2001. 119 S., geb., 29,80 DM.

Rosetta Loy: "Via Flaminia 21 - Meine Kindheit im faschistischen Italien". Aus dem Italienischen von Maja Pflug. Piper Verlag, München, Zürich 2001. 176 S., br., 16,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Maria Frisé geht in ihrer Rezension auf zwei Bücher Rosetta Loys ein, die sich beide mit ihrer Kindheit im faschistischen Italien befassen: "Die Pforte des Wassers. Roman" und "Via Flaminia 21. Meine Kindheit im faschistischen Italien" (beide Piper). Jedoch wird nicht in jedem Punkt deutlich, bei welchem Aspekt sie sich auf welches Buch bezieht.
Der Rezensentin gefällt es sehr, dass die Autorin Bilder eingefangen hat, die in der Kindheit - oder in der Erinnerung daran - von besonderer Bedeutung sind, wie etwa "morgendliche Geräusche wie das Schlagen von Türen oder flüsternde Stimmen im Flur". Aber auch Ängste werden, so Frisé, beschrieben, etwa die unheimliche Atmosphäre im katholischen Stift. Dabei werde von der Autorin deutlich aufgezeigt, wie der Faschismus und Antisemitismus in Italien immer mehr Fuß fasste und auch die Welt des Mädchens beeinflusste. Besonders gut scheint der Rezensentin zu gefallen, dass die Autorin in "Via Flaminia 21" neben den Erinnerungen auch Dokumente mit einfließen lässt, etwa Gesetzesänderungen, "ängstliche, verschleiernde Reaktionen der katholischen Kirche" oder auch Zitate des Papstes. Die Sprache der Autorin wird als sehr poetisch gelobt und hat die Rezensentin sogar "manchmal fast an Proust erinnert".

© Perlentaucher Medien GmbH