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Der Jahrhundertautor Roberto Bolaño entwirft in diesem unvergleichlichen Roman ein Schreckenskabinett der Welt und der Literatur. In dreißig fiktiven Lebensgeschichten süd- und nordamerikanischer Nazi-Schriftsteller streift er nicht nur finstere kulturelle und historische Realitäten, sondern skizziert zugleich eine ungeheuerliche und bizarre Parodie der Literaturgeschichte. Die Palette seltsamer Gestalten reicht vom Exzentriker und Clown bis hin zum Fanatiker und Wahnsinnigen, allesamt Zeugen von Bolaños unverwechselbarem Stil und seiner genialen Imaginationskraft.

Produktbeschreibung
Der Jahrhundertautor Roberto Bolaño entwirft in diesem unvergleichlichen Roman ein Schreckenskabinett der Welt und der Literatur. In dreißig fiktiven Lebensgeschichten süd- und nordamerikanischer Nazi-Schriftsteller streift er nicht nur finstere kulturelle und historische Realitäten, sondern skizziert zugleich eine ungeheuerliche und bizarre Parodie der Literaturgeschichte. Die Palette seltsamer Gestalten reicht vom Exzentriker und Clown bis hin zum Fanatiker und Wahnsinnigen, allesamt Zeugen von Bolaños unverwechselbarem Stil und seiner genialen Imaginationskraft.
Autorenporträt
Roberto Bolaño ist eine der großen Entdeckungen der Weltliteratur; seine Romane verweben »schlechterdings alles Essentielle der vergangenen Jahrtausende« (Die Zeit). Roberto Bolaño wurde 1953 in Santiago de Chile geboren, lebte in seiner Jugend lange in Mexiko-Stadt und siedelte später mit seiner Familie nach Spanien um. Dort starb er 2003, im vergeblichen Warten auf eine Lebertransplantation, als er gerade an seinem Meisterwerk »2666¿«arbeitete. In der Werkausgabe von Roberto Bolaño sind im Fischer Taschenbuch bisher folgende Titel erschienen: »Stern in der Ferne«, »Die Naziliteratur in Amerika«, »2666«, »Amuleto«, »Das dritte Reich«, »Lumpenroman«, »Der unerträgliche Gaucho«, »Die wilden Detektive«, »Telefongespräche«, »Chilenisches Nachtstück« sowie »Mörderische Huren«. Im S. Fischer Verlag erschienen erstmals auf Deutsch die Romane »Der Geist der Science-Fiction« (2018), »Monsieur Pain« (2019) und »Die Eisbahn« (2021).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.07.1999

Pampa-Germano
Roberto Bolaño über die Naziliteratur in Amerika

Wer kennt noch Edelmira Thompson de Mendiluce, geboren 1894 in Buenos Aires und 1993 dort gestorben, die in ihrem Gedichtband "Argentinische Stunden" vaterländische Ermannung statt erotischer Ermattung predigte und 1929 sogar von Adolf Hitler empfangen wurde? Wer erinnert sich an den Brasilianer Luiz Fontaine da Souza, der einundzwanzigjährig mit einer "Widerlegung Voltaires" vielversprechend debütierte, woran sich Widerlegungen Montesquieus, Rousseaus und Hegels, sodann eine vieltausendseitige "Kritik von Sartres ,Das Sein und das Nichts'" und schließlich die geistige Umnachtung anschlossen? Wer spricht von Max Mirebaliais aus Port-au-Prince, einem schillernden Antillen-Pessoa, der unter dem Pseudonym Max von Hauptmann seine arische Weltanschauung mit Senghors Négritude verquickte? Auch um Ramirez Hoffman ist es still geworden, den Dichter und Flieger aus Santiago de Chile. In den Jahren nach Pinochets Putsch sorgte er mit kühnen "poetischen Akten" zu Lande und in der Luft für Aufregung, ehe sich seine Spur in Europa verlor.

Ginge es nach Roberto Bolaño, dann wimmelte es in der Literatur der beiden Amerikas von Faschisten und Falangisten, Futuristen und Fußballfans. "Die Naziliteratur in Amerika" heißt das sechste Buch des 1953 in Chile geborenen und nun in Spanien lebenden Autors: ein fiktives Handbuch der verwegensten Dichterexistenzen beidseits des Rio Grande. In dreißig Lebensläufen sowie einem "Monster epilog" erfindet Bolaño eine komplette literarische Landschaft mitsamt Zeitschriften, Verlagen, Büchern und einer blühenden Biographie, als deren erster Diener er selbst gelten darf. Daß es diese sonderbaren Literaten - deren Sterbedaten mitunter weit im 21. Jahrhundert liegen - nie gegeben hat, tut Bolaños fröhlich-absurder Wissenschaft keinen Abbruch. Er hat ihre Werke und Taten derart täuschend in echte literarhistorische Zusammenhänge hineinkopiert, daß man sich eine Geschichte der südamerikanischen Literatur künftig schwer ohne Edelmira Thompson de Mendiluce vorstellen kann.

Irreführend könnte allerdings der Gebrauch sein, den Bolaño von dem Wort "Naziliteratur" macht. Eher als um "Nazis" handelt es sich bei den Helden seines Handbuchs um Germanophile. Fern vom Sehnsuchtsland huldigen sie ihren Idolen mit fiebriger Intensität und in vielerlei Gestalt: als Romantiker, als Dezisionisten, als "arische Naturfreunde" oder als elitäre Katholiken. Unter den sogenannten Nazi-Dichtern sind auch zwei Deutsche; sie kommen, wie Bolaño schreibt, vom Ende der Welt, und vielleicht klingen deshalb ihre Namen wie geträumt. Franz Zwickau heißt der eine, ein deutsch-venezolanisches Enfant terrible, das mit einem Gedicht namens "Dialog mit Hermann Göring in der Hölle" berühmt wird und mit 24 Jahren auf dem Motorrad in den Abgrund rast. Willy Schürholz heißt der andere. Er ist aufgewachsen in der südchilenischen "Colonie Renacer" und dann hervorgetreten als Lyriker und politisch dubioser Konzeptkünstler, der Lagepläne von Konzentrationslagern in die chilenische Wüste pflügt.

Bolaño erfindet nicht nur Lebensläufe und Werkgeschichten, er entwirft nebenbei eine kleine Pathologie der künstlerischen Produktivität. Zum Krankheitsbild gehören - von Iowa bis Feuerland - intellektuelle Verstiegenheit, das Lob der Tat und ein Rassenwahn, der in der Abgeschiedenheit von Pampa und Kordilleren besonders dicke Blüten treibt.

Das Buch beginnt als Parodie eines literarischen Handbuchs und endet beinahe wie ein Roman. Im letzten, längsten Artikel seines Buches, dem über Ramirez Hoffman, tritt Bolaño selbst in Erscheinung und erzählt von seiner Gefangenschaft in Chile nach Allendes Sturz 1973. "Die Umstände", schreibt er, "die mich ins Lager brachten, waren banal, aber sie erlaubten mir, beim ersten poetischen Akt von Ramirez Hoffman zugegen zu sein." Doch die Authentizität in eigener Sache, die Bolaño hier anzukündigen scheint, ist nur eine Finte unter vielen in diesem gewitzten Buch.

Wie Borges in seiner "Universalgeschichte der Niedertracht" operiert Bolaño mit "barocken" Mitteln, mit disparaten und disproportionalen Stilelementen. Die Sprünge in seinen Geschichten stehen im Dienst eines finsteren intellektuellen Vergnügens, einer historischen Metafiktion, die man, so Bolaño, besser nicht dechiffrieren solle. Andernfalls könne man verrückt werden.

CHRISTOPH BARTMANN

Roberto Bolaño: "Die Naziliteratur in Amerika". Aus dem Spanischen übersetzt von Heinrich von Berenberg. Verlag Antje Kunstmann, München 1999. 240 S., geb., 38 DM.

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