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Eine Serie bizarrer Frauenmorde erschüttert Hamburg. Die junge Gerichtsmedizinerin Leonie Simons fühlt sich gedrängt, sich in die Ermittlungen der Polizei einzumischen, sehr zum Ärger von Hauptkommissar Kaminski. Immer neue Opfer tauchen auf, und die beiläufig begonnene Recherche wird für Leonie zum Albtraum, der ihr Leben verändert.

Produktbeschreibung
Eine Serie bizarrer Frauenmorde erschüttert Hamburg. Die junge Gerichtsmedizinerin Leonie Simons fühlt sich gedrängt, sich in die Ermittlungen der Polizei einzumischen, sehr zum Ärger von Hauptkommissar Kaminski. Immer neue Opfer tauchen auf, und die beiläufig begonnene Recherche wird für Leonie zum Albtraum, der ihr Leben verändert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.01.2002

Mord als Museumspädagogik
Renate Kampmann läßt brutale Bilder ins Bewußtsein schlüpfen

Im Fernsehen der Serienunterhaltung ist der Rechtsmediziner längst eine fixe Größe, angefangen beim Amerikaner Quincy, aber auch Dr. Kolmar, in Deutschland "Der letzte Zeuge", hat seinen Rang. In der Kriminalliteratur hingegen ist noch kein Vertreter der Gerichtsmedizin vergleichsweise nachhaltig hervorgetreten. Diesem Manko Abhilfe zu schaffen, bringt die Romandebütantin Renate Kampmann eine energische, selbstbewußt unbemannte Dr. Leonie Simon ins Spiel, um die Dreißig und frischbestallte Oberärztin am Institut für Rechtsmedizin der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf. Aller Elan der alerten jungen Frau kann freilich nicht verbergen, daß sie ein Trauma mit sich schleppt, den Tod der Mutter, die einem Mörder zum Opfer fiel.

"Sie hatte wieder den Albtraum gehabt", lautet der erste Satz des Romans und "Es war noch nicht vorbei" der letzte. Dazwischen vollzieht sich auf gut fünfhundert Seiten ein akribisch Schritt für Schritt aufgezeichnetes und nur sanft auf Rückblenden angewiesenes Exempel bizarrer Frauenmorde, die nie aufgeklärt worden wären, wenn die Rechtsmedizinerin nicht zum Grimm der Polizei weit mehr Eifer und kriminalistischen Spürsinn gezeigt hätte, als ihrer Profession gemeinhin zugestanden wird.

Renate Kampmann hat sich einiges vorgenommen: Sie taucht in die parapsychologischen Untiefen des rational nicht Erklärlichen und will doch ganz konkret an einem Fall bleiben, der sich in immer mehr Fälle ausweitet. Sie setzt auf den Nervenkitzel des Unerwarteten und will den Leser doch nie bewußt täuschen. Nicht nur, daß der Täter seine Opfer zurichtet, als seien die Toten berühmten Gemälden entstiegen: Dante Gabriel Rossettis "Proserpina" und der "Pietà" von Otto Dix, dem Tableau "Der androgyne heilige Sebastian" von Salvador Dalí und dem rechten Flügel von Hieronymus Boschs Triptychon "Der Garten der Lüste". Mehr noch macht der Polizei und Frau Dr. Simon zu schaffen, daß es da einen Mann gibt, Schriftsteller seines Zeichens, dem visionäre Kräfte zu eigen zu sein scheinen, die Mordtaten bis in Details vorherzusehen. Was, wenn er selbst der Täter wäre? Dann sollte sich die Hilfsdetektivin besser nicht auf eine verquere Liaison mit dem Verdächtigen einlassen.

Wiewohl auf die Form der Ich-Erzählung verzichtend, bleibt der Roman allein der Perspektive seiner Hauptfigur verpflichtet, die dem Leser auf Anhieb so vertraut wird, daß sie fortwährend Leonie genannt werden kann. Einzig ein paar kursiv gesetzte Tagebuchreflexionen des sich damit höchst verdächtig machenden Visionärs sprengen die schlichte, der Chronologie folgende Form des Romans. Auch wenn mit diesen Einschüben eine falsche Fährte gelegt wird, läßt sich der erfahrene Leser nicht beirren, verdächtigt - weil Renate Kampmann fairerweise die entsprechenden Signale niemals unterschlägt - fast von dessen erstem Auftauchen an den Richtigen und ist insofern mit der Tätersuche nicht so abgelenkt, wie ein Buch es gerne hätte, das, je länger es währt, immer stärker zur Enttäuschung wird.

"Die Macht der Bilder" ist ein Roman, der es sich einfach zu einfach macht. Zwar möchte die Autorin mit dem Fachwissen und dem medizinischen Vokabular beeindrucken, das sie sich in einigen Wochen Hospitanz an der Hamburger Universitätsklinik aneignete. Doch ihr Erzählton bleibt einem norddeutsch gefärbten Alltagsdeutsch treu, das keinerlei literarischen Anspruch zu kennen scheint. Da werden Dinge erinnert, statt daß die Figuren sich erinnern, da geht es Treppen grundsätzlich hoch statt hinauf, da wird dem Dativ in beigefügten Nebensätzen keine Chance gegeben: "Am nächsten Morgen fuhr sie statt ins Institut zu einer Galeristin, eine studierte Kunsthistorikerin, die sie bei einer Vernissage kennengelernt hatte." Daß mehrfach von mehreren Alternativen die Rede ist - selbst wenn man Rollenprosa unterstellte, müßten die sich unterhaltenden Akademikerinnen wissen, daß eine Alternative nur einmal als solche zu haben ist -, verrät endgültig das Gebrauchsdeutsch dieses Buchs.

Kaum besser verhält es sich mit den geheimnisumwitterten Ingredienzen der Geschichte, die als Voraussetzung nimmt, daß es neben den Gehirnvorgängen beim Menschen noch etwas geben mag, das geistiges Leben entstehen läßt, daß "der Mensch also mehr ist als sein Gehirn", wie der Roman einen namenlos bleibenden österreichischen Wissenschaftler zitiert. Doch wenn Renate Kampmann zur Erklärung des rational nicht zu Erfassenden im Grunde nur den Irgendwie-Satz "Irgendeine sonst fest verschlossene Pforte hatte sich für Georg geöffnet, durch die Bilder in sein Bewußtsein schlüpfen konnten, die er lieber nicht gesehen hätte" aufbieten kann, dann scheint das am Ende mehr als dürftig. Und die Macht der Bilder von Dalí, Dix & Co. ist ein Effekt, nichts sonst.

Allein das Trauma, das Frau Dr. Simon belastet, zeugt von Fallhöhe: daß eine Tochter nämlich im Vater den Mörder der Mutter vermutet und ein Vater in der Tochter die Mörderin, wobei die beiderseits Unschuldigen im gegenseitigen Schweigen einander ihr Leben dauerhaft versehrt haben. Doch dieser bemerkenswerte Aspekt nach dem Finale, wenn der Täter mit dem Leben bezahlt hat und die zum Schluß extrem bedrohte Leonie mit ihrem davongekommen ist, ändert nichts daran, daß Renate Kampmann, so versiert manche ihrer Fernseh-Drehbücher, etwa für die Bella-Block-Reihe, sich bisher auch ausgenommen haben mögen, als Romanautorin seltsam unbedarft wirkt.

HANS-DIETER SEIDEL.

Renate Kampmann: "Die Macht der Bilder". Roman. Haffmans Verlag, Zürich 2001. 507 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

So versiert Rezensent Hans-Dieter Seidel manche Fernsehkrimi-Drehbücher der Autorin ("Bella Block") auch findet, als Romanautorin wirkt sie auf ihn "seltsam unbedarft". Denn das Buch, in dessen Zentrum, wie der Rezensent mitteilt, eine "energische, selbstbewusst unbemannte" Gerichtsmedizinerin um die Dreißig steht, macht es sich seiner Ansicht nach zu einfach. Zwar wolle die Autorin mit dem "Fachwissen und medizinischen Vokabular beeindrucken". Doch ihr Erzählton bleibe einem "norddeutsch gefärbten Alltagsdeutsch treu, das keinerlei literarischen Anspruch zu kennen scheint". Auch der ambitionierte Einfall der Autorin, dass der Mörder seine Opfer zurichtet, als "seien die Toten berühmten Gemälden entstiegen" inklusive der "parapsychologische Untiefen" des Buchs, kann den negativen Grundeindruck des Rezensenten nicht mildern. Allein das Trauma der Hauptfigur, dass ihre Mutter einst eines gewaltsamen Todes starb, und nun die Tochter den Vater, der Vater aber wiederum die Tochter dieses Mordes verdächtigt, zeugt in seinen Augen von einer gewissen inhaltlichen Fallhöhe.

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