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«Ich war nicht auf dem Gipfel des K2, wie ich es vor ein paar Tagen fälschlicherweise bekannt gegeben habe.» Das Eingeständnis des österreichischen «Skyrunners» Christian Stangl erschütterte Ende des Sommers 2010 die internationale Bergsteigerszene. Betrug und Täuschung, Fake News und Post Truth: Wer meint, die Welt des Alpinismus sei diesbezüglich ein unbefleckter Ort, der irrt. Schon viele Male sind in der Öffentlichkeit Zweifel aufgekommen, ob Bergsteiger hinsichtlich einer sportlichen Leistung gelogen oder zumindest nicht die ganze Wahrheit gesagt haben. Das neue Buch des renommierten…mehr

Produktbeschreibung
«Ich war nicht auf dem Gipfel des K2, wie ich es vor ein paar Tagen fälschlicherweise bekannt gegeben habe.» Das Eingeständnis des österreichischen «Skyrunners» Christian Stangl erschütterte Ende des Sommers 2010 die internationale Bergsteigerszene. Betrug und Täuschung, Fake News und Post Truth: Wer meint, die Welt des Alpinismus sei diesbezüglich ein unbefleckter Ort, der irrt. Schon viele Male sind in der Öffentlichkeit Zweifel aufgekommen, ob Bergsteiger hinsichtlich einer sportlichen Leistung gelogen oder zumindest nicht die ganze Wahrheit gesagt haben. Das neue Buch des renommierten Tessiner Journalisten und Bergführers Mario Casella nähert sich diesem vielschichtigen Thema packend und mit psychologischem Feingefühl an. Christian Stangl, Walter Bonatti, Maurice Herzog, Tomo Cesen, Reinhold Messner ... Die Liste der Alpinisten, die zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Karriere der Lüge bezichtigt wurden oder wie im Falle Stangls eine Lüge eingestanden, ist illuster. Teilweise blieben die Anschuldigungen und Vorwürfe jahrzehntelang virulent, und in vielen Fällen konnte niemals zweifelsfrei nachgewiesen werden, ob die Alpinisten gelogen hatten oder nicht. Aber Casella geht es nicht um das Aufdecken der Wahrheit. Er fragt vielmehr, welche Motivationen dem Abweichen von der Wahrheit im einzelnen Fall zugrunde lagen, und beschreibt die Mechanismen und Prozesse im Umgang mit der (tatsächlichen oder unterstellten) Lüge in Öffentlichkeit und Medien. Auch die Bezüge zu anderen Schattenseiten des Hochleistungssports (Erfolgsdruck, Doping und Drogensucht, Depression und Burnout) werden transparent gemacht - spannend und hochaktuell.
Autorenporträt
Casella, MarioMario Casella, geboren 1959, Journalist, Filmemacher und Bergführer, war lange Zeit hauptberuflich für das Radio und TV der italienischen Schweiz (RSI) tätig. Nach einer Periode als Auslandkorrespondent kehrte er in die Schweiz zurück und widmet sich seither eigenen Buch- und Filmprojekten sowie Expeditionen.Im September 2018 erhält Casella in Pontresina den Albert Mountain Award für besondere Verdienste auf dem Gebiet des Alpinismus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2019

NEUE REISEBÜCHER

Für die Tasche Das Bedürfnis nach moralischer Integrität habe ihn zum Bergsteigen gebracht, sagt Mario Casella, Journalist und Bergführer aus dem Tessin. Er vergleicht eine journalistische Recherche mit einer anspruchsvollen Tour: die Befriedigung, ein Ziel ehrlich erreicht zu haben.

Dass das im Journalismus nicht immer gilt, zeigte die Relotius-Affäre, da war das Buch schon erschienen; und dass es auch in den Bergen nicht immer stimmt, dem geht Casella nach. Er will nicht Alpin-Lügen aufdecken, sondern ergründet das Psychologische dahinter, untersucht die Konsequenzen für diejenigen, die am Berg gelogen, getäuscht, geschummelt haben. Er beschreibt in spannenden Kapiteln spektakuläre Fälle und klettert einige der Touren nach.

Manche Alpinisten wurden auf Indizien hin der Lüge bezichtigt, einige wenige haben gestanden. "Ich war nicht auf dem Gipfel des K2, wie ich es fälschlicherweise bekanntgegeben habe", gestand der Österreicher Christian Stangl im Sommer 2010 öffentlich unter Tränen. Casella spürt der Krise nach, in die Stangl wegen Misserfolgen geraten war, aus dieser Krise heraus entstand die Lüge. Die Casella nicht beschönigt, aber versteht.

Casella schlägt den Bogen zu Lügen im Alltag, zur Selbsttäuschung, und widmet sich komplizierter Fälle, wie Walter Bonattis Einsatz ebenfalls am K2, der sich verraten und erniedrigt fühlte. Und natürlich geht es um Reinhold Messners Desaster am Nanga Parbat, bei dem sein Bruder ums Leben kam.

Das Internetzeitalter befeuert Rekord- und Ruhmsucht, auch in den Bergen, neu ist die Tendenz nicht. Auch bei der Erstersteigung des Montblanc 1786 hat jemand gelogen. Aber wer? Eine berühmte Geschichte endete sogar mit einer Namensgebung für einen Berg: 1906 behauptete Frederick Cook, den Mt. McKinley in Alaska ersterstiegen zu haben. Das Gipfelfoto zeigte allerdings einen 15 Kilometer entfernten Berg, der seither Fake Peak heißt. Einen Fake Pole gab es nicht, auch wenn Cook später behauptete, den Nordpol erreicht zu haben. Einer der spektakulärsten Fälle war Cesare Maestris Doppelerstersteigung des Cerro Torre in Patagonien. Bei der ersten Tour blieb der Mitersteiger verschollen und mit ihm die Kamera mit dem Gipfelfoto. Bei der zweiten Tour nagelte sich Maestri mit einem Kompressor hinauf, setzte einen Bohrhaken neben den anderen, heute verpönt, in den 1970ern aber nicht ungewöhnlich. Der Kompressor hängt heute noch oben - aber nicht am Gipfel. War er oben, war er nicht oben? Maestri schwört, sein Gewissen sei rein. Doch der Berg hat sein langes Leben komplett verschattet. Bei einem anderen jungen Italiener, der 1925 eine schwere Tour in den Dolomiten geschafft haben soll, was aber nicht zu belegen war, zitiert Casella einen Freund: "Wenn er gelogen hat, ist das schlimm, aber noch schlimmer wäre es, wenn er es tatsächlich geschafft hätte und ihm das niemand geglaubt hat!"

Das ist das zentrale Anliegen Casellas: Auch wenn alle Fakten dagegen sprechen, den Zweifel zu bewahren, dass der Alpinist vielleicht doch die Wahrheit gesagt hat.

bfer.

Mario Casella: "Die Last der Schatten. Wenn Alpinisten nicht die ganze Wahrheit sagen". AS-Verlag, 192 Seiten, 22,50 Euro

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