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In einer abgelegenen Hütte am Fuß der Blue Ridge Mountains verbirgt sich eine junge deutsche Studentin. Sie will vergessen, was ihr geschehen ist, sie will den Anrufen entkommen und der Furcht und den Träumen. Doch vor Erinnerungen kann man nur flüchten, und so treibt die äußere Verfolgung sie immer weiter auf die verdrängten Bilder der eigenen Vergangenheit zu. Ein suggestives Psychodrama um Angst, Verdrängung und Auflehnung, glasklar und intensiv erzählt.

Produktbeschreibung
In einer abgelegenen Hütte am Fuß der Blue Ridge Mountains verbirgt sich eine junge deutsche Studentin. Sie will vergessen, was ihr geschehen ist, sie will den Anrufen entkommen und der Furcht und den Träumen. Doch vor Erinnerungen kann man nur flüchten, und so treibt die äußere Verfolgung sie immer weiter auf die verdrängten Bilder der eigenen Vergangenheit zu. Ein suggestives Psychodrama um Angst, Verdrängung und Auflehnung, glasklar und intensiv erzählt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.03.2004

Noch ein Frauenfeind
Eins nach dem anderen: „Die Hütte” von Kathrin Groß-Striffler
Genauso wie das Über-Ich oder die Über-Mutter gibt es auch das Über-Opfer. Wo erstere zu streng sind, ist das Über-Opfer zu gehorsam. Literarisch gesehen ist diese Figur ebenso verlockend wie gefährlich: Einerseits fordert sie die Neugier mitfühlender Leser heraus, andererseits riskiert eine dick aufgetragene Leidensgeschichte den Overkill. Zu viel erduldetes Unglück klingt nach Klischee und macht die Handlung vorhersehbar.
Kathrin Groß-Strifflers Roman ist im Grenzgebiet zwischen psychologischer Feinfühligkeit und gefühliger Psychologie angesiedelt. „Die Hütte” steht in den amerikanischen Blue Ridge Mountains und ist der Rückzugsort der deutschen Studentin Johanna, die sich um die Pferde einer ältlichen Farmbesitzerin kümmert. Eine Idylle mit Tieren, Natur und harter ehrlicher Arbeit, könnte man meinen, doch Johanna befindet sich auf der Flucht. Sie versteckt sich vor ihrem Ehemann Jim und wird von einer übermächtigen Angst gequält. Die Icherzählerin muss sich nicht nur vor Jim fürchten: In langsam gesteigerten Spannungsbögen zeichnet sich die Gewalt in ihrer Lebensgeschichte ab. Schritt für Schritt wird das Muster von Verletzungen deutlich, das Johanna immer bei den Falschen Schutz suchen lässt.
Die Sprache dieser Vergangenheitsbewältigung reiht einfache Handlungen zu langen Satzketten auf. Alltägliche Handgriffe verwandeln sich in Beschwörungsformeln, die das verlorene Ich zurückgewinnen sollen. „Ich nahm einen Schlauch und spritzte die Tiere ab und brachte sie auf die Weide, wo die anderen noch in Zaunnähe auf sie warteten, dann lief ich zum Stall zurück und besorgte das Ausmisten, fegte die Stallgasse, hängte die Satteldecken in die Sonne, wusch die Trensen und räumte die Sattelkammer ordentlich auf.” Dieses Eins-nach-dem-Anderen wird nicht nur zum formalen Erzählprinzip, es bildet auch die inneren Ordnungsversuche Johannas ab. Die Landschaft übt dabei rousseauistische Heilkräfte aus und kann dennoch umschlagen in eine fast feindliche Macht. Vögel knallen auf die Windschutzscheibe und tote Tiere treiben in angeschwollenen Flüssen, je nach Angstpegelstand der Protagonistin.
Das Problem liegt in der Leidensüberdosis der Geschichte. Johanna muss nicht nur die Gewalt in der Ehe, sondern auch den angedeuteten Missbrauch in der Kindheit, die triste Jugend, eine nicht gewollte Abtreibung und die düstere Stimmung im geteilten Deutschland verarbeiten. Alle Klischees weiblicher Wehrlosigkeit kommen zum Einsatz: Bei ihrer Ankunft in Amerika ist die Stipendiatin so schutzbedürftig, dass sie sich mit einem rassistischen Frauenfeind einlässt, und noch in ihrem Refugium poliert sie die Stiefel der barschen Landlady. Diese Symbolköder legen zwar eine Fährte zur psychotherapeutischen Fallgeschichte, überlagern aber die verdichtete Form, die der Roman auch zu bieten hat.
JUTTA PERSON
KATHRIN GROSS-STRIFFLER: Die Hütte. Roman. Aufbau Verlag, Berlin 2003. 158 Seiten, 15,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2003

Erweckung in der S-Bahn
Ernste Natur: Kathrin Groß-Strifflers doppeltes Romandebüt

"Das Gut" und "Die Hütte": Sie liegen nicht weit auseinander, weder in der Wirklichkeit noch in den beiden Romanen Kathrin Groß-Strifflers. Der Stil der Autorin, die in einem Jahr gleich zwei Bücher vorlegt, die Personen dieser Bücher, deren Umgebung ähneln sich - und doch spielen die Romane in zwei Welten. Das Gut liegt in der Alten Welt, die Hütte in der Neuen. Schon die Personennamen klingen wie alt und neu: Torsten, Malte, Hannah, Johannes und Jim, Tom, Mrs. Burke.

Torsten, Sohn eines Schuhladenbesitzers in einer Kleinstadt, heiratet in "Das Gut" die Tochter eines adeligen Gutsherrn und zerbricht unter der Erbschaft, die er nun zu übernehmen hat. Weder den Ansprüchen seiner aristokratischen Gemahlin, die auf standesgemäßes Benehmen setzt, noch den Sachzwängen der modernen Ökonomie, die Einfallsreichtum und Biegsamkeit bei der Verwaltung eines landwirtschaftlichen Betriebs erfordern, weiß das Kind aus dem Volke zu genügen. So braut sich ein finsteres Familienschicksal zusammen, das der dramatischen Höhepunkte nicht entbehrt.

Unbeugsam gegen die Mesalliance, ziehen sich die Schwiegereltern ins Austragshäuschen zurück; unnachsichtig gegen die gesellschaftliche Unbeholfenheit des Gatten, verfolgt ihn die Ehefrau mit Haß; ungehorsam gegen den schwerfälligen und schwermütigen Vater, gießt der Sohn hinter seinem Rücken und bald auch offen Hohn und Spott über ihm aus. Aus der Düsternis dieses Lebens schlagen dann wirkliche Flammen empor und beleuchten den Gutsbesitzeralltag mit ihrem Widerschein: Der gehässige Sohn zündet das Haus der Großeltern an; und schließlich, als der Vater Rettung aus der Familienhölle bei einer neuen Geliebten sucht, geraten die beiden Brüder, der eine, der den Vater verhöhnt, der andere, der ihn verteidigt, in eine handgreifliche Auseinandersetzung. Der ökonomische Mißerfolg, der sich trotz guten Willens dem ungeschickten Eindringling an die Fersen heftet, bestätigt den Adelsstolz. Aber auch der Sohn, Liebling der Mutter, vermag den Ruin nicht aufzuhalten: Am Ende breiten sich zwischen Hof und Meer, an der Stelle wo einst saftige Wiesen das gesunde Vieh ernährten, ein Hotel, Liegewiesen, Golf- und Campingplätze aus.

Der Heimatroman aus dem neunzehnten Jahrhundert und die Zivilisationskritik aus dem zwanzigsten, die Familientragödie mit all ihren bösen Zufällen und das Melodram des untergehenden Landlebens - das alles ist auf locker bedruckten 160 Seiten untergebracht und verstellt in solcher Gedrängtheit das, was Kathrin Groß-Striffler wirklich könnte: Charaktere aus unscheinbaren Handlungen heraus zu entwickeln, die Natur in ernsten Stilleben einzufangen, das Nebensächliche draußen zu einer Hauptsächlichkeit im Innern zu machen.

Diese Fähigkeiten verrät der mit dem Alfred-Döblin-Preis ausgezeichnete Roman "Das Gut" lediglich im ersten Kapitel, wo er die Hauptfigur vorstellt: "Er war schon als Kind anders", setzt die Erzählung ein. "Anders als die anderen, die wußten, daß ein Stein ein Stein war und Bäume umstürzten, wenn man das Beil an einer bestimmten Stelle in die Rinde schlug. Er schien vor allem, vor jedem, zurückzutreten, einen kleinen, ehrfürchtigen, kaum wahrnehmbaren Schritt, um zu betrachten, was vor ihm war, so als müsse er sich selbst gänzlich zur Seite nehmen und als warte er nur auf den Augenblick, der ihm erlauben würde, dem wahren Wesen seines Gegenübers seine Reverenz erweisen zu dürfen. Es erstaunte daher nicht, daß sein Oberkörper immer leicht nach vorn geneigt war, daß seine Schultern sich ein wenig krümmten, daß sein Gang wenig zielgerichtet schien."

Kathrin Groß-Striffler verfügt über eine ausgeruhte Sprache, die sich in der Darstellung von Details am besten bewährt. Voll des Pflichtbewußtseins jedoch, ein Publikum unterhalten zu müssen, voll der Angst, mit den stillen Gaben, die ihr beschieden, das nicht leisten zu können, was ein Debüt verlangt, fängt sie ein Klischee nach dem andern ein, bis sie sich schließlich auf Unwahrscheinlichkeiten und Übertreibungen niederläßt: den Brand etwa, den der Bösewicht gelegt hat, inszeniert sie als Versicherungsbetrug: "Er hat Antje gebeten, zu einer bestimmten Uhrzeit die Feuerwehr aufs Gut zu schicken, und bald hört er das Schrillen der Sirenen. Alles ist hervorragend geplant; die Versicherungssumme ist ihm gewiß." Die Autorität des verrotteten Adels und die Verantwortungslosigkeit des modernen Unternehmertums sollen sich durch ein und denselben Akt entlarven. Alles, was hier geschieht, hat einen symbolischen Wert, der ausdrückt, daß das Schlechte über die Welt gekommen ist. Statt Unterhaltung erzeugt die Autorin mit dieser schulmeisterlichen Deixis Langeweile. Wo sich der Leser im Alltag der Figuren niederlassen möchte, zwingt ihn ein zivilisationskritischer Wink, Haltung anzunehmen.

Ausgedehnte Aufenthalte in der Weite des amerikanischen Kontinents hingegen gönnt uns die Autorin in "Die Hütte". Die Ich-Erzählerin, eine deutsche Studentin, von ihrem amerikanischen Freund verlassen, hat sich auf dem Alterssitz einer Dame einquartiert und verrichtet für diese die Landarbeit, mistet Ställe aus, füttert und striegelt Pferde. Groß-Striffler liebt einfache Handlungen und eindeutige Aussagen in parataktischen Sätzen. Solche Simplizität des Stils, mit der die moderne Literatur, angeregt durch Thomas Bernhard, an die Tradition Stifters anknüpft, verbirgt immer ein Geheimnis: Viele Worte sind nicht zu machen, wo etwas Großes wächst. Die Gegenwart mit ihren immer gleichen Verrichtungen verhängt wie ein Schleier die Vergangenheit, in der etwas Bedeutendes geschehen sein muß. Für das fliehende Mädchen trägt diese Vergangenheit den Namen "Jim", des ehemaligen Geliebten, der wie ein Verfolger durch den Kopf der Erzählerin auch noch in der Einsamkeit des Landgutes geistert. In Wahrheit aber tritt hinter diesem Verfolger schließlich der Vater hervor, der in fernen Kindertagen seine kleine Tochter belästigt hat, die Angst entpuppt sich als verdrängtes Kindheitstrauma.

Mit diesem Sujet ist Groß-Striffler bei der neuesten Mode angelangt, bei Inzest und Kindesschändung. Durch solche Moralisierung wehrt sich die Gegenwartsliteratur gegen den Vorwurf, nichts als eine müßige Freizeitbeschäftigung zu sein. Die Motivation zum Schreiben findet die Autorin in beiden Romanen nicht in sich, sondern in der Boulevardpresse: Adelsstolz, Versicherungsbetrug, Kindesmißbrauch sind die Erweckungserlebnisse müder Fahrgäste in der S-Bahn am Morgen. Die Literatur - und Kathrin Groß-Striffler ist da nicht allein - macht sich gern zur Dienerin der Skandalnachrichten und meint, genug getan zu haben, wenn sie dem erschöpften Angestellten am Abend eine soziale oder psychologische Erklärung nachliefert für das, was ihn am Morgen wachgerüttelt hat.

HANNELORE SCHLAFFER.

Kathrin Groß-Striffler: "Das Gut". Roman. Reclam Verlag, Leipzig 2003. 160 S., geb., 14,90 [Euro].

Kathrin Groß-Striffler: "Die Hütte". Roman. Aufbau Verlag, Berlin 2003. 158 S., 15,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jutta Person sieht die Gefahr in dem Roman über die deutsche Studentin Johanna, die sich vor einem gewalttätigen Ehemann in die amerikanische Blue Ridge Mountains flüchtet, darin, dass ein "Über-Opfer" entwickelt wird, das nur allzu schnell im Klischee versinkt. Die Nöte, die sich im Leben der Protagonistin häufen - Missbrauch in der Kindheit, Gewalt in der Ehe, ungewollte Abtreibung - empfindet die Rezensentin als "Leidensüberdosis". Hier sind "alle Klischees weiblicher Wehrlosigkeit" versammelt, so Person unzufrieden, die der Autorin zwar "psychologisches Einfühlungsvermögen", aber eben auch "gefühlige Psychologie" attestiert. Insgesamt, so die Rezensentin bedauernd, überlagert die "psychotherapeutischer Fallgeschichte" die "verdichtete Form" des Romans.

© Perlentaucher Medien GmbH