Brüder Lebert sind bekannte Autoren. Aber man kann einen Namen bekanntlich auch verspielen. Vor zwei Jahren haben sie die "Anleitung zum Männlichsein" veröffentlicht. Diesmal plädieren sie dafür, ein möglichst heiteres Leben zu führen. Sie preisen sowohl die Heiterkeit als Selbstzweck wie auch als Mittel, um kleine und große Schicksalsschläge besser zu verkraften. Hier wird hauptsächlich geplaudert; wer mehr erwartet, hat das falsche Buch gekauft. Ich habe vieles nur mit halber Aufmerksamkeit wahrgenommen; als ich das Buch später noch einmal durchblätterte, war ich überrascht, wie viel eigentlich Interessantes ich schon wieder vergessen hatte. Oder sollte dies ein Hinweis darauf sein, dass man es mit einem belanglosen Buch zu tun hat?
Die Autoren erzählen Geschichten und Anekdoten, sie sammeln Ratschläge und Momentaufnahmen aus Büchern und Filmen. Wir erfahren, was sie Gutes essen und trinken. Sie berichten auch von schweren Unfällen, von Siechtum und Tod. Das Buch ist durchaus angenehm zu lesen, wenn man gern Geschnetzeltes zu sich nimmt. Ich glaube aber nicht so recht an seine Wirksamkeit: Heiterkeit kann man nicht lernen, auch nicht durch ein heiter angerührtes Gebräu von diesem und jenem. An der alten Lehre des Hippokrates von den vier Temperamenten ist viel dran. Andreas und Stephan Lebert sind Sanguiniker, die die Heiterkeit augenscheinlich schon im Blut haben. Sie hatten vielleicht das Glück, in einer anregenden intellektuellen Umgebung aufzuwachsen.
Jedenfalls tischen sie heitere und für heiter gehaltene Geschichten über ihre Kindheit, ihre Hunde und ihre Familie auf. In einem kurzen Kapitel - alle ihre Kapitel sind kurz - berichten die Autoren den Fall des Matthias Steiger, eines Schusters in ihrem Heimatdorf Icking. Der wurde von seinem tyrannischen Vater in seinen ungeliebten Beruf gezwungen. Mit seiner Frau wurde er nicht glücklich, und dann starb sie langsam und qualvoll an Krebs. Trotzdem war er, wie es im Buch der Heiterkeit heißt, "unbeugsam". Ich würde das nicht heiter nennen.
Ganz am Ende ist von den "Peanuts" aus dem allseits bekannten Comicstrip die Rede. Im Zentrum stehen da Charlie Brown und sein Schöpfer Charles M. Schulz. Aber eigentlich ist ja Snoopy der Heitere. Er nimmt das Leben, wie er es findet. Wenn sein echter van Gogh verbrennt, dann hängt er eben ein Gemälde von Andrew Wyeth in der Hundehütte auf. Der Melancholiker Charlie Brown hingegen ist voller schwarzer Galle. Snoopy braucht kein Buch, um heiter zu werden, Charlie oder der Cholerikerin Lucy van Pelt würde auch kein Buch viel Gelassenheit verschaffen.
Die Leberts haben als Journalisten für gehobenere Druckerzeugnisse gearbeitet. Viele ihrer Geschichten stammen auch aus dem Pressewesen. Da ereignen sich Katastrophen, die man nur mit viel Heiterkeit verkraften kann. Ein Beispiel aus der etwas ferneren Vergangenheit: Anlässlich der unglückseligen Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher wurde Henri Nannen, der legendäre Gründer des "Stern", gefragt: Ist es nicht furchtbar, wenn einem am Ende einer solchen Karriere ein derartiger Fehler passiert? Darauf Nannen: "Besser als am Anfang." Wenigstens eine schlagfertige Antwort. Doch stimmt sie heiter?
Vicco von Bülow alias Loriot ist jemand, der uns alle immer wieder mit heiteren Gemeinheiten versorgt hat. Aber auch er hat das wohl schon in den Genen. In einem Gespräch mit seinem sterbenden Vater begann er einmal einen Satz mit: "Ich kann mir nicht vorstellen ..." Darauf der alte Bülow auf Berlinerisch: "Du brauchst dir nich' vorstellen, ick kenn dir ja."
Lebenslang heiter werden zu wollen, wenn man nicht das Talent dafür hat, heißt zu viel zu verlangen. Wer jedoch dazu neigt, anekdotischem Material eine höhere Begründungskraft zuzuschreiben, wird den Brüdern Lebert womöglich gern auf den Leim gehen und ihre Geschichten sogar für nützlich halten. Geteiltes Leid ist vielleicht nicht halbes Leid, aber doch nur 95 Prozent. Es tröstet mich, von Leuten zu lesen, die ähnliche Dummheiten begehen wie ich. Klüger werde ich davon aber auch nicht.
Zu den wichtigsten Erkenntnissen des Buches zählt das "Stinktierprinzip". Die Autoren haben es nicht selbst entdeckt, aber sie propagieren und erläutern es. Man hält sich möglichst fern von Stinktieren und tut so, als wären sie nicht da. Stinktiere, die Feinde der Heiterkeit, sind bierernste Miesmacher, die immer alles besser wissen. In der Folge werden sie dann auch noch genauer beschrieben. Das Kriterium Nummer zwei ist zum Beispiel "Menschen, die gerne von sich sagen, sie brauchen keine Karnevalsverkleidung, um lustig zu sein, und sie brauchen dafür auch keinen Alkohol".
Aber die Lebertsche Theorie des Stinktiers ist von einer bipolaren Absolutheit, die mir nicht immer einleuchtet. Die übelsten Stinktiere, die ich kenne, haben andere Stinktiere, mit denen sie sich prächtig verstehen. Das Prinzip ist richtig, nur muss man jeweils seine persönliche Definition des Stinktiers entwickeln. Des einen Stinktier ist des anderen Nachtigall.
Das ist ein Buch wie die Nuss-Croissants aus dem Laden neben der Apotheke, wo ich immer das Rezept für meinen Betablocker einlöse. Eine Bagatelle, aber nicht schlecht. Kaufen Sie es ruhig, lesen Sie es oder schenken Sie es Ihrem Onkologen. Doch nehmen Sie es um Himmels willen nicht ernst!
ERNST HORST
Andreas Lebert, Stephan Lebert: "Der Ernst des Lebens". Und was man dagegen tun muss. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009. 176 S., geb., 17,95 [Euro].
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