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Der große Kritiker und der große Lyriker - ihre Briefe dokumentieren lebhaftes literarisches Leben.287 Briefe schrieben sich Peter Rühmkorf und Marcel Reich-Ranicki. 1973 übernahm Reich-Ranicki das Ressort Literatur und literarisches Leben in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und rief ein Jahr später die Frankfurter Anthologie ins Leben, die er bis zu seinem Tode betreute. Damit setzte er Maßstäbe im deutschsprachigen Feuilleton. Zu den bedeutenden Autoren, die Reich-Ranicki für die Mitarbeit in der FAZ gewann, zählte Peter Rühmkorf - er schrieb für die Zeitung von 1974 bis 2006.Es geht in…mehr

Produktbeschreibung
Der große Kritiker und der große Lyriker - ihre Briefe dokumentieren lebhaftes literarisches Leben.287 Briefe schrieben sich Peter Rühmkorf und Marcel Reich-Ranicki. 1973 übernahm Reich-Ranicki das Ressort Literatur und literarisches Leben in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und rief ein Jahr später die Frankfurter Anthologie ins Leben, die er bis zu seinem Tode betreute. Damit setzte er Maßstäbe im deutschsprachigen Feuilleton. Zu den bedeutenden Autoren, die Reich-Ranicki für die Mitarbeit in der FAZ gewann, zählte Peter Rühmkorf - er schrieb für die Zeitung von 1974 bis 2006.Es geht in diesem Briefwechsel um die Arbeit - Arbeit mit Büchern, Themen, Texten. Und es geht um Literaturgeschichte und auch Politik der alten Bundesrepublik und ihres Wandels nach 1989. Rühmkorf kündigte krachend die Arbeitsbeziehung 1995 wegen Reich-Ranickis Umgang mit dem Roman »Ein weites Feld« von Günter Grass. Nach 5 Jahren versöhnten sie sich - sie wussten beide, was sie voneinander halten sollten und wollten. Beide sind glänzende Briefeschreiber, egal worüber sie sich gerade austauschen oder worüber sie sich beim jeweils anderen beschweren, beklagen, egal ob sie loben oder schimpfen.Hamburg, den 8. August, 74Lieber Herr Ranicki, [...] Ich möchte anregen [für die Frankfurter Anthologie] wie Rezension zu bezahlen [...], weil ich nie was hinwichse, immer Grundlagenforschung mitliefre.Hamburg, den 2. Februar 79Lieber Herr Ranicki, lange keine hackentretende Post von Ihnen, was mich fast beunruhigt. Mit der Zeit gewöhnt man sich an Ihre aufmunternden Rippenstöße und Schulterschläge [...]Frankfurt am Main, den 18. Januar 1985Mein Lieber, Sie sind ein ekelhafter Mensch. Aber Ihr Aufsatz über Gernhardt ist vorzüglich, ja hervorragend. Er wird sehr bald erscheinen. Was weiter? Wann kommt die Auswahl der Brecht-Gedichte? [...]Hamburg, den 28. 2. 89Lieber Herr Ranicki, bitte noch ganz klein wenig Geduld; ich sitze gerade noch an Nachwort zu mir selbst; ab morgen, übermorgen frei für »Phänomen«, das ich Ihnen dann am 8. eigenhändig zu Füssen lege. Leider, es geht nicht anders, und grämen Sie sich nicht. [...]
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.03.2015

Unverschämtheit! Töricht! Dumm!
Reich-Ranickis und Rühmkorfs Briefe

Der eine, dünner Dichter mit dünnem Haar und großer Brille, sitzt oben in seinem Hamburger Dachkämmerchen an der Elbe, trinkt Prosecco aus blauen Gläsern und schnipselt Filter von den Zigaretten, bevor er sie raucht. Der andere, Kritiker an seinem Schreibtisch im Frankfurter Gallusviertel, trinkt nicht, redigiert Texte, vergibt Aufträge, regiert die Welt der deutschen Literatur mit Hilfe seiner Mitarbeiter Ulrich Greiner, Volker Hage, Franz Josef Görtz und seiner Sekretärin Monika Kunz. "MRR/M.K." ist das Regierungssiegel, das auf jedem seiner Briefe oben prankt.

Der eine wirbt, lobt, befiehlt, regt an, schimpft, wütet, preist und fordert. Der andere lässt loben, schweigt, lässt sich umschmeicheln, steckt Würdigungen ein, lässt den Regenten warten, warten, warten.

Die Briefe, die der Dichter Peter Rühmkorf (1929-2008) und der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki über 43 Jahre hin- und herschickten sind jetzt als Buch erschienen. Ein herrliches Buch, dramatisch, lustig, eilig. Ein Freundschaftsbuch, Dienstbuch, voller Missverständnisse und voller Einvernehmen. Eigentlich geht es nur darum: Wie bringt ein Kritiker, der ein Literaturressort verwaltet, das er zum größten, wichtigsten, ja einzig bedeutenden des Landes machen will, einen Dichter, den er bewundert, dessen Gedichte er bewundert, dessen literaturkritische Essays er schätzt und die er für sein Projekt unbedingt unbedingt unbedingt braucht, wie bringt er den zum Schreiben.

Klingt einfach, ist es aber nicht, da dieser Dichter - so die Meinung Reich-Ranickis - erstens faul ist, zweitens weltfremd und drittens - so nun wiederum der Dichter selbst - so stolz links, dass er in der rechten F.A.Z. eigentlich nicht schreiben will. Ja, eigentlich. Denn Marcel Reich-Ranicki kennt da ein paar Tricks, und ihm stehen auch einige Hilfsmittel zur Verfügung.

Zum Beispiel Geld. Das ist von Anfang an eines der Leitmotive dieses Briefwechsels. Es sind ganz schöne Sümmchen, die Reich-Ranicki dem umworbenen Mitarbeiter da anbietet. Wir sind hier Mitte der siebziger Jahre, vierzig Jahre her: 600 Mark für eine Gedichtinterpretation, 800 Mark für einen Ringelnatz-Aufsatz. "Ich weiß, das interessiert Sie eigentlich gar nicht", schreibt Reich-Ranicki immer schlau - und nennt dann doch immer wieder noch eine etwas größere Summe. Und Rühmkorf lässt sich immer wieder erweichen im politisch verachteten Zentralorgan des Konservativismus seine Gedichte erscheinen zu lassen, seine Essays zu veröffentlichen.

Doch Rühmkorf bleibt im Modus des Verdachts, immer wieder mutmaßt er, ein linker Autor wie er werde in der F.A.Z. doch vielleicht in seinen Freiheiten beschnitten. Als ihm 1983, fast zehn Jahre schreibt er da schon für die F.A.Z., ein Beitrag für die Frankfurter Anthologie zurückgeschickt wird, weil er ungefähr die doppelte Länge des erlaubten Umfangs hat, weiß er sofort: Zensur! Der Wind hat sich gedreht! Postwendend erhält er einen tollen Explosionsbrief zurück: "Ihr Brief ist eine Unverschämtheit", schreibt Reich-Ranicki. "Es ist noch viel schlimmer: Ihr Brief ist töricht." Und er erklärt ihm, was Freiheit und Toleranz in dieser Zeitung bedeutet hat und immer bedeutet: "Ich bin in dieser Zeitung nun bald zehn Jahre, und es gibt noch keinen einzigen Artikel, keinen einzigen Absatz, den ich hier gedruckt sehen wollte und der unveröffentlicht geblieben wäre. Die Freiheit, von der ich hier übrigens dankbar profitiere, ist heute genauso groß wie vor fünf oder acht Jahren."

Ja, das ist dieser Briefwechsel vor allem auch: eine Liebeserklärung an diese Institution F.A.Z., die Marcel Reich-Ranicki immer als gigantische Ermöglichungsmaschine erlebt und genutzt hat. Ermöglichung von Literatur, Erweiterung, Bestärkung, Verteidigung des als richtig und wichtig und gut Erkannten. Die Besten müssen hier schreiben, die besten Dichter, die besten Essayisten. "Jetzt ist Ihnen ja auch der Enzensberger an die Angel gegangen", schreibt Rühmkorf zu Anfang bewundernd. Er wollte sie alle. Und wer nebenbei auch noch woanders schrieb, beging so etwas wie eine Beleidigung. Fritz J. Raddatz in seinen Jahren als Feuilletonchef bei der "Zeit" war da ein besonders ungeliebter und widerstandskräftiger Gegner. Immer wieder schnappt der ihm einen Rühmkorf-Text weg. Reich-Ranicki nimmt es dem Dichter übel. Aber immer nur bis zum nächsten Gedicht.

Beide haben von dieser professionellen Freundschaft profitiert. In der Rückschau scheint es: Rühmkorf weit mehr als Reich-Ranicki, der ihm Preise verschaffte, Stipendien, der ihn lobte und pries, wie und wo er nur konnte. Selten, leise und vorsichtig mahnt er manchmal so etwas wie Dankbarkeit an. "Es bleibt ein Rest, nicht ganz leicht zu tragen und natürlich nur rein persönlich. Das wärs, nun habe ich mehr gesagt, als ich eigentlich sagen wollte." Rühmkorf weist die Mahnung barsch zurück: "Der Schuldige, den Sie hier suchen, ich bin es nicht."

VOLKER WEIDERMANN

Marcel Reich-Ranicki, Peter Rühmkorf: "Der Briefwechsel". Herausgegeben von Christoph Hilse und Stephan Opitz. Wallstein, 333 Seiten, 22,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Frank Schäfer hat sich offenbar gut amüsiert mit dieser Korrespondenz. Die Scharmützel und Liebesbezeugungen in der Beziehung zweier eitler Männer mag er als Einsatz und Mühe auf dem Feld der Literatur deuten. Menschenfreundlich scheint ihm immer wieder die Fehde zwischen dem Gönner und dem Dichter, die zwar auch Neuralgien ans Licht holt, wie Schäfer erkennt, zu Unverständnis und gar Zerwürfnis führt, aber letztlich doch vor allem zu guten Texten. Den Band findet Schäfer vorbildlich ediert und kommentiert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.04.2015

Auf dem Schwingboden der Seele
„Und welche wunden Stellen sähen Sie gerne ins Licht gesetzt?“ Der Briefwechsel zwischen Marcel
Reich-Ranicki und Peter Rühmkorf ist ein einzigartiges literarisches und zeitgeschichtliches Dokument
VON VOLKER BREIDECKER
Mein Lieber“, schreibt ein kurz angebundener Literaturchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an den Dichter Peter Rühmkorf, einen seiner ältesten, besten, schwierigsten Mitarbeiter, „Sie sind ein ekelhafter Mensch. Aber Ihr Aufsatz über (Robert) Gernhardt ist vorzüglich, ja hervorragend.“ Seinerseits genervt, seufzt der vom Joch des Rezensierens geplagte Autor, der all seine Ausflüchte und sein ewiges Flehen um Aufschub mit einem andauernd schlechten Gewissen bezahlt: „Vielleicht ist es wirklich eine Qual mit mir – aber auch Sie sind ein Quälgeist und urgen mich zu unguter Stunde.“ Gleichwohl, wie es an anderer Stelle dieses Briefwechsels heißt, könne man sich Marcel Reich-Ranickis Rolle des Mahners nur „schlecht entziehen“.
  Freunde konnten die Briefpartner nicht werden, auch wenn sie über nahezu ein halbes Jahrhundert einen freundschaftlichen und trotz unterschiedlicher Interessenlagen, gelegentlicher Reibereien, Enttäuschungen, Kränkungen und zeitweiliger Zerwürfnisse stets herzlichen Umgangston miteinander pflegten. Zu groß war das Machtgefälle, zu groß der Abstand zwischen Auftraggeber und Autor, um die von Rühmkorf als „Verständnisschwierigkeiten zwischen Hochkunst und Großkritik“ ironisierten Differenzen mehr als nur punktuell zu überbrücken: „Hier“, schreibt er, „kommen ja gelegentlich zwei Schwingungskreise nicht zur Deckung, die mit unterschiedlichen Standpunkten im Konzertsaal zu tun haben.“
  Was nicht nur metaphorisch zu verstehen war: Dem Leser bietet dieser Briefwechsel zweier großer Epistolographen der deutschsprachigen Literatur ein nahezu musikalisches Klangereignis. Hier wohnt man dem keiner Melodramatik entbehrenden Duett zweier Solisten bei, die ihre Stimme als virtuoses Klanginstrument und ihre Schreibhände wie zum Spiel auf der Luftgitarre einsetzen.
  In einem Essay zur „Poetologie des Alltagslebens“ sprach Peter Rühmkorf von den Ohrenreizen, „nach deren Pfeifenton wir tanzen“, und erörterte jene Stilmittel, derer sich seine liedhaften Gedichte, genauso aber auch seine Briefe bedienen, insofern „gewisse Silbenwiederholungen, Zweiklänge, Reime und gelegentlich auch bloße Assonanzen einen heimlichen Schwingboden unserer Seele in Bewegung setzen“. Rühmkorfs Briefe an Reich-Ranicki sind gespickt mit lockenden Zurufen, Wortbildungen für den heimlichen Schwingboden : „Alfanzereien“, „Nonplusgehtnichtmehr“, „Kritikalien“, „Hauchestförmiges“, „Millimü“, „Leckerfetzigkeiten“, „Ffffchchchcht“, „Tollitäten“.   
  Unter diesen Wortgebilden sind auch kritische Spitzen wie die „Zeilenzähluhr“, gegen die sich der im Tagesfeuilleton eines „Reflexblatts“ reüssierende Dichter auflehnt. Unter Berufung auf die in seinem Reich geltenden Souveränitätsrechte gibt er dem Gegenüber, der die von der Zeitung gesetzten Zeilengrenzen einklagt, auch mal prosaisch zu verstehen: „Ich weiß ja genau, was Sie stört, zu große Länge und subjektive Sehweise, a b e r beides sind Eigenschaften, die es heute aufrecht zu halten, zu verteidigen gilt.“
  Nicht weniger prägnant und bis ins i-Tüpfelchen erkennbar ist Reich-Ranickis lebendige Stimme, die ihrer stilsicheren Anschaulichkeit wegen einen unübertrefflichen, bei aller professionellen Zurückhaltung und ironiegestützten Distanznahme dennoch liebenswürdigen, beinahe zärtlichen Charme ausströmt. Und wenn Rühmkorf sein ironisches Talent gerne im Parodieren von Reich-Ranickis Stil und Stimme ausspielt („kommt zeit – kommt arebeit“), so hat auch dieser immer mal einen Vers auf den Lippen – etwa Heines „Mein Liebchen, was willst du noch mehr?“, womit er Rühmkorfs ausgefallene Rezensionswünsche karikiert.
  „Der Dichtung eine Gasse“, so lautete Reich-Ranickis Programmformel für das von ihm von 1973 bis 1988 verantwortete Ressort „Literatur und Literarisches Leben“. Was in romanischen und angelsächsischen Ländern selbstverständlich ist, dass Schriftsteller in Tageszeitungen schreiben, musste in Deutschland noch durchgesetzt werden. Es war das Verdienst von Reich-Ranickis Strategie, Autoren wie Rühmkorf an das Blatt zu binden. Zugleich belebte er eine Form der Literaturkritik, wie sie in der Vergangenheit vor allem von jüdischen Publizisten gepflegt wurde, den großen Vorbildern Heine und Börne, Polgar und Kerr vor allem. Unter dem Motto „Der Dichtung eine Gasse“ rief er 1976 als Bühne für Poesie und Poetik die „Frankfurter Anthologie“ ins Leben, die er noch nach der Pensionierung verantwortete.   
  Die Vehikel, um Rühmkorf möglichst dauerhaft und exklusiv an das Feuilleton der FAZ zu binden, waren die großzügige Entlohnung und Förderung, der privilegierte Kontakt, die stete Anmahnung ausstehender Arbeiten, die diplomatisch formulierte Klage über Säumnisse, selbst wenn diese Jahre, in einigen Fällen sogar Jahrzehnte anhielten, der zarte Vorwurf der Undankbarkeit, die sanfte Erpressung bis hin zum Donnerwetter. In puncto Wehklagen, Ausflüchten und Erpressungen war allerdings auch Rühmkorf kein Waisenknabe. Die Gefechte im munteren Schattenboxen, die sich die beiden liefern, sind von großem Unterhaltungswert.
  Ihre strategischen Ziele konnten dabei kaum verschiedener sein: Reich-Ranickis stete Absicht, Rühmkorf zum Schreiben zu bewegen, beantwortet dieser mit einem gesteigerten Verlangen nach Liebesbezeugungen und nach dem Ausbau freundschaftlicher Bande. Dabei lässt er immer wieder vergnügliche oder auch bösartige Sticheleien gegen das konservative FAZ-Umfeld vom Stapel, mehr aber noch zielt er auf den Kokon, mit dem sich Reich-Ranicki gegen Grenzüberschreitungen im Blick auf Dinge wappnet, über die er nicht sprechen möchte, zumindest nicht in der Rolle des Kritikers.
  Als Variante auf einen berühmten Slogan des Blatts zielt Rühmkorf auf „kluge Köpfe, die sich hinter was verbergen“. Dann sucht er für einen Beitrag zu einer Festschrift anlässlich Reich-Ranickis 60. Geburtstag das Ausmaß eines latenten Antisemitismus zu ergründen, der sich hinter der massiven und teilweise hasserfüllten Abwehr von Reich-Ranickis Person und der Form der Kritik, für die er steht, verbergen könnte. Mit der Bitte um ein Wort dazu aber stößt Rühmkorf bei Reich-Ranicki auf Granit: Die Nachfrage ginge an „die falsche Adresse“, und es mache „gar keinen Sinn in dieser Sache mit mir zu korrespondieren“.
  An die „wunden Stellen“, von denen der hochpolitisierte Rühmkorf sich erhoffte, dass Reich-Ranicki sie „gerne ins Licht gesetzt“ sähe, hatte er freilich gerührt. In der Autobiografie „Mein Leben“ ist zu lesen, wie Reich-Ranicki sich trotz aller Vernetztheit als Nicht-Zugehöriger und Unbehauster sah und den Gedanken, dem Rühmkorf nachsann, beinahe verzweifelt abzuwehren und zu entkräften sucht – um am Ende doch davor zu kapitulieren: Rühmkorfs Nachfrage aus dem Jahr 1979 beantwortet er viele Jahrzehnte später mit der bitteren Beobachtung, er müsse immer wieder lesen, er sei ein „Miesmacher“, ein „Querulant“, der es darauf abgesehen habe, „zu zerstören, zu zersetzen“. Und: „Ich frage mich manchmal, was sich hinter diesen hartnäckigen Klischees verbirgt. Ich fürchte, ich weiß es.“ Auch Rühmkorf wusste es.
  Auch Unstimmiges und Unausgesprochenes, Ausgespartes und Verschwiegenes lassen diesen Briefwechsel zum zeitgeschichtlichen Dokument werden. „Und wenn wir mal gestorben sind“, hatte Rühmkorf gesungen, „geistern wenigstens noch ein paar Briefchen über Land.“ Dank dieser vorbildlich kommentierten Briefedition sind es gar nicht wenige, knapp 300, verfasst zwischen 1974 und 2006 – bis der Vorhang fällt, und manche Fragen offenbleiben.
„Auch Sie sind ein
Quälgeist und urgen
mich zu unguter Stunde.“
Die Gefechte im Schattenboxen,
die sich die beiden liefern, sind
von großem Unterhaltungswert
Über „Alfanzereien“, „Kritikalien“ und „Leckerfetzigkeiten“ schrieb
der Dichter Peter Rühmkorf (oben) an den Kritiker Marcel Reich-Ranicki. Die beiden
korrespondierten von 1974 an über drei Jahrzehnte lang.
FotoS: Regina Schmeken
  
  
Marcel Reich-Ranicki / Peter Rühmkorf: Der Briefwechsel. Herausgegeben von Christoph Hilse und Stephan Opitz. Wallstein Verlag, Göttingen 2015. 335 Seiten, 22,90 Euro.
E-Book 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Marcel Reich-Ranickis Briefwechsel mit Peter Rühmkorf unterhält aufs Beste.« (Marc Reichwein, Die Literarische Welt, 18.07.2015) »Der Briefwechsel bietet die einmalige Chance, in eine Epoche einzutauchen, in der die literarische Öffentlichkeit noch sehr übersichtlich und abgesteckt funktionierte.« (Marc Reichwein, Die Literarische Welt, 18.07.2015) »In ihrem Briefwechsel schenken sich der Literaturpapst und der »Prediger mit der Schiebermütze« nichts - zu unserem Lesevergnügen« (Thomas Feitknecht, NZZ am Sonntag, 19.04.2015) »ein nahezu musikalisches Klangereignis« (Volker Breidecker, Süddeutsche Zeitung, 13.04.2015) »vorbildlich ediert und konzise kommentiert« (Frank Schäfer, die tageszeitung, 24.03.2015) »Ein herrliches Buch, dramatisch, lustig, eilig.« (Volker Weidermann, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.03.2015) »Verdienstvoll und spannender als mancher Krimi.« (Walter Gödden, Westfalenspiegel, März 2016) »scharfsinniger und dabei so pointierter Briefwechsel« (Sarah Reul, pinkfisch.net, 06.08.2016) »Die Korrespondenz zwischen 1967 (erst richtig ab 1974) und dem Jahr 2000 lebt von Spannungsreichtum und Lebendigkeit.« (Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Bd. 28 (2016)) »Man bekommt einen wunderlich neuen Blick auf die Welt der Literatur.« (Ulrich Joost, Lichtenberg-Jahrbuch 2016)