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"Zum Sehen geboren, zum Schreiben bestellt." (Ivan Nagel über Moritz Rinke)
Ein Autor durchläuft die Gegenwart: Er begibt sich auf aberwitzige Zukunftskonferenzen, wird von einer E-Mail-Flottille überfallen und zu Sex mit Schafen gezwungen; feierlich verbrennt er die Dessous von Maria Callas, beobachtet Menschen beim Fischeklonen, sitzt im Planungsstab der Expo und singt dort mit Karel Gott das Lied der Biene Maja. Nebenher betrachtet er die totale Sonnenfinsternis und sieht Schnee, der zu Zeiten Karls des Großen fiel, telefoniert mit Beate Uhse und bricht über Kellerfenster in die Berliner…mehr

Produktbeschreibung
"Zum Sehen geboren, zum Schreiben bestellt."
(Ivan Nagel über Moritz Rinke)
Ein Autor durchläuft die Gegenwart: Er begibt sich auf aberwitzige Zukunftskonferenzen, wird von einer E-Mail-Flottille überfallen und zu Sex mit Schafen gezwungen; feierlich verbrennt er die Dessous von Maria Callas, beobachtet Menschen beim Fischeklonen, sitzt im Planungsstab der Expo und singt dort mit Karel Gott das Lied der Biene Maja.
Nebenher betrachtet er die totale Sonnenfinsternis und sieht Schnee, der zu Zeiten Karls des Großen fiel, telefoniert mit Beate Uhse und bricht über Kellerfenster in die Berliner High Society ein; er analysiert mal eben die SPD, Goethe und Heiner Müllers Beerdigung sowie das deutsche Mülltrennungssystem.
Aus den Wirren der Zeit zieht sich der Autor immer wieder in seine selbst gebauten Oasen zurück. Am Ende landet er neben einem Blauwal im Kirschgarten. Moritz Rinkes preisgekrönte Geschichten, Reportagen und Porträts bestechen durch Schärfe, Charme und Witz. Kein Missstand, keine Absurdität bleibt ihm verborgen, zugleich vertritt er mit großerÜberzeugungskraft eine heiterromantische Weltsicht, einen ganz unzeitgemäßen Humanismus.
Autorenporträt
Moritz Rinke, geb. 1967 in Worpswede, studierte 'Drama, Theater, Medien' in Gießen, und zählt zu den erfolgreichsten deutschen Gegenwartsdramatikern. Sein Stück 'Republik Vineta' wurde 2001 in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute zum besten deutschsprachigen Theaterstück gewählt und 2008 für das Kino verfilmt. Im Sommer 2002 gelangte bei den Festspielen in Worms seine Neudichtung der 'Nibelungen' zur Uraufführung, die in den Folgejahren ein großes Publikum fand. 'Café Umberto' (2005) wurde bereits an neun Theatern gespielt. Einige seiner Reportagen, Kurzgeschichten und Essays wurden mehrfach ausgezeichnet. Moritz Rinke lebt in Berlin und ist Gastprofessor für Szenisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.06.2003

DAS HÖRBUCH
Bizarre Dokumente
Moritz Rinke umschmeichelt
Prominente
Ein intelligenter und geübter Vorleser mit einer guten Stimme kann fast alles zu schönem Hörstoff verweben. Der Beweis für diese Annahme lässt sich auf dem Hörbuch mit Texten von Moritz Rinke finden, welche sich vor allem durch den schmeichelnden Umgang mit Prominenten auszeichnen und durch schwachen Witz über leicht angreifbares Personal der unteren und mittleren Ebene von Theater- und Literaturbetrieb. Stilistisch zeichnen sie sich durch Überlänge aus und rhetorische Maschen, etwa dem Schwank entnommene: das Aufzählen und Durcheinanderwirbeln von Namen.
Außer dem Autor haben acht professionelle Sprecher und solche, die es zu sein meinen, Rinkes Zeitungsartikel vorgetragen. Der Hörer wird erstaunliches gewahr: Ulrich Matthes vermag es, die Texte mit seinem eigenen Humor zu verblenden. Plötzlich gibt es witzige Stellen, nur durch sein Sprechen, etwa des mit Löffeln in Marmelade hantierenden Dramaturgen, der keine Stücke akzeptiert, die nicht die Gesellschaft anklagen. Nur durch die stimmliche Entwurfsarbeit, also Tonveränderungen und Pausen, werden die Klischees getarnt.
Sprache als Sport
Ganz anders dagegen Ulrich Tukur, der keinem Text mehr Intelligenz als sich selbst zuzutrauen scheint und unerträglich artistisch deklamiert, was nur von Götz Alsmann übertroffen wird, der seinen norddeutschen Akzent nicht kontrolliert und wie eine mit Adrenalin geimpfte Maus die Möglichkeiten seines Timbres und Sprechtempos auszuschöpfen sucht. Sein Publikum liebt ihn dafür, dass er gesprochene Sprache für Sport hält.
Christoph Waltz liest einen vor Name-dropping überlaufenden Witztext über die Beerdigung Heiner Müllers. Seine Aussprache ist hart und kraftvoll, dazu zischelt er leicht. Man hört ihm gerne zu, weil sich über den Vortrag die Persönlichkeit eines interessanten Künstlers legt.
Mario Adorf ist ein sehr guter Rollensprecher mit einer berühmten tiefen, weichen Stimme und spielt hier Bernhard Minetti in einem Interview, welches Minetti nicht gab – das heißt, Minetti verstand Rinkes Fragen nicht, was dieser für Ulk hielt und aufschrieb.
Was Sprecher und Laien unterscheidet, demonstriert der Autor. Der Inhalt rauscht vorbei, weil man diesem Jungen lauschen muss wie einem bizarren Tondokument im Naturkundemuseum. Seine Texte finden in der Eigenlesung ihren adäquaten Ausdruck: er lispelt.
MARTIN Z. SCHRÖDER
MORITZ RINKE: Der Blauwal im Kirschgarten. Kolumnen und Geschichten. Gelesen von Mario Adorf, Ulrich Matthes, Christoph Waltz, vom Autor und anderen. tacheles!/Roof Music, Bochum 2002. 2 CD, 126 min., 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2001

Beilage für Mittelstürmer
Weltwahnmaßstab: Moritz Rinkes Kolumnen / Von Jörg Magenau

Man könnte fragen: Muß das sein? Jetzt noch? Grüne Woche, Erotikmesse, Michael Naumann, Documenta, Expo, Marlene-Dietrich-Nachlaß, Berlinale, Love Parade, Sonnenfinsternis, Boris Becker, Fußball und Kaffee Burger gehörten in den vergangenen Jahren zu den obligaten Exerzitien feuilletonistischen Besprechungsfurors, denen dabei alle nur denkbaren Aspekte und Betrachtungsweisen abgerungen wurden. Es sind Themen, bei denen es den dienstverpflichteten Schreibern folglich weniger ums Thema gehen konnte als um die Selbstdarstellung. An ihnen ließ sich demonstrieren, wie leicht und locker man die Tastatur zu bedienen wußte. An ihnen durften Volontäre ohne Risiko ihr Talent erproben und Genies ihr Genie austoben. Ich und die Welt: Solche Etüden der Schreibfertigkeit las man zur Erheiterung, konnte sie aber auch verlustpunktfrei überblättern.

Nun hat Moritz Rinke seine Kolumnen und Reportagen der Jahre 1996 bis 2001 in Buchform gebündelt und seine Beobachtungen zu Grüner Woche, Erotikmesse, Michael Naumann, Documenta, Expo, Marlene-Dietrich-Nachlaß, Berlinale, Love Parade, Sonnenfinsternis, Boris Becker und Kaffee Burger damit in eine dauerhafte Existenzform überführt. Daß Rinke als Dramatiker bereits einigen Ruhm erworben hat, mag Verlag und Autor dazu bewogen haben, die Vergänglichkeit der Zeitungstexte zu Werk und Ware zu veredeln und das Produkt mit einem extralangen Lesebändchen zu versehen. In Zeitungen dient die Feuilletonglosse dazu, das trocken Brot der Informationspflicht aufzulockern. Im Buch wird aus der Summe der Nebensächlichkeiten eine Hauptsache. Etüde folgt auf Etüde, Garnierung auf Garnierung. Das wirkt so, als würde man immer nur Nachtisch essen: Man ist voll, aber nicht satt. Es fehlt der Hauptgang nebst Sättigungsbeilage oder unmetaphorisch gesprochen: der Erkenntnisgewinn. Ist es ein Zeichen von schlechter Laune und Humorlosigkeit angesichts durchaus unterhaltsamer Texte auf einem so altmodischen Bedürfnis zu bestehen?

Man könnte auch inhaltliche Einwände vorbringen und fordern, daß trotz der Freiheit des Feuilletons die Fakten stimmen müssen. Deshalb sei darauf hingewiesen, daß Dick van Burik kein Isländer ist, sondern, wie der Name vermuten läßt, aus Holland stammt. Der Isländer in Diensten von Hertha BSC heißt dagegen Eyjölfur Sverrisson, und der VfB Stuttgart schreibt sich immer noch mit kleinem f. Zaghafte Recherchebemühungen, ein Blick ins "kicker"-Sonderheft zum Beispiel, hätten solche schmerzlichen Fehler verhüten können. Trotzdem ist die Kolumne, in der es um die erlösende Stille und konzentrierte Kraft von Fußballspielern in Flugzeugen geht, tröstlich und hoffnungsvoll. Die Nachricht, daß Mittelstürmer Michael Preetz sich intensiv dem Literaturteil seiner Zeitung widmet und lange Artikel zum Thema "Die Intellektuellen müssen eine neue Form der Weltläufigkeit entwickeln" studiert, muß jeden Feuilletonisten mit Zuversicht erfüllen. Die schlichte Schönheit dieser Szene ist vielleicht das eigentliche Zentrum des Buches. Von hier aus erhält es seine Berechtigung.

Der Autor sitzt währenddessen eingeklemmt zwischen einem Mann, der unermüdlich Aktienanalysen in sein Diktaphon spricht, und einem zweiten, der mit weit ausholenden Gesten Zeitungen zerpflückt. Die eingeklemmte Bedrängnis ist sein liebster Platz als Schreiber. Er tut so, als gehöre er nicht dazu, zur Kultur-Society, die sein bevorzugter Gegenstand ist. Der Autor inszeniert sich als Außenseiter: Zur wichtigsten aller wichtigen Berlinale-Partys bekommt er keine Einladung und muß deshalb durch ein Kellerfenster klettern. Auf dem roten Teppich der Ehrengäste wird er nicht geduldet. Und doch gibt er zu erkennen, mit Mario Adorf auf so vertrautem Fuße zu stehen, daß er ihm sogar das Ladegerät für sein Handy ausleihen würde.

Der eigenen Verkleinerung korrespondiert die Vergrößerung der Welt oder vielmehr die Vergrößerung des Wahnsinns der Welt. Rinkes Trick besteht darin, den alltäglichen Irrsinn als kompletten Gesamtweltwahn darzustellen, so daß die eigene zur Schau getragene Verwirrtheit darin zu einer Form höherer Vernunft mutiert. Wer die Berliner Ernährungsmesse "Grüne Woche" besucht, ohne durchzudrehen, kann ja gar nicht normal sein. Pralinen aus Nepal, Rentierhüfte aus Lappland, Ardenner Leberpastete, eine Dosis Geflügelgewürz und dazu mazedonischer Aprikosensaft inmitten drängender Menschenmassen können nur gesunde Fluchtimpulse auslösen. Nun kann man zwar die "Grüne Woche" verlassen, im Weltwahnmaßstab betrachtet gibt es jedoch kein Entkommen. Und so stellt der Autor wenig später fest, daß es ihm auch auf der Erotikmesse unmöglich ist, eine Bockwurst zu verzehren.

Die Vergeblichkeit des Seins, die Sinnlosigkeit des Daseins und die Rechercheverzweiflung der Autorenexistenz sind folglich immer wiederkehrende Grundmelodien der Texte Moritz Rinkes. Unterwegs auf der Insel Capri, um einem gerühmten Theater einen Besuch abzustatten, findet er zwar nicht das Gesuchte, dafür aber viele andere Abenteuer. Im Bemühen um einen Gesprächstermin mit Michael Naumann dringt er zwar nur telefonisch zur Sekretärin vor, schreibt aber dennoch einen sehr hübschen Text. Solche gezielten Themenverpassungen sind Prinzip, vielleicht ja sogar eine feuilletonistische Lebenshaltung, an die sich anknüpfen ließe. Man muß nicht immer da ankommen, wo man hinwollte, und insofern ist auch gegen buchförmige Kolumnen nichts einzuwenden. Auch Rinkes Kampf gegen sinnlos dumme Anglizismen ist aus vollem Herzen zu unterstützen - wie sich überhaupt über seine Texte sagen läßt, daß sie grundsympathisch sind. Aber ist das eine Kategorie der Literaturkritik?

Moritz Rinke: "Der Blauwal im Kirschgarten". Erinnerungen an die Gegenwart. Rowohlt Berlin, Berlin 2001, 206 S., geb., 29,14 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Jörg Magenau ist sich nicht sicher, ob sich Feuilletontexte tatsächlich für die gebundene Form eignen, denn er findet, dass sie ohnehin eher Dessert als "Hauptgang" sind. Ihm sind solche Texte einfach nicht gehaltvoll genug, es fehlt ihm der "Erkenntnisgewinn". Und wenn dann auch die "Fakten" nicht immer stimmen und so manch "schmerzlicher Fehler" zu finden ist, hilft das auch nicht, ihn zu überzeugen. Insgesamt seien die Betrachtungen des Autors zwar recht unterhaltsam und dazu "grundsympathisch", aber ob das für ein ganzes Buch reiche, sei fraglich, so der Rezensent zurückhaltend.

© Perlentaucher Medien GmbH"
Seit Dürrenmatt hat keiner so wie Rinke die Farce als Wahrheit und die Wahrheit als Farce erfasst. Frankfurter Rundschau